Einleitung
Der frühe Beginn der Rehabilitation noch während oder kurz nach akuter Erkrankung
ist im § 39 SGB V verankert. Frührehabilitation stellt nach einer 2004 zwischen Bund
und Ländern abgestimmten Auffassung die frühzeitig einsetzende rehabilitationsmedizinische
Behandlung von Patientinnen und Patienten dar, die wegen eines akuten Gesundheitsproblems
mit schwerer Beeinträchtigung der Funktionalität Krankenhaus behandlungsbedürftig
sind. Sie umfasst sowohl relevante Beeinträchtigungen der Körperfunktionen und -strukturen
als auch der Alltagsaktivitäten und/oder Teilhabe. Für die leistungsrechtliche Zuordnung
ist der Begriff der Frührehabilitation vorrangig vor anderen gebräuchlichen Verwendungen
des gleichen Begriffes, insbesondere hat er Vorrang vor der von der Bundesarbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation (BAR) erarbeiteten Phaseneinteilung der neurologischen (Früh-)Rehabilitation
[1]. Leistungen der Frührehabilitation dürfen als Teil der Krankenhausbehandlung nur
so lange erbracht werden, wie diese erforderlich sind und grenzt sich durch diese
Definition von einer Rehabilitation in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen
gemäß § 111 SGB V ab. Die Vergütung der erbrachten Leistung erfolgt entweder über
OPS (Operationen und Prozedurenschlüssel) (8-550, 8-552, 8-553, 8-559) getriggerte
Zusatzentgelte oder über krankenhausindividuell ausgehandelte Tagessätze [2]. Für die sachgerechte Versorgung, Zuordnung und Verlegung der Patientinnen und Patienten
liegt ein komplexer Bewertungsprozess zugrunde, den die Partner im Gesundheitswesen
vereinbaren [3]. Durch das deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
gibt es bereits amtliche OPS für die Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung
(OPS 8-550), die Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation (OPS 8-552), die
Frührehabilitative Komplexbehandlung von Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren (OPS-8-553)
sowie Fachübergreifende und andere Frührehabilitation (OPS 8-559). Hierbei werden
bestimmte Strukturvorgaben gefordert.
Die pneumologische Frührehabilitation versorgt Patienten nach schwerer akuter Erkrankung
der Atmungsorgane. In der Regel wurden diese Patienten über einen längeren Zeitraum
invasiv beatmet und sind erfolgreich geweant worden, wenige Patienten sind zum Zeitpunkt
der Rehabilitation noch invasiv beatmet. Dieser Ansatz unterscheidet sich von dem
neurorehabilitativen Ansatz, bei dem die Patienten während der neurologischen Frührehabilitation
geweant werden[4]. Die Problematik in Bezug auf Rehabilitation und weiterer Disposition geweanter
Patienten wurde bereits in den frühen Jahren der außerklinischen Beatmung erkannt
[5]
[6]
[7]. Die erste pneumologische Frührehabilitation wurde aber erst 2005 in Deutschland
eröffnet. Das Ziel dieser Publikation ist es, Strukturmerkmale und Ergebnisqualität
der pneumologischen Frührehabilitation darzustellen. Hierfür wurden die Daten einer
pneumologischen Einrichtung für Frührehabilitation über den Zeitraum eines Jahres
prospektiv erhoben und ausgewertet.
Material und Methode
Die analysierten Daten werden routinemäßig prospektiv für jeden Patienten, der in
die Frührehabilitation aufgenommen wird erhoben. Wir haben die Daten aller Patienten,
die vom 01. 01. 2011 bis zum 31. 12. 2011 aufgenommen wurden analysiert ([Abb. 1]).
Abb. 1 Consort Chart.
