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DOI: 10.1055/a-0820-8614
Virtual-Reality-Simulationstraining in der Notfallsanitäterausbildung
- Virtuelle Realitäten als Trainingsumgebung
- Neue Wege in der Notfallsanitäterausbildung?
- Die Praxisstudie
- Literatur
Die Digitalisierung hat weitreichenden Einfluss auf das Bildungssystem. Es gibt mittlerweile zahlreiche neue digitale Lehr- und Lernformate. Hochimmersive virtuelle Realitäten bieten vielfältige Möglichkeiten für das Simulationstraining. In diesem Beitrag werden Vorgehensweise und Ergebnisse der Integration einer VR-Simulationsumgebung in die Ausbildungspraxis der Notfallsanitäter vorgestellt.
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Virtuelle Realitäten als Trainingsumgebung
Immersion beschreibt die Eigenschaft eines Mediums, viele sensorische Reize (z. B. visuelle, auditive, haptische) einer virtuellen Realität (VR) zu vermitteln und den Mediennutzer möglichst von Reizen aus der physikalischen Umwelt zu isolieren. Mit modernen VR-Brillen gelingt dies in einem höheren Maß als z. B. bei der desktopbasierten, niedrigimmersiven VR. Hochimmersive VR ermöglichen die räumlich-dreidimensionale Darstellung unterschiedlicher Einsatzorte und eines virtuellen Patienten (VP).
Mit einem VP können verschiedene Symptomausprägungen dynamisch dargestellt werden. Durch die Integration virtueller Objekte (z. B. notfallmedizinischen Equipments) in die VR sowie weiterer virtueller Handelnder (z. B. Angehörige des Patienten) können vielfältige Interaktionsmöglichkeiten in der virtuellen Trainingsumgebung geschaffen werden. VR-Systeme, die mit einem Motion-Tracking-System ausgestattet sind, übertragen zudem die realen Bewegungen der Trainingsteilnehmer in die virtuelle Umgebung und erlauben so auch deren Darstellung als Avatare in der VR [1].
Eine solche VR-Simulationsumgebung wurde im Projekt EPICSAVE in einem interdisziplinären Konsortium entwickelt. Die VR ist als Mehrbenutzerumgebung konzipiert, sodass sie die Aneignung beruflicher Kompetenzen (z. B. klinische Entscheidungsfindung) zur rettungsdienstlichen Versorgung von Notfallpatienten im Team unterstützt [2]. Die Hardwareausstattung besteht für ein Teamtraining mit 2 Auszubildenden aus 2 VR-Brillen (hier: HTC Vive®), 4 Bediencontrollern sowie zwei PCs mit Display zur Steuerung der Simulation durch die Trainer (vgl. [Abb. 1]).


In der VR werden die Auszubildenden mit einem konkreten Notfallszenario konfrontiert, in dem der VP bestimmte Leitsymptome präsentiert. Aufgabe der Auszubildenden ist eine systematische, leitliniengemäße Diagnostik und rettungsdienstliche Versorgung. Dazu steht ihnen das gesamte diagnostische und therapeutische Equipment zur Verfügung (vgl. [Tab. 1]). Dank der direkten Übertragung ihrer Positionsdaten in die VR können sie mit ihren virtuellen Händen das medizinische Equipment bedienen und mit dem VP interagieren.
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Neue Wege in der Notfallsanitäterausbildung?
Studien zu Lernen und Training in der VR zeigen, dass der Trainingserfolg nicht nur von der eingesetzten Medientechnologie abhängig ist, sondern auch vom didaktisch-methodischen Arrangement und der curricularen Integration [3]. Es ist deshalb erforderlich, bisherige Trainingsmethoden mit neuen Medien zu kombinieren und – vor dem Hintergrund curricularer Zielsetzungen – ihren Beitrag zur Kompetenzentwicklung zu bewerten [4].
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Die Praxisstudie
Vorbereitungen und Vorgehensweise
Bevor eine VR-Simulationsumgebung praktisch genutzt werden kann, sollten folgende Vorbereitungen getroffen werden:
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Einführung der Lehrenden und Auszubildenden in die Nutzung der Medientechnik
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Festlegung der Aufgabenstellung, der Lernziele und der Notfallszenarien vor dem Hintergrund curricularer Vorgaben
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Festlegung des konkreten Trainingsablaufs (vgl. [Abb. 2]) und der Evaluationsparameter


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Studiendesign
[Tab. 2] gibt einen Überblick über das Design der Praxisstudie für 2 Trainingsphasen.
In der Praxisstudie wurden neben einem Wissenstest weitere Evaluationsparameter erfasst:
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Ausgewählte Ergebnisse
In der ersten Trainingsphase wurde ein inhaltlich identisches Notfallszenario sowohl für das Training in der virtuellen Simulationsumgebung (Studiengruppe) als auch für das Fallbeispieltraining (Kontrollgruppe) verwendet. Beim anschließenden Wissenstest gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen (t(36) = 0,11, p = 0,92). Die Auszubildenden aus beiden Gruppen schnitten im Durchschnitt mit der Note 1,7 ab. Auch bei der Einschätzung der Trainingseffektivität (maximaler Mittelwert [M] = 5) durch die Auszubildenden wurde das virtuelle Simulationstraining etwa gleich gut und hoch (M = 4,14) eingeschätzt wie das Fallbeispieltraining (M = 4,46). Die Unterschiede waren statistisch nicht signifikant (z = 1,262, p = 0,21). Auch in der Trainingsphase 2 wurde die Trainingseffektivität (M = 4,08) für das virtuelle Simulationstraining von den Auszubildenden als überdurchschnittlich hoch eingeschätzt.
