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Unani - traditionelle Medizin
Abb. 1 Statue des Hippokrates: Der antike griechische Arzt gilt als Vater der Unani-Medizin.
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Weltweiter Status, aktuelle Situation und Potenzial als eine wiederauflebende traditionelle
Medizin Europas
Ursprung und Entwicklung
Das System der Unani-Medizin hat seinen Ursprung in Griechenland (arabisch: Unan oder
Yunan; griechisch: ionisch) und kam mit arabischen, griechischen und persischen Siedlern
nach Indien. Als Begründer des Systems wird Äskulap angesehen. Buqrat (in Europa bekannt
als Hippokrates, 460–377 v. Chr.) gilt dort als Nachfahre von Äskulap und als Vater
der Unani-Medizin.
Unan ist auch als Tibb (Medizin) bekannt und wurde von Ibn Sina (in Europa eher unter
dem Namen Avicenna bekannt) als das Wissen über die Zustände des menschlichen Körpers
bei Gesundheit und nachlassender Gesundheit definiert. Die Unani-Medizin hat zum Ziel,
die Gesundheit zu erhalten, bzw. sie wiederherzustellen. Sie stellt eine Synthese
zeitgenössischer traditioneller Medizinsysteme aus Ägypten, Syrien, Irak, Iran, China,
Indien und anderen Ländern des Fernen Ostens dar. In verschiedenen Teilen der Welt
ist sie unter einer Vielzahl von Namen bekannt:
Die Unani-Medizin hat sich in vier verschiedenen Zeiträumen und vier unterschiedlichen
geografischen Gebieten entwickelt:
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die griechische Medizin mit dem Feldzug von Alexander
dem Großen in Asien (334–323 v. Chr.) nach Indien kam. Einige abenteuerlustige Entdecker
befuhren mit Segelschiffen (Skylax aus Karyanda) oder zur gleichen Zeit wie Alexander
die Flüsse (Nearchus, Sohn von Androtimos) und berichteten über ihre Reisen in Indien.
Während der byzantinischen Epoche nahmen die Reisen nach Indien zu, der Handel mit
Indien blühte auf, die kulturellen Kontakte zu Indien wurden zahlreicher. Durch das
Auftreten der nestorianischen Sekte (5. Jh. n. Chr.), ihre Verurteilung und das Exil
sowie die anschließende Einwanderungswelle nach Osten wurden die Voraussetzungen für
Übersetzungen geschaffen, die auch medizinische Texte einschlossen. Durch die arabische
Herrschaft im Mittelmeerraum entstand die gesamte arabische Wissenschaft aus griechischen,
persischen, syrischen und indischen Übersetzungen, was u.a. zur Ankunft der indischen
Medizin in Europa führte. Die immer weiter voranschreitenden arabischen Eroberungen
in Asien (710–1202 n. Chr.) waren schließlich der entscheidende Faktor dafür, dass
die übersetzten byzantinischen medizinischen Texte mit den indischen Texten zusammengeführt
wurden. Die Verpflanzung hippokratischer Grundsätze in ein fernes Land war deshalb
erfolgreich, weil der fruchtbare Boden dafür bereits durch die traditionelle Medizin
der heiligen Texte, der Veden, geschaffen worden war. Das um lokale Elemente erweiterte
griechische Medizinsystem stieß auf große Resonanz beim indischen Volk und den Ärzten,
den Hakims, die an kaiserlichen Höfen, in Städten und auf dem Land medizinisch tätig
waren und es auch heute noch sind.
Die Unani-Medizin spielt v.a. in Afghanistan, Pakistan und Indien eine Rolle in der
Gesundheitsversorgung. Sie wird an Hochschulen gelehrt und an vielen Krankenhäusern
praktiziert. Auch wenn die Wurzeln der Unani-Medizin in Europa liegen, ist das mehr
als 2000 Jahre alte Medizinsystem hier weitgehend in Vergessenheit geraten. Der Beitrag
stellt das System der Unani-Medizin vor, nimmt Bezug auf das mögliche Potenzial in
der Therapie und konkretisiert die gegenwärtigen Herausforderungen für Unani-Wissenschaftler.
Unani-Medizin heute: das indische Szenario
Unani-Medizin heute: das indische Szenario
Ausbildung
Die Ausbildung in der Unani-Medizin wird in Indien vom Central Council of Indian Medicine
(Regierung Indiens) geregelt. Auch in Pakistan und Afghanistan sind universitäre Ausbildungen
etabliert.
43 indische Hochschulen verleihen aufbauend auf einer 12-jährigen Primarausbildung
nach einem Studium von 5,5 Jahren den Bachelor of Unani Medicine and Surgery. Die
entsprechenden Kurse werden entweder an Universitäten oder an Instituten mit staatlicher
Anerkennung durchgeführt. Die Studierenden werden in grundlegenden (z.B. Anatomie,
Physiologie), präklinischen (z.B. Pharmakologie, Pathologie, Hygiene) und klinischen
Fächern (z.B. Unani-Medizin, Chirurgie) unterrichtet. Das Studium umfasst u.a. ein
einjähriges, rotierendes Praktikum. Spezialisierte Kurse in Form einer innerbetrieblichen
Berufsausbildung oder von Postgraduiertenstudiengängen können sich an die Bachelor-Kurse
anschließen.
