Hebamme 2019; 32(03): 1
DOI: 10.1055/a-0887-5928
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Über die Bedeutung der Feinfühligkeit

Schwangere und Mütter mit psychischen Störungen adäquat begleiten
Cordula Ahrendt
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Publication Date:
27 June 2019 (online)

Eine zunehmende Zahl von Menschen ist von Depressionen betroffen. Die WHO spricht von mehr als 4,4 % der Weltbevölkerung mit steigender Tendenz (2017). Die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) hat 2008–2011 aussagekräftige Zahlen für Deutschland erhoben. Danach erfüllten in den vergangenen 12  Monaten vor der Befragung 9 % der Studienteilnehmer / -innen die Kriterien einer Depression, davon 13 % der Frauen und 6 % der Männer.

Entsprechend treffen Hebammen nicht selten auf Schwangere, die selbst oder familiär betroffen sind und damit ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung postpartaler depressiver Störungen haben. Bei einer Wochenbettdepression ist die Feinfühligkeit der Mutter gegenüber sich selbst und ihrem Kind eingeschränkt oder verschüttet, was für die Bindung zwischen Mutter und Kind sehr problematisch sein kann. Neben Fachwissen bedarf es v. a. der Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit der Hebamme, um die Symptome einer postpartalen psychischen Störung frühzeitig in der Betreuung zu erkennen und professionell zu reagieren.

Die Magdeburger werdenden Hebammen, die ich unterrichte, schätzen sehr, dass sie während einer 3-tägigen Hospitationszeit Aspekte der stationären Mutter-Kind-Therapie bei erkrankten Frauen kennenlernen dürfen. Insbesondere das Erleben des Befindens der psychisch erkrankten Mutter und ihrer Probleme im Umgang mit ihrem Kind schulen unter Begleitung durch das Fachpersonal die Beobachtungsgabe und eigene Feinfühligkeit der werdenden Hebammen in Bezug auf die Mutter-Kind-Interaktion. Meike König erläutert anschaulich das in Magdeburg etablierte integrative Konzept der stationären psychotherapeutischen Mutter-Kind-Therapie und beschreibt die Anzeichen einer Beziehungsstörung zwischen Mutter und Kind als Indikation für diese (S. 53). Ergänzend stellt Prof. Jordan umfassend die Möglichkeiten unterstützender medikamentöser Therapien in Schwangerschaft und Stillzeit vor (S. 42). Im Beitrag von Dr. Weigl finden Sie eine Zusammenfassung der Risikofaktoren, Folgen und Merkmale postpartaler psychischer Störungen (S. 32). Und Anne Wiecker beschreibt sehr eindrücklich die Aufgaben der Hebamme beim Erkennen und Mitbegleiten einer Frau mit postpartaler Depression (S. 61).

In unserem Heft kommen verschiedene Professionen zum Schwerpunktthema zu Wort – und alle betonen die Bedeutung interprofessioneller Zusammenarbeit bei der Betreuung betroffener Frauen. Wir möchten Ihnen mit diesen Beiträgen sowohl aktuelles Wissen als auch Anregungen zum feinfühligen Erfahrungsaustausch vermitteln und freuen uns über Ihre Rückmeldungen zum Thema! E-Mail: diehebamme@thieme.de

Viel Freude beim Lesen und Diskutieren wünscht Ihnen

Ihre Cordula Ahrendt

Herausgeberin DIE HEBAMME