Z Sex Forsch 2019; 32(03): 179
DOI: 10.1055/a-0977-8970
Buchbesprechungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

The Routledge Companion to Media, Sex and Sexuality

Further Information

Publication History

Publication Date:
05 September 2019 (online)

Zoom Image

In den Medien wird Sexualität seit Dekaden immer häufiger, immer expliziter und immer vielfältiger dargestellt – so eine weithin geteilte Beobachtung. Beispiel: In den frühen 1990er-Jahren sorgte die Erotik-Spielshow „Tutti Frutti“ (RTL, 1990–1994) für Furore, weil Tänzerinnen und Kandidat_innen sich bis zur Unterhose entkleiden konnten. Rund 25 Jahre später sehen wir Unterhaltungsshows im deutschen Fernsehen, die komplette Nacktheit zeigen – etwa „Adam sucht Eva“ (RTL, seit 2014) und „Naked Attraction – Dating hautnah“ (RTL2, seit 2017).

Die zunehmende Sexualisierung der Medien sorgt für Kritik. Ihr werden aber auch Chancen zugeschrieben. Wer Pauschalurteile vermeiden und sich detaillierter mit der Art und Weise befassen möchte, wie Sexualität heutzutage medial repräsentiert ist, dem kann das hier vorgestellte Handbuch „The Routledge Companion to Media, Sex and Sexuality“ helfen. Die drei Herausgebenden sind als Fachleute für Pornografie und andere mediale Repräsentationen von Sexualität international bekannt: Clarrissa Smith ist Mitbegründerin der Fachzeitschrift „Porn Studies“. Feona Attwood ist ebenfalls Mitbegründerin der Zeitschrift „Porn Studies“ sowie Mitherausgeberin der Fachzeitschrift „Sexualities“. Brian McNair ist Autor von drei Monografien über die mediale Repräsentation von Sex. In ihrem gemeinsam herausgebrachten Sammelband wurden 40 Beiträge vereint, die sich auf vier Themenkomplexe verteilen.

Im ersten Teil „Representing sexualities“ geht es um die mediale Sichtbarkeit und Darstellung unterschiedlicher sexueller Orientierungen und Identitäten, etwa um Asexualität, Trans*, Homosexualität, Heterosexualität, Bisexualität oder BDSM in den Medien. Der Beitrag über BDSM (Ummni Khan) erläutert z. B., wie BDSM in „Fifty Shades of Grey“ und in anderen Hollywood-Filmen dargestellt ist. Dabei moniert die Autorin, dass subversive BDSM-Praxis in vielen Mainstream-Mediendarstellungen – auch in „Fifty Shades of Grey“ – bislang noch stark verwässert werde, indem letztlich ein konventionelles heterosexuelles Happy-End mit Eheschließung und viel „Vanillasex“ präsentiert werde.

Der zweite Teil des Buches „Sex genres“ widmet sich verschiedenen sexualbezogenen Mediengattungen, etwa der Mainstream-Pornografie, der schwulen Pornografie, der Amateur-Pornografie und Sex-Ratgeberbüchern. Der Beitrag über erotische Mangas (Anna Madill) behandelt die aus der japanischen Kultur stammenden Boylove-Mangas, die in erster Linie von und für junge Frauen produziert werden und romantische sowie sexuelle Beziehungen zwischen Jungen bzw. jungen Männern zum Thema haben. Die Autorin differenziert verschiedene Arten und Inhalte von Boylove-Mangas und geht auf die rechtliche Regulierung sowie die Forschungslage ein.

Der dritte Teil des Buches „Representing sex“ behandelt Sexualitätsdarstellungen in verschiedenen Medienformen, etwa Sexualitätsdarstellungen in digitalen Spielen, in Musikvideos, in Horrorfilmen oder in TV-Sitcoms. Der Beitrag zu Frauenmagazinen (Claire Moran) arbeitet heraus, dass Magazine wie die Cosmopolitan insofern ein tradiertes Geschlechterverhältnis affirmieren, als sie Frauen in erster Linie dazu anleiten, Männern zu gefallen und deren sexuelle Bedürfnisse zu erfüllen, anstatt eigene sexuelle Wünsche zu erkunden.

Der letzte Teil des Buches „Deconstruction of key figures“ erläutert, wie bestimmte Schlüsselfiguren im medialen Diskurs dastehen, sei es der „Metrosexuelle“, der „Sexsüchtige“, der „Perverse“, die „Stripperin“, die „Hure“, die „Domina“, der „Pornoproduzent“ oder der „Pornokonsument“. Im Beitrag über die mediale Darstellung von Pornokonsumierenden (Alan McKee) kritisiert der Autor, dass im Journalismus in der Regel nur über und nicht mit den Pornokonsument_innen gesprochen werde.

Die Beiträge im Handbuch sind mit jeweils rund zehn Seiten recht kurz und haben oftmals den Charakter von Essays. Ihre Lesbarkeit ist zuweilen dadurch erschwert, dass sie kaum durch Zwischenüberschriften gegliedert oder durch Tabellen und Grafiken aufgelockert werden. Die Beiträge bieten keine erschöpfende Übersicht des Forschungsstandes und präsentieren auch keine empirischen Ergebnisse. Stattdessen greifen sie exemplarisch einzelne Medienbeispiele heraus und kommentieren diese. Dabei wird deutlich, wie viele Bedeutungsebenen die medialen Repräsentationen von Sexualität haben, und dass ihnen meist gleichzeitig negative wie positive Effekte zugeschrieben werden können. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive kritisieren die Autor_innen wiederholt die engen normativen Vorgaben über Sexualität, die Mediendarstellungen transportieren und die zur Ausgrenzung sexueller Identitäten, Erlebens- und Verhaltensweisen beitragen. Andererseits würdigen sie aber auch die wachsende mediale Sichtbarkeit sexueller Vielfalt als Beitrag zum Abbau von Diskriminierung.

Nicola Döring (Ilmenau)