Dreijährige Postgraduiertenkurse – MD (Unani-Medizin) oder MS (Unani-Chirurgie) –
werden außer vom National Institute of Unani Medicine, Bangalore, Indien, ebenfalls
von mehreren Instituten in einem oder mehreren der folgenden Zweige angeboten: Innere
Unani-Medizin (Moalejat), Grundlagen der Unani-Medizin (Kulliyat), Gynäkologie, Geburtshilfe
und Kinderheilkunde (Amraz-e-3. niswan-wa-qabalat-o-atfal), Präventiv- und Sozialmedizin
(Tahaffuzi-wa-4. samaji Tibb) sowie Unani-Chirurgie (Jarahiyat) und Pharmakologie
(Ilmul Advia).
Forschung
Die wissenschaftliche Forschung findet hauptsächlich im Rahmen der Postgraduiertenausbildung
unter Aufsicht von Unani-Wissenschaftlern und manchmal auch in Zusammenarbeit mit
Experten aus anderen Bereichen wie Pharmazie, westliche Medizin und Naturwissenschaften
statt. Das AYUSH-Ministerium (Ayurveda, Yoga, Unani, Siddha und Homöopathie) des Central
Ministry of Health and Family Welfare ist an der Finanzierung von außeruniversitären
Forschungsprojekten an den Fachbereichen der Unani-Institute beteiligt. Die hauseigene
Forschung wird vom Central Research Council for Unani Medicine in Neu-Delhi über sein
landesweites Netzwerk von Kliniken, Einrichtungen für die Untersuchung von Heilpflanzen
und die Standardisierung von Arzneimitteln durchgeführt. Das der Zentralregierung
unterstehende Pharmacopoeial Laboratory of Indian Medicine in Ghaziabad beschäftigt
sich ebenfalls mit der Standardisierung von traditionellen Heilmitteln. Einige nach
dem Prinzip der Unani-Medizin arbeitende Hersteller verfügen auch über eigene Forschungsabteilungen.
Das Ibn Sina Institute of Tibb in Südafrika profitiert ebenfalls vom Fachwissen der
Unani-Ärzte und -Wissenschaftler Indiens. In einer Publikation wird der Einfluss der
Unani-Medizin auf die westliche Welt im Mittelalter erörtert. Das Projekt „Traditional
Knowledge Digital Library (TKDL)“ unter der fachlichen Aufsicht des National Institute
of Science Communication & Information Resources (Council for Scientific & Industrial
Research, New Delhi) stellt einen Meilenstein in der Geschichte der Unani-Medizin
in Indien dar. Klinische Studien, Standardisierung von Arzneimitteln und Herstellungsverfahren
zielen zusammen mit dem TKDL-Projekt darauf ab, das therapeutische System der Unani-Medizin
weltweit voranzutreiben.
Berufspraxis
Die klinische Anwendung erfolgt durch Unani-Absolventen nach deren Zulassung durch
die entsprechenden Behörden. Sie sind in Regierungseinrichtungen und privaten Institutionen
als zugelassene Unani-Ärzte, Forschungsbeauftragte, klinische Assistenzärzte, Mitglieder
des Lehrkörpers, Chemiker in der Fertigung sowie als Unani-Arzneimittelkontrolleure
bei den Arzneimittelbehörden tätig. Nur wenige der Absolventen und Postgraduierten
arbeiten in geförderten Forschungsprojekten als wissenschaftliche Mitarbeiter oder
Forschungsmitarbeiter. Eine große Zahl entscheidet sich für die Arbeit als Unani-Allgemeinmediziner.
Nur eine Minderheit der Postgraduierten erhält einen der begehrten Lehraufträge in
den Lehreinrichtungen. Diese Akademiker haben die Chance, in der akademischen Hierarchie
außerordentliche Professoren zu werden.
Rolle im Gesundheitssektor
50 475 registrierte Unani-Ärzte sind in der Gesundheitsversorgung in entlegenen Gebieten
Indiens tätig. Die Stärkung der Organe und des Immunsystems ist ein einzigartiges
Merkmal der Unani-Medizin. Es wurden bemerkenswerte Ergebnisse bei der Heilung von
Krankheiten gezeigt, u. a. bei Erkrankungen des Bewegungsapparats, Atemwegs-, Haut-,
Lebererkrankungen sowie Erkrankungen des Nervensystems.