Eine besondere Rolle für das Lernen in der VR spielt das Präsenzerleben. Fühlen sich Auszubildende während der Simulation in der virtuellen Umgebung räumlich anwesend, ermöglicht ihnen das ein vertieftes Hineinversetzen in das Notfallszenario und eine bessere Fokussierung auf den Patienten. Ein maximal ausgeprägtes Präsenzerleben in einem virtuellen Raum würde auf der Präsenzskala den Wert 6,0 erreichen. In Phase 1 (M = 4,82) und Phase 2 (M = 5,05) wurden überdurchschnittlich hohe Werte für ein Präsenzerleben in der VR von den Auszubildenden angegeben. Außerdem war das virtuelle Simulationstraining in beiden Erprobungsphasen mit einer signifikanten Steigerung der intrinsischen Motivation (t(41) = 3,48, p < 0,01) bei den Auszubildenden verbunden.
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Hochimmersive VR bietet die Möglichkeit, eine Vielzahl von Notfallszenarien realitätsnah darzustellen.
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Sie kann als hochwertiges Trainingsmedium andere Lehr- und Lernformate ergänzen.
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Das „Eintauchen“ in die virtuelle Welt bewirkt eine vertiefte kognitive und emotionale Auseinandersetzung mit dem Notfallszenario.
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Interessenkonflikt
Das Projekt EPICSAVE (FKZ 01PD15004A) wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) der EU gefördert. Das Fraunhofer IESE und die TriCAT GmbH hatten als Konsortialpartner im Projekt EPICSAVE entsprechende Mittel erhalten. Die DRK-Landesschule Baden-Würtemberg gGmbH hatte als assoziierter Partner keine Förderung erhalten.
Danksagung
Das Projekt EPICSAVE (Enhanced ParamediC vocational training with Serious games And Virtual Environments) wird im Rahmen des Programms „Digitale Medien in der beruflichen Bildung (DIMEBB 2)“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und vom Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert (Laufzeit: 03/2016–02/2019, FKZ 01PD15 004A). Wir danken den Mitarbeitern des Projektkonsortiums (www.epicsave.de) und Dr. Stefan Mohr für die kritische Durchsicht des Manuskripts.
Unter Angabe der Primary Data ID (PDI 53 023) werden Interessierten auf Anfrage über die Website www.iese.fraunhofer.de/de/mediathek/primaerdaten.html die Primärdaten zur Praxisstudie kostenlos bereitgestellt.
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Literatur
- 1 McGrath JL, Taekman JM, Dev P. et al. Using virtual reality simulation environments to assess competence for emergency medicine learners. Acad Emerg Med 2018; 25: 186-195
- 2 Kononowicz A, Zary N, Edelbring S. et al. Virtual patients – what are we talking about? A framework to classify the meaning of the term in healthcare education. BMC Med Educ 2015; 15: 1-11
- 3 Cook DA, Erwin PJ, Triola MM. Computerized virtual patients in health professions education: A systematic review and meta-analysis. Acad Med 2010; 85: 1589-1602
- 4 Ahlers O. Der richtige Rahmen entscheidet: Curriculare Implementierung der Simulation. In: St Pierre M, Breuer G. Hrsg Simulation in der Medizin. Berlin: Springer; 2018: 91-96
- 5 Ritzmann S, Hagemann V, Kluge A. The Training evaluation inventory (TEI) – Evaluation of training design and measurement of training outcomes for predicting training success. Vocations Learning 2014; 7: 41-73
- 6 Schubert T, Friedmann F, Regenbrecht H. The Experience of Presence: Factor Analytic Insights. Presence 2001; 10: 266-281
- 7 Guay F, Vallerand RJ, Blanchard C. On the Assessment of Situational Intrinsic and Extrinsic Motivation: The Situational Motivation Scale (SIMS). Motivation Emotion 2000; 24: 175-213
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 McGrath JL, Taekman JM, Dev P. et al. Using virtual reality simulation environments to assess competence for emergency medicine learners. Acad Emerg Med 2018; 25: 186-195
- 2 Kononowicz A, Zary N, Edelbring S. et al. Virtual patients – what are we talking about? A framework to classify the meaning of the term in healthcare education. BMC Med Educ 2015; 15: 1-11
- 3 Cook DA, Erwin PJ, Triola MM. Computerized virtual patients in health professions education: A systematic review and meta-analysis. Acad Med 2010; 85: 1589-1602
- 4 Ahlers O. Der richtige Rahmen entscheidet: Curriculare Implementierung der Simulation. In: St Pierre M, Breuer G. Hrsg Simulation in der Medizin. Berlin: Springer; 2018: 91-96
- 5 Ritzmann S, Hagemann V, Kluge A. The Training evaluation inventory (TEI) – Evaluation of training design and measurement of training outcomes for predicting training success. Vocations Learning 2014; 7: 41-73
- 6 Schubert T, Friedmann F, Regenbrecht H. The Experience of Presence: Factor Analytic Insights. Presence 2001; 10: 266-281
- 7 Guay F, Vallerand RJ, Blanchard C. On the Assessment of Situational Intrinsic and Extrinsic Motivation: The Situational Motivation Scale (SIMS). Motivation Emotion 2000; 24: 175-213









