PSYCH up2date 2020; 14(03): 255-271
DOI: 10.1055/a-0973-1982
Störungsübergreifende Themen und Methoden

Sportliche Aktivität und psychische Erkrankungen

Sebastian Wolf*
,
Johanna-Marie Zeibig*
,
Katrin Giel
,
Hanna Granz
,
Gorden Sudeck
,
Ansgar Thiel

Subject Editor: Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Stephan Zipfel.
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Aktuelle Studien zeigen überzeugende Effekte sportlicher Aktivität bei Patienten mit psychischen Erkrankungen. Im ambulanten Versorgungskontext gibt es derzeit jedoch kaum sport- und bewegungstherapeutische Ansätze. Der Übersichtsartikel vermittelt Grundlagen zur Wirkung sportlicher Aktivität auf psychische Erkrankungen. Anhand des Gruppenprogramms „ImPuls“ wird eine potenzielle Umsetzung der Erkenntnisse in die ambulante Versorgung dargestellt.

Kernaussagen
  • Bei Erfüllung (inter)nationaler Bewegungsempfehlungen kann das Risiko für Depression, Angststörungen, Schlafstörungen, Schizophrenie, ADHS und Alzheimer-Demenz reduziert werden.

  • Regelmäßige ausdauerorientierte Sportaktivitäten bei moderater Intensität über einen Zeitraum von ca. 9 Wochen wirken vergleichbar antidepressiv wie die Standardbehandlungen Psychotherapie und Antidepressiva (beim Vergleich von Effektstärken aktueller Meta-Analysen).

  • Ausdauerorientierte Sportaktivitäten haben kleine bis mittlere Effekte bez. der Reduktion von Panik- und PTBS-Symptomen. Sportliche Aktivität kann die Ängstlichkeit bei Patienten mit diversen Störungsbildern reduzieren.

  • Sportliche Aktivität kann die Positiv- und insbesondere auch die Negativsymptomatik von Patienten mit Schizophrenie verbessern. Moderate ausdauerorientierte SpA und Yoga zeigen hier wirksame Effekte.

  • Als zusätzliche Behandlung zu Methylphenidat kann sportliche Aktivität Symptome der ADHS wie Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität verbessern.

  • Sportliche Aktivität und insbesondere ausdauerorientierte Sportaktivitäten haben positive Effekte auf die Schlafsymptomatik von Patienten mit primärer Insomnie. Die kurative Wirkung scheint vergleichbar zu der von Psychotherapie und medikamentöser Behandlung.

  • Trainingsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen sollten Bewegungsfreude und Kompetenzen für eigenständige gesundheitswirksame Sportaktivität vermitteln. Zudem ist darauf zu achten, dass nicht jede Bewegungsform und -intensität für jeden Menschen gleichermaßen geeignet ist, psychologische und physiologische Ergebnisse zu erbringen. Bedeutsam für einen nachhaltigen Therapieerfolg ist die Einbindung der Menschen in aktivierende soziale Netzwerke.

* geteilte Erstautorenschaft




Publication History

Article published online:
04 May 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York