Im Juni 2015 gab es 259 Unani-Krankenhäuser mit 3744 Betten. Darüber hinaus sind 1483
Unani-Apotheken in Indien zu finden. Dank der National Policy on Indian Medicine &
Homeopathy 2002 sind AYUSH-Gesundheitseinrichtungen, darunter das System der Unani-Medizin,
im Netz der primären Gesundheitsfürsorge vorhanden. 11 650 AYUSH- einschließlich Unani-Ärzte,
erhielten im Rahmen der National Rural Health Mission (NRHM) einen Anstellungsvertrag
in Gesundheitszentren für die medizinische Grundversorgung oder in Gemeinde-Gesundheitszentren.
AYUSH- einschließlich Unani-Ärzte, nehmen auch am Reproductive & Child Health and
School Health Programme teil.
Konzept der Unani-Medizin
Konzept der Unani-Medizin
Lehre von der Physis (Tabiyat)
Die Unani-Medizin beschreibt das Konzept des Tabiyat, bei dem es sich um die stärkste
Kraft des Körpers handelt. Das Tabiyat bildet die innere Kraft oder Fähigkeit eines
Einzelnen, Krankheiten zu widerstehen, zu bekämpfen und normale physiologische Funktionen
auszuführen. In diesem Konzept geht es darum, eine gesunde Umgebung im Körper zu schaffen
und ihn darauf vorzubereiten, gegen eine Krankheit anzukämpfen. Das Tabiyat lässt
sich als der gesamte strukturelle, funktionale und psychologische Charakter eines
Menschen definieren. Nach Hippokrates verbirgt sich in jedem Einzelnen eine besondere
Fähigkeit, die als Abwehrmechanismus des Körpers oder in der Unani-Sprache als Tabiyate
Muddabare Badan bezeichnet wird.
Unani-Ärzte vertreten die Ansicht, dass nur das Tabiyat an der Heilung einer Krankheit
beteiligt ist, und der wahre Arzt von „außen“ hilft, indem er eine therapeutische
Linderung verschreibt. Ist das Tabiyat stark, leidet der Mensch nicht so leicht unter
einer Krankheit. Menschen mit geschwächtem Tabiyat hingegen neigen eher zu Krankheiten.
Lehre der sieben physiologischen Grundsätze
Im Konzept der Unani-Medizin wird die Gesundheit des menschlichen Körpers durch die
Homöostase von alumoor al-tabiyah, den sieben physiologischen Grundsätzen der Unani-Lehre,
aufrechterhalten. Dazu gehören:
-
arkan oder Elemente,
-
mizaj oder Temperamente,
-
akhlat oder Säfte,
-
a‘za oder Organe,
-
arwah oder Seele,
-
quwa oder Fähigkeiten oder Kräfte,
-
af‘al oder Funktionen.
Vis medicatrix naturae – die heilende Kraft der Natur – wird als Leitprinzip der Unani-Medizin
postuliert.
Das Gleichgewicht zwischen diesen sieben physiologischen Grundsätzen erhält die natürliche
Konstitution eines Körpers aufrecht. Die Konstitution jedes Einzelnen verfügt über
das Tabiyat, was mit Immunität übersetzt werden kann, um die sieben Komponenten im
Gleichgewicht zu halten.
Lehre der sechs wesentlichen Faktoren
Gesundheit wird in der Unani-Medizin als ein Zustand des Körpers angesehen, bei dem
sich die Säfte im Gleichgewicht befinden und der Körper normal funktioniert. Gesundheit
basiert auf sechs wesentlichen Elementen (Asbabe sitta zarooriva): 1. Luft, 2. Essen
und Trinken, 3. Schlaf- und Wachzustand, 4. Ausscheidung und Retinierung, 5. körperliche
Aktivität und Ruhe, 6. geistige Aktivität und Ruhe. Diese Theorie weist eine gewisse
Ähnlichkeit mit der WHO-Definition von Gesundheit als einem Zustand von physischem,
geistigem und sozialem Wohlbefinden auf.
Das System der Unani-Medizin befasst sich mit der Homöostase des Körpers, die vom
Gleichgewicht der vier Säfte sowie den sechs wesentlichen Faktoren abhängig ist.
Der Schlüssel der Behandlung besteht darin, diese Lehren zu verstehen, um so die Ursache
zu finden. Die praktische Wissenschaft basiert auf den Grundsätzen, die in den ältesten
klassischen Texten der Unani-Medizin verwurzelt sind.
Lehre von den Säften und Temperamenten
Hippokrates vertrat die seit der Antike verbreitete Lehre von den Säften (akhlat)
und Temperamenten (mizaj). Die vier Temperamente sind durch die Eigenschaften warm
– kalt (aktiv) sowie trocken – feucht (passiv) charakterisiert. Eine der aktiven Eigenschaften
interagiert mit einer passiven Eigenschaft, und bezeichnet ein bestimmtes Temperament
des Saftes: dam (Blut): warm-feucht; balgham (Schleim): kalt-feucht; safra (gelbe
Galle): warm-trocken; sauda (schwarze Galle): kalt-feucht.