Hierzu zählen die demografischen Basisdaten, die Liegedauer, der Isolationsstatus,
die Versorgungsform bei Entlassung sowie folgende Parameter, die bei Aufnahme und
Entlassung erhoben wurden: 6-Minuten-Gehstrecke, Functional Assessment Measure (FAM
[8]) und Barthel-Index [9], Lungenfunktion mit Bodyplethysmografie und Diffusionsmessung, BGA, Hämoglobin-Wert
und der Wert des C-reaktiven Proteins sowie die Form der Beatmung. Der FAM-Index dient
v. .a. der Bewertung des funktionellen und kognitiven Status eines Patienten während
einer Rehabilitation, der Barthel-Index bewertet die Selbständigkeit bzw. den Pflegeaufwand
eines Patienten [9]
[10]. Bisher gibt es keine validierte (d. h. durch Rückübersetzung geprüfte) Version
der Scores [11]
[12]. Im FAM-Index wird jedes Item auf einer Skala zwischen 1 und 7 bewertet, was zur
Gefahr von Boden- und Deckeneffekten führt [13]. Der FAM-Index ist eine Erweiterung des FIM (functional independance measure), für
den eine gute Validität nachgewiesen wurde [14]. Der Barthel-Index besteht aus Items mit bis zu 4 Kategorien, die in Fünfer-Stufen
von 0–15 bewertet werden. Obwohl der Barthel der ältere der beiden Indizes ist, ist
er weniger gut validiert [12]. Sowohl der Barthel- als auch der FAM-Index arbeiten mit ordinal skalierten Werten,
was ihre Nutzung als Summenscores einschränkt. Für den Barthel-Index scheint eine
dichotome Auswertung an Hand des Cut-off-Wertes von 95 Punkten zumindest bei Schlaganfallpatienten
eine vollständige von einer unvollständigen Genesung zu differenzieren. Studien zu
dichotomen Auswertungen mit anderen Cut-off-Werten gibt es nicht. In der Frührehabilitation
sind aufgrund der Schwere der Erkrankungen per Definition intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten
vorzuhalten. In dieser Phase werden i. d. R. Barthel-Indizes von 95 oder mehr nicht
erreicht [15]. Aus diesem Grund wurde in dieser Studie auf eine dichotome Auswertung des Barthel-Index
verzichtet.
Zusätzlich wurden bei der Aufnahme der Patienten folgende Daten ermittelt: Die Triggerdiagnose,
die als Ursache für die akute Erkrankung verantwortlich ist, das Vorhandensein pulmonaler,
kardialer und neurologischer Begleiterkrankungen, das Vorliegen einer Critical illness-Neuro-
und/oder -Myopathie sowie die Dauer des invasiven Beatmungszuganges bei invasiv beatmeten
Patienten. Die zuständige Ethikkommission (Universität Marburg, 15. 01. 2015) genehmigte
die Untersuchung.
Intervention
Jeder Patient erhält an Wochentagen insgesamt 5 Therapieeinheiten bestehend aus: Einzeltherapie
zur Mobilisation bzw. Geh- und Treppentraining, Gruppentherapie im Physiotherapieraum
(Kraft- und Ausdauertraining), Bewegungsbad, Atemgymnastik, Ergotherapie, Logopädie
und Schlucktraining. An Samstagen Gruppentraining über 2 × 30 Minuten, sonntags Therapiepause.
Statistik
Parameter bei Aufnahme und Entlassung wurden mittels zweiseitigem gepaarten t-Test
verglichen. Ordinal skalierte Daten (FAM- und Barthel-Index) wurden mittels Wilcoxon-Mann-Whitney-Test
verglichen. Kontingenztafeln wurden mittels Fisher-Freeman-Halton-Test berechnet,
da regelhaft Häufigkeiten kleiner 5 vorkamen. Ein p < 0,05 wird als signifikant angesehen.
Für alle Vergleiche wurden Konfidenzintervalle (Ci) angegeben. Bei fehlenden Werten
wurde der Fallausschluss angewendet. Die Berechnung erfolgte mit der SPSS Version
22.
