Dialyse aktuell 2019; 23(04): 152
DOI: 10.1055/a-0853-6749
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Heimdialyseverfahren

Benno Kitsche
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Publication Date:
21 May 2019 (online)

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Welches Nierenersatzverfahren würden Sie für sich wählen? Diese Frage wurde immer wieder an Besucher von nephrologischen Kongressen gestellt. Auch ich befragte die Teilnehmer des Berliner Dialyse Seminars im Dezember 2018. Nur 8,2 % gaben an, die Hämodialyse (HD) im Zentrum als Nierenersatzverfahren für sich selbst zu wählen. Über 90 % der Kongressteilnehmer wählten die Peritonealdialyse (PD; 46,3 %) oder Heimhämodialyse (HHD; 45,5 %). Dies ist ein schönes Ergebnis für die Heimdialyseverfahren, die ohne Zweifel zum Instrumentarium der Nephrologie gehören. Wie sieht die Realität in Deutschland aus? Nach Angaben des MNC-Berichts 2017 (MNC: Medical Netcare GmbH) wurden 92,34 % der Patienten mit Hämodialyse im Zentrum, 6,88 % mit PD und 0,78 % mit HHD behandelt. Worin liegt die Diskrepanz zwischen Therapiewunsch bei uns „Professionellen“ und der real umgesetzten Therapie für die Patienten? Heimdialyseverfahren kommen in der Aus- und Weiterbildung kaum vor. Damit fehlen Know-how und Sicherheit. Das spiegelt sich besonders bei der Aufklärung der Patienten wider, Heimdialyseverfahren werden selten angeboten. Die Teilhabe des Patienten an der Therapieentscheidung („shared decision making“) wird zu wenig berücksichtigt. Das IGES Institut detektierte diese Fakten 2014 als einen Grund für die geringe Anzahl an Heimdialysepatienten in Deutschland. Patienten haben diesen Missstand sowohl in der europäischen CEAPIER-Befragung als auch in der CORETH-Studie beklagt. Ebenso wenig ist die Gesellschaft über die Möglichkeit von Heimdialyseverfahren informiert. Die Steigerung und der Erhalt der Lebensqualität unserer Patienten sowie die Teilhabe an der Therapieentscheidung sollten im Vordergrund stehen.

PD Dr. Roland Schmitt, Hannover, beschreibt die Möglichkeiten und Chancen der Heimhämodialyse. Die HHD ist der Grundstein der deutschen ambulanten Nierenersatztherapie. Erst durch sie ermöglichte das vor 50 Jahren gegründete Kuratorium für Heimdialyse vielen dialysepflichtigen Patienten erstmals ein Weiterleben. Zuvor starben jährlich ca. 3000 Patienten, da keine chronisch-ambulante Nierenersatztherapie in Deutschland zur Verfügung stand.

Dr. Christina Taylan und Prof. Dr. Lutz Thorsten Weber, Köln, stellen die Heimdialyseverfahren aus Sicht der Kindernephrologie dar. Die PD ist in der Kindernephrologie alternativlos. Aber auch die HHD sollte bei Kindern mehr in den Fokus rücken. Fast 60 % der Kinder werden mit einem Heimdialyseverfahren behandelt. Eltern oder Angehörige unterstützen die noch hilfsbedürftigen Kinder, Assistenz wird z. T. auch von Pflegediensten übernommen. Wir können hier von den Kindernephrologen für unsere älteren Patienten lernen.

Kerstin Iseke, Berlin, et al. berichten über die Idee und Arbeit des deutschen Netzwerks „NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse“. Um auch älteren und hilfsbedürftigen Patienten die Heimdialyseverfahren zu ermöglichen, sind ressourcenübergreifende Versorgungsmodelle wie assistierte PD oder assistierte HHD sinnvolle Lösungen. Bislang fehlen einheitliche Regelungen und die Aufnahme der assistierten Heimdialyse in den Richtlinienkatalog der häuslichen Krankenpflege (HKP). Dazu brauchen wir in Deutschland eine gemeinsame Anstrengung. Die NADia-Initiative mit ihren verschiedenen Leistungserbringern hat sich zusammengefunden, um die assistierte Dialyse über die „Gartenzäune“ und die Interessen von Einzelnen zu erreichen. Netzwerk ist hier das Stichwort.

Dr. Stefan Becker, Essen, beschreibt die Bedeutung der Telemedizin bei den Heimdialyseverfahren. Die Möglichkeiten dürfen den Blick für den Schutz der Daten der Patienten nicht verstellen, Dateneigentümer bleibt der Patient. Dazu werden technische Lösungen benötigt, die einen Missbrauch der Daten unmöglich machen. Telemedizin kann ressourcenschonend Dokumentationsprozesse vereinfachen. Die Heimdialyseversorgung multimorbider und geriatrischer Patienten könnte in Kombination mit Assistenz besser und flächendeckender umgesetzt werden.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre dieser interessanten Artikel!