Die vier Säfte teilte Hippokrates auf Grundlage ihrer Farbe in vier Gruppen ein. In
der Unani-Praxis sind sie als dam (Blut), balgham (Schleim), safra (gelbe Galle) und
sauda (schwarze Galle) zu finden. Die diesen Säften entsprechende Natur eines Menschen
findet sich in folgender Einteilung: sanguinisch (damwi), phlegmatisch (balghami),
cholerisch (safrawi) und melancholisch (saudawi).
Auf dieser Basis wird jedem Menschen eine bestimmte Natur zugeschrieben, die bei der
Behandlung Berücksichtigung findet.
Grundsätze der Behandlung
In der Unani-Medizin wird die Vis medicatrix naturae, die heilende Kraft der Natur,
als Leitprinzip postuliert. Ausgehend davon werden komplexere, spezifischere Erkenntnisse
über die menschliche Gesundheit und Krankheit gewonnen. Die Heilkraft der Natur kann
als roter Faden verstanden werden, der Körper, Geist und Seele vereint. Eine besondere
Rolle spielt dabei der Subtilkörper (al-quwwa al-mudabbirah), eine Ebene des Körpers,
in der die physischen Eigenschaften des Körpers verborgen bleiben. In der Vorstellung
der Unani-Medizin kann sich der Arzt den Zustand des Subtilkörpers eines Patienten
nur durch das Auge seines Herzens vergegenwärtigen. Er kann die Selbstheilungskräfte
des Patienten auf der Ebene des Subtilkörpers beleben – denn auf dieser Ebene sind
die Säfte fließend und dynamisch – und eine harmonisierende Reaktion bei Erkrankungen
bewirken, um Gesundheit und Wohlbefinden beim Patienten wiederherzustellen.
Eine Veränderung der Säfte in Qualität und Quantität kann zu Erkrankungen führen.
Die Therapiemaßnahmen zielen auf die Wiederherstellung des Gleichgewichts der verschiedenen
Elemente, die Homöostase der Säfte, ab.
Avicenna empfahl, bei der Behandlung zunächst das normale Temperament des Patienten
herauszufinden. Erst dann sollte der Arzt auf der Grundlage der Anzeichen und Symptome,
die für den jeweiligen Typ (sue-mizaj) aufgeführt wurden, das pathologische Temperament
(tadeel-e-mizaj) beurteilen. Im Anschluss sollte er seine Fähigkeiten entsprechend
einsetzen, um dem zum Zeitpunkt der Erkrankung pathologischen Temperament entgegenzuwirken.
Dies darf jedoch nicht zu intensiv erfolgen.
Diagnostische Verfahren
Besonderheiten der Unani-Medizin bestehen auch in der Diagnostik. Um eine Diagnose
zu sichern, werden zusätzlich die Qualität des Pulses (Nabz) sowie Urin (Baul) und
Stuhl (Baraz) untersucht.
Pulsdiagnostik
Die Pulsdiagnostik erfordert viel Erfahrung und Sensibilität des Untersuchers für
die 10 physikalischen Eigenschaften des Radialispulses:
-
Qualität der Pulsausdehnung: Länge, Breite und Tiefe
-
Qualität des Pulsschlags: stark, schwach oder moderat
-
Dauer des Pulszyklus: schnell, langsam oder moderat
-
Dauer der Pulspause: aufeinanderfolgend, unterschiedlich oder moderat
-
Zeit zwischen den Schlägen: voll, leer oder moderat
-
Komprimierbarkeit: hart, weich oder moderat
-
Perspiration: voll, leer oder moderat
-
Regelmäßigkeit
-
Ordnung und Unordnung: geordnet, unregelmäßig oder unregelmäßig ungeordnet
-
Rhythmus: regelmäßig, anders oder unregelmäßig
Die Pulsdiagnose gilt als so tiefgreifend, dass sich bei der Behandlung von Erkrankungen
mit emotionaler Komponente sogar deren Auswirkungen auf die Physiologie erkennen lässt.
Aus klinischer Sicht entwickelte Ibn Sina ein System, um Veränderungen der Pulsfrequenz
mit inneren Gefühlen in Verbindung zu bringen, was als Vorwegnahme etwa des Assoziationstests
von C.G. Jung angesehen wurde. Ibn Sina soll einen schwerkranken Patienten behandelt
haben, indem er den Puls des Patienten gefühlt und ihm die Namen von Provinzen, Bezirken,
Städten, Straßen und Menschen laut vorgelesen hat. Indem er feststellte, wie sich
der Puls des Patienten beschleunigte, als bestimmte Namen erwähnt wurden, schloss
Ibn Sina, dass der Patient in ein Mädchen verliebt war, dessen Zuhause Ibn Sina durch
die Puls-Untersuchung mit den Fingern ausfindig machen konnte. Der Mann nahm den Rat
von Ibn Sina an, heiratete das Mädchen und erholte sich von seiner Krankheit.
