Fortschr Neurol Psychiatr 2019; 87(04): 215-216
DOI: 10.1055/a-0859-3802
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

MDK und DRGs

The medical service of the statutory health insurance and diagnosis related groups
Claus-W. Wallesch
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Publication Date:
18 April 2019 (online)

Leistungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich erbracht werden und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12, Abs. 1 SGB V). Die Kodierung im Fallpauschalensystem macht die Leitungserbringung im Krankenhaus transparent. Die Krankenkassen können die Abrechnung im Krankenhaus überprüfen lassen, indem sie Aufträge zur Begutachtung an den MDK richten, die dieser anhand von den Kliniken zur Verfügung zu stellenden Dokumenten zu beantworten hat.

Die Deutschen Kodierrichtlichen [1] legen fest: „Die Verantwortung für die Dokumentation von Diagnosen und Prozeduren, insbesondere der Hauptdiagnose, liegt beim behandelnden Arzt“ (Einleitung S. VI).

Geregelt wird das Verfahren durch die „Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V“ vom 03.02.2016 (PrüfvV [2]). Dieser Text sollte allen Krankenhausärzten in Leitungspositionen bekannt sein. Einige Beispiele:

Die Krankenkassen müssen prüfen (lassen):

„Die Krankenkasse hat die von dem Krankenaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen und Korrektheit deren Abrechnung näher zu prüfen“ (S. 2).

Das Krankenhaus muss über die vom MDK angeforderten Unterlagen hinaus „die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen ergänzen“ (S. 5). Der MDK ist nicht verpflichtet, ergänzende Unterlagen anzufordern. Bei einer auf Grundlage des MDK-Gutachtens ergangenen für das Krankenhaus negativen leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse kann das Krankenhaus ein Nachverfahren vorschlagen, indem es der Krankenkasse eine begründete Stellungnahme zur leistungsrechtlichen Entscheidung übermittelt. Die Durchführung des Nachverfahrens ist freiwillig (S. 7). Die Erfahrung lehrt, dass dem Vorschlag eines Nachverfahrens bei verschiedenen Kassen unterschiedlich häufig zugestimmt wird.

Typische Prüfgründe sind primäre und sekundäre Fehlbelegung und die Kodierung. Bei der Fehlbelegungsprüfung werden die G-AEP (German Appropriateness Evaluation Protocol) Kriterien zugrundegelegt [3]. Diese dienen dem MDK zur Prüfung, ob die Aufnahme in ein Krankenhaus überhaupt erforderlich war (oder ob nicht eine ambulante Behandlung aus ex ante Sicht ausreichend gewesen wäre – primäre Fehlbelegung) oder ob die Dauer des Krankenhausaufenthalts hätte abgekürzt werden können (sekundäre Fehlbelegung). Eine Darstellung der Kriterien würde den Rahmen dieses Editorials sprengen, ihre Lektüre wird leitenden Krankenhausärzten nahegelegt (vgl. [4]).

Bei einer Prüfung auf primäre Fehlbelegung ist das Krankenhaus gut beraten, ggf. über die vom MDK abgeforderten Unterlagen hinaus Dokumente beizubringen, die die Notwendigkeit der Aufnahme belegen. Eine entsprechende Schulung der aufnehmenden Ärzte besonders hinsichtlich ihrer Dokumentation wird empfohlen.

Bei einer Prüfung auf sekundäre Fehlbelegung sollte der die MDK-Anfrage bearbeitende Arzt die die obere Grenzverweildauer der abgerechneten DRG überschreitenden Tage daraufhin überprüfen, ob Dokumentationen vorliegen, die die stationäre Behandlung in dieser Zeit begründen. Während der stationären Behandlung sind Ärzte und Pflege dazu anzuhalten, dafür geeignete Sachverhalte zu dokumentieren. Kodierfachkräfte sollten bereits während der Behandlung auf Dokumentationslücken hinweisen, was durch elektronische Dokumentationssysteme erleichtert wird.

Bei einer Kodierprüfung stehen Haupt- und Nebendiagnosen sowie Prozeduren im Fokus. Bei den Prozeduren hat kürzlich die Auslegung der Strukturvoraussetzungen der Stroke-Unit Behandlung hinsichtlich der Transportzeit durch das Bundessozialgericht für Aufregung gesorgt (B1 KR 38/17 R und B1 KR 39 / 17 R). Ausgangslage war, dass diese Rechtsprechung rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Klageeinreichung auch für alle parallel gelagerten Fälle anzuwenden war. Kassen und MDK hatten zunächst keinen Spielraum für abweichende Entscheidungen. Das Problem scheint politisch gelöst worden zu sein. Ob die Lösung rechtssicher ist, bleibt abzuwarten. Für den MDK gilt der exakte Wortlaut im OPS, es gibt Auslegungshinweise [5] (BSG Rechtsprechung B3 KR 15 / 07 R: „Operationen und Proceduren sind streng nach dem Wortlaut auszulegen.“).

Für die Definition der Hauptdiagnose wird auf die Kodierrichtlinien [1] verwiesen. Nebendiagnosen sind nur zu kodieren, wenn sie das Patientenmanagement beeinflusst haben. Bei schweregradpartitionierten DRGs hat die Kodierung von Nebendiagnosen große Bedeutung, z. B. erhöht die Kodierung einer Epilepsie oder einer Demenz den Schweregrad. Nichtneurologischen Kollegen sind die Definitionen dieser Erkrankungen nicht immer bekannt und es besteht ein Anreiz zur Kodierung und für Kassen zur Prüfung. Problematisch ist die Kodierung oder Nichtkodierung eines apallischen Syndrom (ICD G 93.80) bei beatmeten Patienten. Die Kodierung dieser Diagnose führt den Fall aus einer Beatmungs-DRG in eine in den allermeisten Fällen niedriger vergütete unbewertete DRG (A43Z). Welchen Ressourcenverbrauch zieht diese Nebendiagnose bei beatmeten Patienten nach sich? Liegt nicht doch ein minimally conscious state vor (G 93.88)?

Laut Handelsblatt [6] lag die Prüfquote des MDK Nordrhein 2018 bei 17 % der Krankenhausfälle. Unter diesen lag die Quote der fehlerhaften Abrechnungen bei über 60 %. Das heißt nicht, dass generell knapp zwei Drittel der Abrechnungen fehlerhaft sind. Die Kassen haben Prüfalgorithmen entwickelt, um aus den ihnen im Rahmen der DRG-Abrechnung zur Verfügung gestellten Datensätzen auffällige Fälle zu identifizieren. Es kommt auch vor, dass die MDK-Prüfung zu höheren Abrechnungsbeträgen führt.

Der MDK ist gehalten, die Fragen der Kassen zu beantworten und tut dies – im Umfeld des Autors - in der Regel unparteiisch. In vielen Regionen gibt es Festlegungen über Art und Inhalt der Dokumentation zwischen dem örtlichen MDK und den Krankenhäusern. Eher problematisch und konfliktträchtig sind Prüfungen außerhalb der Region, wie z. B. durch den Sozialmedizinischen Dienst der Knappschaft.

Fallstricke für Krankenhäuser sind veränderte Auslegungen der Regeln (Stroke Unit Urteil des Bundessozialgerichts und andere Gerichtsentscheidungen) und mangelnde Sensibilität für die Regeln seitens der Krankenhäuser (Dokumentationsmängel, „Rightcoding“). Im Falle von MDK-Prüfungen ist nachdrücklich anzuraten, die Fragestellung genau zu prüfen und ggf. zusätzliche Unterlagen beizufügen.

Detailliertere Informationen über das Prüfverfahren finden sich in [7].