Ergebnisse
Insgesamt wurden Daten von 190 Patienten erhoben. Demografische Basisdaten zeigt [Tab. 1].
Tab. 1
Basisdatensatz.
N
|
190
|
Männlich
|
106 (56 %)
|
Alter (Jahre)
|
67 ± 12 (min 24, max 89)
|
BMI
|
29,6 ± 11,5 (min 14, max 81,3)
|
Zuvor invasiv beatmet (%)
|
179 (94,2 %)
|
Vorbeatmungsdauer bei invasiver Beatmung (Tage)
|
70,5 ± 104,8 (min 6, max 929)
|
Verstorben
|
8 (4,2 %)
|
Verweildauer (Tage)
|
39 ± 17
|
Komorbiditäten (%)
|
|
COPD
|
55,7
|
Adipositas
|
36,3
|
Neuromuskuläre Erkrankung
|
8,9
|
Kardiale Begleiterkrankung
|
75,8
|
Niereninsuffizienz
|
27,9
|
CIP/CIM
|
92,6
|
Isolationspflichtiger Keim
|
25,3
|
BMI = Body Mass Index, COPD = chronisch obstructive Lungenerkrankung, CIP = critical
illness polyneuropathy, CIM = critical illness myopathy, Isolationspflichtige Keime
(MRSA und 4-MRGN).
Die zur Beatmung führenden Hauptdiagnosen verteilen sich dabei wie folgt: Häufigste
Ursache waren Infektionen und Sepsis (31,1 %) gefolgt von COPD-Exazerbationen (24,2 %)
und elektiv geplanten operativen Eingriffen (22,1 %). Notfalloperationen als auslösende
Hauptdiagnose wurden dagegen nur in 8,9 % der Fälle dokumentiert. Der Rest verteilt
sich auf kardiale Erkrankungen (6,3 %), neurologische Erkrankungen (4,2 %) und anderweitige
pulmonale Erkrankungen (nicht COPD, 3,2 %).
Bei Aufnahme in die Frührehabilitation waren 97 Patienten (51 %) nicht beatmet, 73
(38 %) nicht-invasiv beatmet und 20 Patienten (11 %) invasiv beatmet. Zum Entlassungszeitpunkt
hatte sich diese Verteilung wie folgt geändert: Ohne Beatmung verblieben 93 Patienten
(49 %), nicht-invasiv beatmet 81 (43 %), invasive beatmet 9 (5 %). 8 Patienten (4,2 %)
verstarben während des Rehabilitationszeitraumes ([Tab. 2]).
Tab. 2
Entwicklung des Beatmungsstatus während der Rehabilitation.
|
|
Beatmunsstatus bei Entlassung
|
|
|
|
Ohne Beatmung
|
NIV
|
IV
|
Tod
|
Summe
|
Beatmungsstatus bei Aufnahme
|
Ohne Beatmung
|
74 (38,9 %)
|
20 (10,5 %)
|
0 (0 %)
|
3 (1,6 %)
|
97 (51,1 %)
|
NIV
|
16 (8,4 %)
|
53 27,8 %)
|
2 (1,1 %)
|
2 (1,1 %)
|
73 (38,4 %)
|
IV
|
3 (1,6 %)
|
7 (3,7 %)
|
7 (3,7 %)
|
3 (1,6 %)
|
20 (10,5 %)
|
|
Summe
|
93 (48,9 %)
|
80 (42,1 %)
|
9 (4,8 %)
|
8 (4,2 %)
|
190 (100 %)
|
NIV = nicht-invasive Beatmung, IV = invasive Beatmung. Der Fisher-Freeman-Halton-Test
zeigt einen Wert von 86,4 (p < 0,001).
Die Entwicklung des Beatmungsstatus während der Rehabilitation illustriert [Tab. 2].