Abb. 2 Vor jeder weiteren Behandlung empfehlen Unani-Mediziner eine Ernährungstherapie,
da diese allein bei manchen Krankheiten bereits zur Heilung führt. © A. Ather
Uroskopie und das Urinrad
Der hohe Entwicklungsstand der Unani-Medizin zeigte sich auch in dieser diagnostischen
Methode: Durch die makroskopische Untersuchung des Urins (häufig als Uroskopie bezeichnet)
und des Stuhls konnten Ärzte Einsicht in die inneren Stoffwechselvorgänge und die
inneren Abläufe im Körper bekommen, da es sich um Ausscheidungen des Körpers handele.
So nutzten Unani-Ärzte beispielsweise Urinräder, um Annahmen über Diagnose oder Prognose
zu treffen. Für sie war Urin im Wesentlichen das „flüssige Fenster, durch das Ärzte
die inneren Abläufe des Körpers sehen konnten“.
Therapieverfahren in der Unani-Medizin
Therapieverfahren in der Unani-Medizin
Im System der Unani-Medizin stehen die folgenden Therapieverfahren, abhängig von der
Art der Krankheit und deren Ursache, zur Verfügung:
Die Behandlung beginnt mit Ilaj-bil-Tadabeer wa ghiza (Normalisierungstherapie und
Ernährungstherapie). Damit sollen die an der Erkrankung beteiligten äußeren Faktoren
(z. B. Luft, Wasser, Nahrung) normalisiert und wieder ins Gleichgewicht gebracht werden.
Erweist sich dies als unzureichend, kann Ilaj-bil-Dawa (Arzneimitteltherapie) angezeigt
sein. Stellen sich diese Maßnahmen als unwirksam heraus, wird Ilaj-bil-Yad (Operationen)
empfohlen.
Hinter diesen Behandlungsansätzen stehen folgende Prinzipien:
1) Ilaj-bil-Zidd: Diese in der Unani-Medizin häufig eingesetzte Behandlung zielt darauf, dem pathologischen
Temperament mit Normalisierungs- und Arzneitherapie entgegenzuwirken, mit dem entgegengesetzten
Temperament sowie dem Ausleiten morbider Säfte aus dem Körper. Beispiele dafür sind
die Anwendung eines kalten Schwamms bei Fieber oder die Verabreichung eines Brechmittels,
um das Erbrechen eines im Übermaß vorhandenen toxischen Nahrungsmittels zu fördern.
2) Ilaj-bil-Misl: Wird normalerweise bei Erkrankungen eingesetzt, bei denen eine Diagnose schwierig
zu stellen ist. Aufgrund ihrer Erfahrungen wissen viele Gelehrte um den Nutzen bestimmter
Arzneimittel bei Krankheiten, bei denen die Krankheit und das zur Behandlung eingesetzte
Mittel das gleiche Temperament aufwiesen. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von Arsen
(Sankhya) bei der Behandlung von Syphilis in alten Zeiten.
Abb. 3 Etwa 90 % der Unani-Arzneimittel sind pflanzlichen Ursprungs, die z. B. als Dekokt
zubereitet und verabreicht werden. © xb100 / Adobe Stock
Ernährungstherapie (Ilaj bi’l-Ghiza)
Die Ernährung (Ghiza) wird in der Unani-Medizin als zweischneidiges Schwert angesehen.
Einerseits hilft sie die Gesundheit zu erhalten, andererseits kann sie durch Übermaß
oder schlechte Qualität Krankheiten verursachen. Unani-Mediziner empfehlen vor jeder
medizinischen Behandlung eine Ernährungstherapie, da diese allein bei manchen Krankheiten
bereits zur Heilung führt. Die Ernährung sollte je nach Krankheit eingeschränkt, das
Ernährungsmuster verändert, die Menge und Qualität der Lebensmittel angepasst sowie
über bestimmte Zeit beibehalten werden.
So wird z.B. bei Fieber eine nährstoffreiche, rohstoffarme Ernährung empfohlen, die
Dalia (Haferbrei) und Kheer (Milchbrei) beinhalten kann. Bei chronischen Krankheiten
empfehlen die Unani-Gelehrten eine nährstoff- und eiweißreiche Ernährung in ausreichender
Menge, um der durch die Erkrankung verursachten Konsumption (Badane ma tehlul) entgegenzuwirken.
Zudem soll das Tabiyat (Immunität) zum Schutz vor Krankheiten aufrechterhalten und
gestärkt werden.
Erweist sich die Ernährungstherapie als nicht ausreichend oder unwirksam, wird auch
ergänzend die Arzneimitteltherapie eingesetzt. Unani-Gelehrten wie Avicenna oder Hippokrates
zufolge sollte in den Anfangsstadien einer Krankheit das Tabiyat nicht gestört werden.
Demnach sind nur anregende Ernährungsmaßnahmen zulässig.
In der modernen Unani-Therapie wird relativ selten die Organotherapie (Ilaj-bi-misla)
eingesetzt. Dabei wird ein krankes Organ mithilfe von tierischen Gewebeextrakten des
gleichen Organs behandelt.
