Hebamme 2018; 31(05): 341
DOI: 10.1055/a-0755-3399
Herausgeberkommentar
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mehrlingsschwangerschaften – wo liegen die Schwerpunkte einer optimalen Betreuung ?

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Publication Date:
31 October 2018 (online)

Die Betreuung von Mehrlingsschwangerschaften hat sich bis vor wenigen Jahrzehnten nicht von der Betreuung von Einlingsschwangerschaften unterschieden. Die Diagnose wurde meist erst dann gestellt, wenn anstatt der erwarteten Plazenta ein zweites Kind geboren wurde. Man hat dann die Eihäute inspiziert, um zu beurteilen, ob es sich um eineiige oder zweieiige Zwillinge handeln könnte. Mit dem Einsatz der Ultraschalluntersuchung hat sich das grundlegend geändert.

Ian Donald war wahrscheinlich der erste Mediziner, der Zwillinge im Ultraschall erkannt hat. Das war im Jahre 1962. Es dauerte allerdings noch ca. 20 Jahre, bis die Ultraschalluntersuchung flächendeckend mit guter Qualität durchgeführt werden konnte. Man hat es jedoch anfangs bei der Diagnose „Zwillinge“ belassen. Mit der Beurteilung der sonografischen Chorionizität begann eine der medizinischen Erfolgsgeschichten der Geburtshilfe. Vor allem Zwillingsschwangerschaften mit einem fetofetalen Transfusionssyndrom haben davon enorm profitiert. Betrug die kindliche Sterblichkeitsrate beim Zwillingstransfusionssydrom früher über 90 %, so darf heute nach fetoskopischer Lasertherapie in 80–90 % mit einem gesunden Kind gerechnet werden. Diese unglaubliche Erfolgsgeschichte hat allerdings dazu geführt, dass dieses Krankheitsbild zu stark in den Mittelpunkt gerückt wurde.

Der Großteil der Schwangerschaften (70 %) ist dichorial und bei diesen Schwangerschaften sind bis auf die erhöhte Frühgeburtenrate keine wesentlichen Komplikationen zu erwarten. Diesen Schwangeren muss wieder vermittelt werden, dass eine Zwillingsschwangerschaft nicht unbedingt ein medizinisches Risiko darstellt. Darauf wird im Beitrag von Frau Peitz (S. 304) eindringlich hingewiesen. Man muss den Schwangeren wieder vermitteln, dass eine Zwillingsschwangerschaft etwas ganz Natürliches sein kann und dass auch ohne 14-tätige Ultraschalluntersuchung, Homöopathie und Yoga ein normaler Schwangerschaftsverlauf und eine problemlose Geburt möglich sind.

Da die Chorionizität zuverlässig im ersten Schwangerschaftsdrittel erkannt werden kann, ist die heutige Schwangerenbetreuung in erster Linie davon abhängig zu machen. Dies gilt sowohl für die Hebamme als auch den Arzt. Das aktuelle Betreuungskonzept ist in zahlreichen internationalen Leitlinien festgeschrieben. Wie im Beitrag erwähnt, wird eine der internationalen Leitlinien für den deutschen Sprachraum derzeit adaptiert. Das auch in Deutschland gut etablierte Betreuungskonzept wird sich dadurch nicht wesentlich ändern. Doch gewiss bietet sich – wie auch mit den spannenden Schwerpunktthemen dieser Ausgabe – aktuell viel Stoff für die Diskussionen mit Ihren Kolleginnen und den GeburtshelferInnen.

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Prof. Dr. med. Franz Kainer ist Chrfarzt der Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Klinik Hallerwiese, Nürnberg, und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin.

Franz Kainer

Herausgeber DIE HEBAMME