Von den 97 Patienten, die ohne Beatmung aufgenommen wurden, hatten 42 einen pCO2 Wert > 45 mmHg. Extern zugewiesene Patienten hatten dabei eine höhere Inzidenz der
Hyperkapnie als von der eigenen Weaningabteilung zugewiesene Patienten (56 % vs. 30 %).
Die Veränderung der erhobenen funktionellen Parameter zwischen Aufnahme und Entlassung
zeigt [Tab. 3].
Tab. 3
Veränderung der erhobenen funktionellen Parameter zwischen Aufnahme und Entlassung.
|
Aufnahme
|
Entlassung
|
Differenz
|
Ci
|
p
|
FAM
|
84,4 ± 19,8
|
118,5 ± 23,3
|
34,1 ± 20,8
|
30,9 – 37,3
|
< 0,001
|
Barthel
|
30,5 ± 13,8
|
58,3 ± 16,2
|
27,8 ± 14,5
|
25,4 – 33,8
|
< 0,001
|
Sechs MWD (m)
|
12,9 ± 40,1
|
131,4 ± 85,2
|
118,5 ± 77,4
|
105,6 – 131,4
|
< 0,001
|
PO2 (mmHg)
|
57,1 ± 10,6
|
58,3 ± 10,4
|
1,2 ± 13,5
|
– 0,9 – 3,2
|
0,26
|
PCO2 (mmHg)
|
48,3 ± 10,4
|
46,9 ± 23,2
|
– 1,4 ± 23,8
|
– 4,9 – 2,2
|
0,45
|
pH
|
7,41 ± 0,05
|
7,41 ± 0,05
|
– 0,001 ± 0,05
|
– 0,01 – 0,01
|
0,76
|
HCO3 (mmol/l)
|
31,3 ± 22
|
29 ± 17,6
|
– 2,2 ± 27,7
|
– 6,3 – 1,9
|
0,29
|
Hämoglobin (mg/dl)
|
11,4 ± 1,4
|
11,6 ± 1,3
|
0,14 ± 1,4
|
– 0,06 – 0,3
|
0,17
|
CRP mg/dl (Normwert < 0,5)
|
3,6 ± 4,3
|
2,5 ± 3,4
|
–1,1 ± 3,9
|
– 0,5 – (– 1,7)
|
< 0,001
|
VC (% des Sollwertes)
|
50,9 ± 15,6
|
58,6 ± 19,3
|
7,3 ± 13
|
4,9 – 9,7
|
< 0,001
|
FEV1 (% des Sollwertes)
|
42,5 ± 16,9
|
48,3 ± 20
|
5,8 ± 9,8
|
4 – 6,4
|
< 0,001
|
RV (% des Sollwertes)
|
159 ± 33,8
|
152 ± 38,6
|
– 6,3 ± 25,8
|
0,5 – 12,2
|
0,035
|
Diffusionskapazität (% des Sollwertes)
|
50,5 ± 22,8
|
52,7 ± 24,9
|
2,5 ± 15,2
|
– 2 – 6,9
|
0,27
|
Pimax (cm H2O)
|
– 32,5 ± 15,7
|
– 40,5 ± 17,9
|
8,1 ± 16,1
|
– 4,8 – (– 11,3)
|
< 0,001
|
FAM = Functional Assessment Measure [10], Barthel = Barthel-Index [9], Sechs MWD = 6-Minuten-Wegstrecke, CRP = C-reaktives Protein, VC = Vitalkapazität,
FEV1 = Forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde, RV = residuales Volumen,
Pimax = maximaler Inspirationsdruck. Lungenfunktionswerte beziehen sich auf die Patienten,
die keine invasive Beatmung haben (n = 170).
Bezüglich der Wegstrecke ist anzumerken, dass 135 der 190 Patienten (71 %) zum Aufnahmezeitpunkt
nicht gehfähig waren, entsprechend wurde hier eine Wegstrecke von 0 m registriert.