Normalisierungstherapie (Ilaj-bil-Tadabeer)
Die Normalisierungstherapie hat die Modifizierung und Regulierung der sechs wesentlichen
Faktoren (Asbab-e-Sitta-e-Zurooria) zum Ziel. Dazu werden verschiedene Verfahren eingesetzt,
z. B.:
1. Ishal (Purgation), 2. Qai (Erbrechen), 3. Idrar (Diurese), 4. Hijama (Schröpfen),
5. Dalak (Massage), 6. Riyazat (Übung), 7. Hammam (Baden), 8. Tareeq (Diaphorese),
9. Irsalealaq (Auslaugen), 10. Huqna (Klistier), 11. Nutool (Spülung), 12. Inkabab
(Inhalation), 13. Tanfees (Expektoration), 14. Takmeed (Fomentation), 15. Imala (Ablenkung),
16. Amlekai (Kauterisation), 17. Ilam (Gegenreizung), 18. Aabzan (Hydratationstherapie).
Normalisierungstherapien werden seit Jahrtausenden in der Prävention und Therapie
angewendet. Sie bewirken die Ausleitung von pathogenen Säften (Istifraagh-e-akhlaat-e-radiya)
sowie die Wiederherstellung des normalen Temperaments (Tadeel-e-mizaj). Pathogene
Säfte gelten als die eigentliche Wurzel für den Ausbruch einer Krankheit. Sobald sie
aus dem Körper ausgeleitet sind, kann sich Gesundheit wiedereinstellen.
Heute gewinnt besonders Hijama, das Schröpfen, an Popularität. Aufgrund seiner rasch
einsetzenden Wirkung, aber auch durch die oft bei prominenten Sportlern oder Schauspielern
sichtbaren Blutergüsse erfreut sich Hijama einer wachsenden Beliebtheit und Akzeptanz
(s. Beitrag S. 34).
Arzneimitteltherapie (Ilaj-bil-Dawa)
Die Arzneimitteltherapie wird empfohlen, wenn die Ernährungs- und Normalisierungstherapie
nicht ausreichen. In der Unani-Medizin wird die gesamte Droge eingesetzt, d.h. der
Wirkstoff einer Droge wird nicht isoliert, sondern mit weiteren natürlichen Teilen
einer Pflanze angewendet.
In der Arzneimitteltherapie wird nicht nur der Wirkstoff einer Droge isoliert, sondern
die gesamte Droge angewendet.
Es werden Arzneimittel pflanzlicher (ca. 90 %), tierischer (ca. 5 %) und mineralischer
(ca. 5 %) Herkunft verwendet. Dioscorides (40–90 n. Chr.) ist als Begründer der Ilmul
Advia (Pharmakologie) bekannt. Die Pharmakopöe des Unani-Systems ist äußerst umfangreich
und umfasst mehr als 2000 Medikamente.
Bei Arzneimitteln tierischen Ursprungs kann es sich um tierische Produkte wie Milch,
Urin aber auch um Hufe und Nägel, Haare, Fleisch, Organe, Fette oder ein Tier als
Ganzes handeln, z. B. eine Krabbe, einen Skorpion oder einen Regenwurm.
Bei aus Mineralien hergestellten Arzneimitteln werden die in der Natur vorhandenen
Mineralien auch zu therapeutischen Zwecken eingesetzt, wobei es sich bei den Bestandteilen
um Erze, Metalle und Edelsteine, Salze, Steine, Ton usw. handelt. Das therapeutische
Potenzial dieser Arzneimittel wurde mittlerweile durch verschiedene tierexperimentelle
und klinische Studien nachgewiesen. Einige Arzneimittel werden mittlerweile standardmäßig
bei der Behandlung bestimmter Krankheiten eingesetzt.
Arzneimittel werden folgendermaßen eingestuft:
-
Feste Zubereitungen: z. B. Hab (Tablette), Qurs (Kapsel), Safoof (Pulver), Kohl (Feinstpulver
für Augenerkrankungen), Marham (Salbe und Einreibemittel) usw.
-
Flüssige Zubereitungen: z. B. Sharbat (Sirup), Joshanda (Dekokt), Khisanda (Infusion),
Arq (Destillat), Mazmaza (Mundspülung) usw.
-
Aromatische Zubereitungen: z. B. Inkebaab, Shamoom, Lakhlakha.
Meist wird die Arzneimitteltherapie von der Normalisierungstherapie begleitet, um
raschere und bessere Behandlungserfolge zu erzielen.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit [3] hat am Beispiel von orofazialen Erkrankungen wichtige
Heilpflanzen und deren Indikationen zusammengestellt.
Chirurgische Therapie (Ilaj-bil yad/jarahat)
Die Chirurgie ist aus dem System der Unani-Medizin hervorgegangen. Unani-Ärzte waren
Pioniere der Chirurgie und entwickelten eigene Instrumente und Techniken. Es existieren
bemerkenswerte Bücher zum Thema, wie Kitab-al-Tasreef von Abul Qasim Zahravi, Kitab-al-Umda
fil Jarahat von Ibn-al-Quf Masihi, Kamilus San‘a von Ali Abbas Majoosi usw.
