Fortschr Neurol Psychiatr 2019; 87(06): 346-347
DOI: 10.1055/a-0894-8615
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was tun beim Status epilepticus?

What to do about Status epilepticus?
Marianne Dieterich
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Publication Date:
01 July 2019 (online)

Der Status epilepticus ist einer der wichtigsten neurologischen Notfälle, da er mit einer Inzidenz von ca. 17 / 100000 bei Erwachsenen [1], [2] häufig auftritt und eine rasche Diagnosestellung und Therapieeinleitung entscheidend für den Behandlungserfolg sind. Er betrifft nicht nur Neurologen, sondern aufgrund seiner Häufigkeit Kollegen aller Fachdisziplinen, die in der (prähospitalen) Notfallversorgung tätig sind.

Die Klassifikation als Status epilepticus ist für konvulsive Formen klinisch offensichtlicher als für nicht-konvulsive Formen. Dem ist Rechnung getragen in der operationalen Klassifikation anhand der Zeitdauer: Bei generalisierten tonisch-klonischen Anfällen spricht man ab 5 Minuten Dauer von einem Status, bei repetitiven Absencen ab 10–15 Minuten [3]. Die klinische Präsentation des nicht-konvulsiven Status epilepticus mit Änderung der Vigilanz macht eine EEG-Diagnostik nötig. Hier wurden EEG Kriterien vorgeschlagen, um eine einheitliche Diagnosestellung zu ermöglichen [4].

Da der Status möglichst schnell erkannt und therapiert werden muss, sollte die Gabe der ersten Benzodiazepindosis rasch erfolgen. Auch eine nicht i. v. Applikation sollte frühzeitig geprüft werden. Die i. m. Gabe erfolgt in den USA (wo meist kein Notarzt vor Ort ist) so schnell wie die i. v. Gabe [5]. Für eine möglichst rasche Diagnosestellung und Therapieeinleitung ist auch die Überprüfung und Optimierung der Abläufe in der Notaufnahme ratsam, da mithilfe klar festgelegter Algorithmen die Zeit bis zur Verabreichung eines zweiten Antiepileptikums signifikant reduziert werden kann: von 52 Minuten auf 21 Minuten [6].

Ein Dilemma bei der Wahl der medikamentösen Therapie sind leider fehlende doppelblinde Studien zu neueren Antiepileptika – vor allem weil Patienten im Status epilepticus meist nicht einwilligungsfähig sind. Daher können systematische Sammlungen von Behandlungsdaten zu verschiedenen Antiepileptika beim Status für die Therapieentscheidung hilfreich sein.

In dieser Ausgabe der „Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie“ stellen Rösche und Mitarbeiter die bislang veröffentlichten Daten zur Anwendung von Levetiracetam beim Status epilepticus zusammen [7]. In 420 Behandlungsepisoden ließ sich ein Status epilepticus bei 55–59 % der Patienten unterbrechen. Es wird hier kritisch diskutiert, dass die Erfolgsraten zur Durchbrechung des Status mittlerweile nicht mehr als so hoch einzuschätzen sind, wie es in Publikationen noch vor wenigen Jahren postuliert wurde. Korrekterweise merken die Autoren dazu an, dass früher möglicherweise ein Publikationsbias zugrunde lag, da mit der Verfügbarkeit des intravenösen Levetiracetams zunächst erfolgreiche Behandlungen publiziert wurden und nun im weiteren Verlauf mehr und mehr systematische Fallserien berichtet werden.

Systematische Analysen von publizierten Daten zu neueren Antiepileptika sind ein erster wichtiger Schritt in der Verbesserung des Angebots an notwendigen Therapiealternativen zu den lange etablierten und mit Studiendaten belegten Medikamenten Phenobarbital, Phenytoin und Valproat. Daneben wäre es wünschenswert, auch neuere, intravenös verfügbare Medikamente wie das oben genannte Levetiracetam, aber auch Lacosamid oder Bivaracetam in doppelblinden randomisierten Studiendesigns zu testen.

 
  • Literatur

  • 1 Knake S, Rosenow F, Vescovi M. et al. Incidence of status epilepticus in adults in Germany: A prospective, population-based study. Epilepsia 2001; 42 : 714-718 .
  • 2 Leitinger M, Trinka E, Giovannini G. et al. Epidemiology of status epilepticus in adults: A population-based study on incidence, causes, and outcomes. Epilepsia 2019; 60 : 53-62 .
  • 3 Trinka E, Cock H, Hesdorffer D. et al. A definition and classification of status epilepticus – Report of the ILAE Task Force on Classification of Status Epilepticus. Epilepsia 2015; 56 : 1515-1523 .
  • 4 Leitinger M, Beniczky S, Rohracher A. et al. Salzburg Consensus Criteria for Non-Convulsive Status Epilepticus – approach to clinical application. Epilepsy Behav 2015; 49 : 158-163 .
  • 5 Silbergleit R, Durkalski V, Lowenstein D. et al. Intramuscular versus intravenous therapy for prehospital status epilepticus. N Engl J Med 2012; 366 : 591-600 .
  • 6 Cassel-Choudhury G, Beal J, Longani N, Leone B, Rivera R, Katyal C.. Protocol-Driven Management of Convulsive Status Epilepticus at a Tertiary Children’s Hospital: A Quality Improvement Initiative. Pediatr Crit Care Med 2019; 20 : 47-53 .
  • 7 Rösche J, Dudek M, Teleki A. et al. Levetiracetam in der Behandlung des Status epilepticus – ein update. Fortschr Neurol Psychiatr 2019; 87 : 357-363 .