Gruppiert man die Entwicklung von FAM- und Barthel-Index sowie 6-Minuten-Wegstrecke
nach der Beatmungsform bei Aufnahme, zeigt sich folgende Entwicklung ([Abb. 2]).
Abb. 2 Entwicklung des Functional Assessment Measure Index (FAM) und Barthel-Index sowie
der 6-Minuten-Wegstrecke nach der Beatmungsform bei Aufnahme. a Panel A zeigt den FAM [10]; b Panel B den Barthel-Index [9]; c Panel C die 6-Minuten-Wegstrecke jeweils getrennt nach der Form der Atmungs-/Beatmungsform
bei Aufnahme. Ci = Konfidenz Intervall, Cohen’s d = Effect Size.
Die Entlassungsdestinationen am Ende der Frührehabilitation zeigt [Abb. 3].
Abb. 3 Destination nach Entlassung aus der Frührehabilitation (N = 190).
Entlassungsdestination isolierter (MRSA und 4MRGN) sowie nicht-isolierter Patienten.
Der Fisher-Freeman-Halton-Test zeigt einen Wert von 7,23 (p = 0,097) ([Tab. 5]).
Tab. 4
Entlassungsdestination nach erfolgter Rehabilitation in Abhängigkeit vom Isolationsstatus.
|
Entlassungsdestination
|
|
|
Eigene Häuslichkeit
|
Betreutes Wohnen
|
Pflegeeinrichtung
|
Weitere Reha
|
Krankenhaus
|
Summe
|
nicht isoliert
|
98 (53,8 %)
|
0 (0 %)
|
6 (3,3 %)
|
24 (13,2 %)
|
10 (5,5 %)
|
138 (75,8 %)
|
isoliert
|
33 (18,2 %)
|
2 (1,1 %)
|
3 (1,7 %)
|
5 (2,7 %)
|
1 (0,5 %)
|
44 (24,2 %)
|
Summe
|
131 (72 %)
|
2 (1,1 %)
|
9 (5 %)
|
29 (15,9 %)
|
11 (6 %)
|
182 (100 %)
|
Tab. 5
Entlassungsdestination nach erfolgter Rehabilitation in Abhängigkeit vom Atmungs-/Beatmungsstatus.
|
Entlassungsdestination
|
|
|
Eigene Häuslichkeit
|
Betreutes Wohnen
|
Pflegeeinrichtung
|
Weitere Reha
|
Krankenhaus
|
Summe
|
Ohne Beatmung
|
58 (31,9 %)
|
0 (0 %)
|
5 (2,7 %)
|
25 (13,7 %)
|
5 (2,7 %)
|
93 (51 %)
|
NIV
|
66 (36,3 %)
|
2 (1,1 %)
|
3 (1,7 %)
|
4 (2,2 %)
|
5 2,7 %)
|
80 (44 %)
|
IV
|
7 (3,8 %)
|
0 (0 %)
|
1 (0,5 %)
|
0 (0 %)
|
1 (0,5 %)
|
9 (5 %)
|
Summe
|
131 (72 %)
|
2 (1,1 %)
|
9 (5 %)
|
29 (15,9 %)
|
11 (6 %)
|
182 (100 %)
|
NIV = nicht-invasive Beatmung, IV = invasive Beatmung (Tracheostoma). Der Fisher-Freeman-Halton-Test
zeigt einen Wert von 22,12 (p = 0,002).
Insgesamt waren 23 % der Patienten aufgrund von MRSA- oder 4-MRGN-Besiedelung isolationspflichtig.
Die Sterblichkeit während des stationären Aufenthaltes lag bei den isolierten Patienten
bei 8,3 % gegenüber 2,8 % bei den nicht isolierten Patienten. Die Gesamtsterblichkeit
lag bei 4,2 %.
Diskussion
Dies sind die ersten publizierten Daten einer pneumologischen Frührehabilitation.