Chirurgische Eingriffe wurden durchgeführt, wenn andere Maßnahmen wie Iilaj-bi-Tadabeer
und Ilaj-bil-Dawa dem Patienten keine Linderung verschafften oder bei Erkrankungen,
bei denen eine Operation von Anfang an unbedingt notwendig war. Während der arabischen
Periode – der Blütezeit der Unani-Medizin – hatten Anhänger der Chirurgie wie Abul
Qasim Zohravi die Chirurgie durch neue chirurgische Instrumente und Operationstechniken
bereits weit vorangebracht. Inzwischen sind die chirurgischen Techniken jedoch weniger
gut entwickelt als die der konventionellen Medizin. Heute werden bei fast allen chirurgischen
Eingriffen Instrumente der modernen Chirurgie eingesetzt.
Heute werden üblicherweise folgende chirurgische Eingriffe durchgeführt:
-
Inzisionen und Drainagen
-
Kauterisation (Kai) bei verschiedenen Erkrankungen, z. B. Entfernung von Polypen,
Muttermalen, Hautauswüchsen
-
Hämorrhoidektomie
-
Versorgung variköser sowie nicht heilender Ulzera
-
Resektionen von solidem Gewebe
-
Débridement und Pflege von diabetischen Füßen
-
Hydrozele
-
stark deformierte Gelenke
-
Beschneidungen
-
Zervikalpolypen
Rezepturen zur Ausleitung (Munzij wa mus‘ hil)
Diese Form der Arzneimitteltherapie beinhaltet Rezepturen (Munzij), die für eine begrenzte
Zeit verabreicht werden. Sie bildet die Basis zur Behandlung von chronischen Krankheiten.
Sie dient dem Istifragh – der Ausleitung morbider Säfte (Mawade-e-fasida) aus dem
Körper und der Wiederherstellung der Homöostase der Säfte. Gelehrte wie Galen (Jalinos),
Raban Tabri und Al Razi haben in ihren Schriften die Bedeutung der Munzij- und Mu‘shil-Therapie
hervorgehoben, und seit Jahrtausenden werden Patienten mit dieser Methode erfolgreich
behandelt.
Ist z. B. die Konsistenz einer pathogenen Substanz gestört (zu dick oder zu dünn)
ist ein einfaches Beseitigen der Störung nicht möglich. Um Istifragh zu unterstützen
werden Munzij (Rezepturen) eingesetzt, mittels derer die Konsistenz einer pathogenen
Substanz verändert und aus dem Körper ausgeleitet werden kann.
Bei Krankheiten mit hartnäckigem Verlauf (Maddah Marz) wird Nujz eingesetzt. Nujz
wird als Prozess definiert, der in der Regel bei chronischen Erkrankungen angewendet
wird. Dabei werden mithilfe von Mus’ilat (Abführmitteln) gestörte Säfte in einen Zustand
überführt, der sie aus dem Körper ausleiten lässt. Nujz kann, je nach Schwere und
Heftigkeit, aber auch bei akuten Erkrankungen eingesetzt werden. Unani-Gelehrte rieten
allerdings, bei akuten Erkrankungen vor der Ausleitung nicht Nujz abzuwarten, da der
Überschuss pathogener Substanzen lebenswichtige Organe schädigen kann. Die Dauer von
Nujz variiert in Abhängigkeit von der dominanten humoralen Pathologie:
-
Safra (gelbe Galle): 3–5 Tage
-
Balgham (Schleim): 5–12 Tage
-
Sauda (schwarze Galle): 15–40 Tage
Auf Basis des an der Krankheit beteiligten Safts werden selektive Munzij und Mus‘hil
des jeweiligen Khilt verwendet.
Gegenwärtige Herausforderungen für die Unani-Medizin
Gegenwärtige Herausforderungen für die Unani-Medizin
1) Validierung empirisch gewonnener Erkenntnisse
Es existieren zahlreiche Erfahrungsberichte klassischer Unani-Ärzte zur Identifizierung
der aus Rohdrogen hergestellten Arzneimittel, Verfahren zu ihrer Darstellung sowie
deren klinischer Wirksamkeit. Ebenso werden Methoden zur Zusammensetzung der Rezepturen
berichtet und deren mögliche Verfallsdaten.
Die gegenwärtige Herausforderung für Unani-Wissenschaftler besteht darin, die empirischen
Erkenntnisse mit wissenschaftlichen Methoden zu validieren.