Insgesamt handelt es sich um ein schwerkrankes Patientenkollektiv, von denen 95 %
über im Durchschnitt mehr als 70 Tage vor Aufnahme invasiv beatmet waren, mit einer
Sterblichkeit von immerhin 4,2 % während der durchschnittlichen Verweildauer von 39
Tagen in der Rehabilitationseinheit. Die hohe Sterblichkeit spiegelt dabei den Schweregrad
der Erkrankung wider, alle Patienten werden direkt von Intensivstationen zu-verlegt
und unterliegen zumindest am Anfang einem kontinuierlichen, zentral-überwachten Monitoring
mit EKG und Pulsoxymetrie in der Frührehabilitation. An dieser Stelle ist zu erwähnen,
dass das Outcome einer pneumologischen Frührehabilitation nicht mit den Ergebnissen
einer neurologischen Frührehabilitation vergleichbar ist, da letztere i. d. R. invasiv
beatmete Patienten mit der Intention des Weanings behandelt [4]
[16], während die pneumologische Frührehabilitation Patienten nach erfolgreichem Weaning
rehabilitiert. Dass Patienten mit isolationspflichtigen Keimen eine erhöhte Sterblichkeit
aufweisen, ist bekannt [17] und konnte durch unsere Daten belegt werden. Bei den entlassenen Patienten zeigt
sich zum Entlassungszeitpunkt eine erstaunliche Zunahme der funktionellen Parameter.
So zeigt sich unabhängig von der Form der Beatmung eine etwa gleiche Zunahme der FAM-
und Barthel-Indizes sowie der 6-Minuten-Wegstrecke ([Abb. 2] sowie [Tab. 3]). Der Beatmungsstatus ist mit Beendigung des Weanings und Aufnahme in die Rehabilitationsabteilung
nicht als stabil anzusehen. [Tab. 2] zeigt eine erhebliche Bewegung zwischen spontaner Atmung, nicht-invasiver Beatmung
und invasiver Beatmung, wobei unberücksichtigt der Sterbefälle bei Entlassung 8 Patienten
(4,2 %) weniger invasiv beatmet waren als bei Aufnahme. Es zeigte sich jedoch auch,
dass von den 97 ohne Beatmung aufgenommenen Patienten 20 eine NIV im Verlauf des Aufenthaltes
erhielten. Hier ist zum einen zu bemerken, dass v. a. von extern aufgenommene Patienten
ohne Beatmung eher hyperkapnisch waren. Dass sich im Laufe der Rehabilitation eine
NIV-Indikation ergibt, ist nicht ungewöhnlich, zum einen wird im Rahmen der zunehmenden
Mobilisierung mehr CO2 produziert, zum anderen ist es möglich, dass der Atempumpen-schonende Effekt einer
intermittierenden Beatmung während des vorangegangenen Weanings die Hyperkapnie erst
langsam in gewissem zeitlichen Abstand entstehen lässt. Letztere Hypothese wird durch
zwei Arbeiten von Petitjean et al. sowie Diaz et al. bestärkt, die zeigen konnten,
dass eine durch Beatmung entlastete Atempumpe teilweise erst über einen Zeitraum von
mehreren Wochen dekompensiert [18]
[19].
Der Ort des weiteren Lebens nach Entlassung hat erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität
von Patienten und Angehörigen und stellt gleichzeitig sehr unterschiedliche wirtschaftliche
Anforderungen an die Sozialgemeinschaft. Ziel sollte es daher immer sein, die Patientenautonomie
so weit wie möglich wiederherzustellen und die Entlassung in die eigene häusliche
Umgebung, wenn möglich, zu favorisieren [20]
[21]
[22]
[23]. Hier müssen die Daten zur Entlassungsdestination vorsichtig interpretiert werden.