2) Einsatz von Technik
Die Ära der klassischen Unani-Medizin reicht bis in die letzten beiden Jahrhunderte
zurück. Die Unani-Mediziner ließen mit den damals verfügbaren technischen Möglichkeiten
nichts unversucht, das System empirisch, systematisch und rational zu gestalten. Der
methodische Durchbruch bestand in dem Versuch, konkrete überprüfbare Forschungsaussagen
zu treffen. Diese Aussagen bildeten die zentrale Wissensgrundlage. Sie setzten genaue
Beobachtungen sowie Erfahrungen aus der Praxis bei der Prüfung von Arzneimitteln zur
Sicherheit, Wirksamkeit und Qualitätskontrolle ein. Darüber hinaus wurden antike und
mittelalterliche Untersuchungsmethoden genutzt, um Schlüsse aus den Ergebnissen zu
ziehen. Das Fehlen eines präziseren Instrumentariums erschwerte diesbezügliche weitere
Fortschritte.
Genaue Beobachtungen machten die gezogenen Schlüsse angreifbar für eine Reihe von
Interpretationen, die gleichsam als wahre Aussagen galten. Es wurden selbstkorrigierende
Methoden erforderlich, um Kontroversen zu vermeiden. Zwei weitere Jahrhunderte hat
es gebraucht, um die heutigen wissenschaftlichen Methoden zu entwickeln. So basierten
die Angaben zu Verfallsdaten von Unani-Rezepturen lediglich auf organoleptischen Merkmalen
wie Farbe, Geruch, Geschmack und Konsistenz. In der modernen Pharmazie werden dafür
spezifische, präzise analysierende Techniken im Rahmen von physikalischen, chemischen
und mikrobiologischen Stabilitätsstudien eingesetzt.
3) Standardisierung von Einzelmitteln und Rezepturen
Die Standardisierung von Rohdrogen und der von Unani-Experten beschriebenen Rezepturen
basiert auf Erfahrungen. Bei der Dokumentation scheint es sich lediglich um Aussagen
verschiedener Experten zu handeln. Obwohl diese Aussagen sehr genau zu sein scheinen,
lassen sie sich nicht mit einer wissenschaftlichen Aussage gleichsetzen. Diese Angaben
müssen validiert und die Arzneimittel auf der Grundlage genauerer wissenschaftlicher
Parameter standardisiert werden.
4) Darreichungsformen der Arzneimittel
Die Darreichungsformen von Unani-Einzelmitteln und Rezepturen sind in der klassischen
Literatur zu finden und haben sich in der Vergangenheit nicht verändert. Es besteht
die Notwendigkeit, die Darreichungsformen auf der Grundlage moderner Techniken neu
zu bewerten, um sie akzeptabel und anwendungsfreundlich zu gestalten. Dafür sind entsprechende
Versuche und Grundlagenforschung erforderlich.
5) Stabilitätsuntersuchungen
Stabilitätsuntersuchungen von Arzneimitteln sind für die Förderung der Patientengesundheit,
die Bestimmung der klinischen Wirksamkeit von Formulierungen sowie die Festlegung
gesetzlicher Anforderungen an Arzneimittel erforderlich. In der klassischen Unani-Literatur
führten Unani-Gelehrte die unterschiedlichen Verfallsdaten verschiedener Unani-Einzelmittel
und Rezepturen auf. Eine Validierung dieser Angaben stellt eine Herausforderung für
alle Unani-Pharmazeuten dar. Dies gilt auch für die weltweite Vermarktung.
Ausblick
Der Begriff Traditionelle Medizin wird meist für Systeme wie die traditionelle chinesische
Medizin, die indische Ayurveda- und Unani-Medizin sowie verschiedene Formen indigener
Medizinen verwendet. Aber auch in Europa kann man auf eine sehr lange Geschichte einer
traditionellen Medizin zurückblicken. Viele Europäer wenden sie heute noch an bei
leichteren und z. T. auch schweren Erkrankungen.
Die in Europa vorherrschenden Gesundheitssysteme basieren auf der Schulmedizin. Auch
wenn einige wenige Regionen, z. B. die Toskana, die traditionelle Medizin teilweise
oder vollständig in das Gesundheitssystem integriert haben, wird sie immer noch als
„komplementär“, „alternativ“ oder „nicht-konventionell“ bezeichnet.
Die zunehmende Globalisierung erhöht die medizinische Vielfalt durch interkulturelles
Wissen und wachsenden Informationsaustausch. Die Anwendung von z. B. indigenen Heilmitteln,
Phytotherapeutika oder traditioneller Materia medica kann nur durch eine Kombination
historischer, ökologischer, ökonomischer, kognitiver und pharmakologischer Ansätze
verstanden werden, während anekdotische Verweise in Raum und Zeit verloren gegangen
sind.
Auch wenn sich ein Trend hin zur Entwicklung globaler Pharmacopöen abzeichnet, werden
die lokalen Pharmacopöen trotz des Einflusses von Weltwirtschaft und Politik ihre
Rolle und Identität weiterhin behalten. Die Unani-Medizin mit ihren eher europäischen
Wurzeln fügt sich perfekt in das europäische Umfeld ein.
Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.
Online zu finden unter
http://dx.doi.org/10.1055/a-0807-3843