Zwar ist der Anteil der in die eigene Häuslichkeit entlassenen Patienten unter den
Patienten mit isolationspflichtigen Keimen am höchsten (75 %), gleichzeitig sieht
man bei dieser Patientengruppe aber auch einen nachteiligen Prozentrang bei der Unterbringung
in weiteren rehabilitativen Einrichtungen ([Tab. 4]). Unserer Erfahrung nach stellt ein insolationspflichtiger Keim ein erhebliches
Hindernis dar, Patienten in die nächste Stufe der Rehabilitation zu vermitteln, auch
wenn in [Tab. 4] das mathematische Signifikanzniveau verfehlt wird. Der Beatmungsstatus hingegen
scheint einen signifikanten Einfluss auf die Entlassungsdestination zu haben ([Tab. 5]). 27 % der Patienten ohne Beatmung konnten im Anschluss an die Frührehabilitation
in eine Anschlussheilbehandlung (AHB) vermittelt werden, bei den Patienten mit NIV
lag diese Quote bei 5 %, bei den invasiv beatmeten Patienten sogar bei 0 % ([Tab. 5]). Unserer Erfahrung nach stellt bereits die Sauerstoffpflichtigkeit von Patienten
in vielen Einrichtungen ein Ausschlusskriterium dar. Unsere Daten zeigen daher nochmals
die Notwendigkeit, AHB-Einrichtungen zu schaffen, die isolationspflichtige und beatmungspflichtige
Patienten aufnehmen und betreuen können. Der hierfür zu leistende personelle und logistische
Mehraufwand sollte im Vergütungssystem abgebildet werden, damit diese Patientengruppen
nicht nachteilig behandelt werden.
Fazit
Patienten, die eine pneumologische Frührehabilitation durchlaufen, die den vom deutschen
Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Operations und
Prozedurenschlüssel (OPS) beschriebenen Strukturvorgaben entspricht, erfahren eine
deutliche Verbesserung ihres funktionellen Status. Die Mehrheit der Patienten kann
am Ende in die eigene Häuslichkeit entlassen werden. Die Beatmungssituation ist im
frühen Zeitpunkt nach dem Intensivaufenthalt als noch nicht stabil anzusehen und die
Sterblichkeit ist relativ gesehen hoch. Enges und zum Teil kontinuierliches Monitoring
ist daher unbedingt indiziert, auch wenn es bisher nicht Teil der Strukturvorgaben
ist. Patienten mit Beatmung haben eine geringere Quote in weiterführende Rehabilitationsmaßnahmen
vermittelt zu werden. Es erscheint sinnvoll, den Mehraufwand für das Beatmungsmanagement
gesondert zu vergüten, um diese Patientengruppen nicht zu benachteiligen.
Limitationen
Der FAM- und der Barthel-Index wurden mittels Verfahren der Rangfolgenanalyse verglichen
(Wilcoxon-Mann-Whitney-Test). Trotzdem haben wir in [Tab. 3] das Konfidenzintervall für die beiden Scores angegeben. Bei der Interpretation ist
zu beachten, dass es keinen linearen Zusammenhang zwischen dem Score-Ergebnis und
der Performance des Patienten gibt, da es sich um ordinal skalierte Werte handelt.
-
Patienten haben bei Aufnahme einen schlechten funktionellen Status, 71 % waren zum
Aufnahmezeitpunkt nicht gehfähig.
-
Die Sterblichkeit der Kohorte ist mit 4,2 % in den durchschnittlich 39 Behandlungstagen
sehr hoch und ist Ausdruck der Schwere der Grunderkrankung.
-
Die Verbesserung des Funktionsstatus ist groß, der FAM-Index stieg um 34,1 Punkte,
der Barthel-Index um 27,8 Punkte, und die 6-Minuten-Wegstrecke nahm um 118,5 m zu.
-
Die Verbesserung des funktionellen Status ist vergleichbar für Patienten ohne Beatmung,
mit nicht-invasiver Beatmung und invasiver Beatmung
-
Für Patienten mit Beatmung ist die Vermittlungsquote in eine weitere Rehabilitationseinrichtung
geringer.