Sprache · Stimme · Gehör 2018; 42(04): 168-174
DOI: 10.1055/a-0682-1469
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Quantifizierung des Outcomes phonochirurgischer Interventionen bei benignen Stimmlippenläsionen

Outcome Quantification of Phonosurgical Interventions in Benign Vocal Fold Lesions
Tatjana Salmen
Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
Philipp P. Caffier
Klinik für Audiologie und Phoniatrie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Philipp P. Caffier,
Klinik für Audiologie und Phoniatrie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Charitéplatz 1
10117 Berlin

Publication History

Publication Date:
14 December 2018 (online)

 

Die mikrolaryngoskopische Abtragung benigner Stimmlippenläsionen führt zu einer Stimmverbesserung. Um zu zeigen, in welchem Ausmaß sich die Stimme bessert, wurden subjektive und objektive Stimmparameter vor und nach Entfernung von Stimmlippenpolypen, Stimmlippenknötchen und Reinke-Ödemen erfasst. Das in der klinischen Routinediagnostik noch nicht allgemein etablierte Stimmumfangsmaß (SUM) hat im Vergleich zu bereits etablierten Parametern einschließlich des Dysphonie-Schweregrad-Indexes (DSI) eine gleichwertige Aussagekraft.


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Abstract

The microlaryngoscopic excision of benign vocal fold lesions improves the voice. In order to show to which extent patients eventually benefit, the magnitude of the impact of phono-microsurgery in vocal fold polyps, vocal fold nodules and Reinke's edema on subjective and objective parameters of vocal function was investigated. Particular regard was given to the vocal extent measure (VEM), a parameter not yet commonly established in phoniatric diagnostics, whose performance was equal to that of established vocal parameters including the dysphonia severity index (DSI).


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Lernziel

Quantifizierung des Operationserfolges nach phonomikrochirurgischer Entfernung benigner Stimmlippenläsionen anhand etablierter Stimmdiagnostik unter Integration des neuen Stimmumfangmaßes (SUM) und Vergleich von dessen Aussagekraft mit der des Dysphonie-Schweregrad-Indexes (DSI).

Einleitung

Benigne Stimmlippenläsionen

Zur Gruppe der benignen Stimmlippenläsionen zählen Stimmlippenpolypen, Stimmlippenknötchen und Reinke-Ödeme. Polypen sind zumeist einseitige oberflächliche Schwellungen der Lamina propria, wohingegen Knötchen kleine beidseitige, symmetrische Läsionen sind, die oft bei Sängern diagnostiziert werden [1] [2]. Reinke-Ödeme sind eine Erkrankung des Stimmlippenrandes im Reinke-Raum, bei der es zu einer dauerhaften ein- oder beidseitigen Schwellung der oberflächlichen Lamina propria unterhalb des Stimmlippenepithels kommt [2] [3].

Die größten Einflussfaktoren bei der Entstehung sind chronischer Stimmmissbrauch sowie sekundär organische Veränderungen bei funktionellen Dysphonien [1] [4]. Bei Reinke-Ödemen besteht zudem eine starke Assoziation zum Rauchen [3] [5] [6]. Die Symptome sind Heiserkeit, rasche Stimmermüdung sowie ein reduziertes Stimmvolumen, was eine Beeinträchtigung der Lebensqualität nach sich zieht [4] [7]. Eine Operation ist indiziert, wenn Patienten unter der Dysphonie leiden und nicht ausreichend auf eine konservative Behandlung mit Stimmtherapie ansprechen [2] [4].


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Stimmumfangsmaß

Das in der klinischen Routinediagnostik noch nicht allgemein etablierte SUM wurde besonders berücksichtigt, um Daten zu seiner Validität und Empfindlichkeit bereitzustellen und seine Effizienz mit der etablierter Stimmparameter einschließlich des DSI zu vergleichen. Dieser basiert auf einer gewichteten Kombination aus höchstmöglicher Frequenz, niedrigster Intensität, maximaler Phonationszeit und Jitter, birgt dabei allerdings aufgrund der Einbeziehung mehrerer objektiver Parameter das Risiko ungenauer Ergebnisse [8].

Das auf der Basis von Stimmfeldfläche und -umfang berechnete SUM wurde als eindimensionales, auf einen Bereich von etwa 0 – 150 skaliertes, leicht anwendbares Maß zur objektiven Evaluation des Stimmumfangprofils (voice range profile, VRP) und zur Quantifizierung der stimmlichen Leistungsfähigkeit entwickelt [SUM ≈ Fläche (VRP)/rel. Umfang (VRP)] [9] [10]. Anders als bei der DSI-Berechnung wird das Ergebnis nicht durch extreme Messungen wie F0_max und I_min beeinflusst, die vermutlich auch durch Alter oder Geschlecht affektiert werden [11]. Eine große Stimmkapazität zeichnet sich durch ein hohes SUM aus.

Merke

Der Ton- und Dynamikumfang als Beschreibung der stimmlichen Leistungsfähigkeit wird durch das VRP grafisch und durch das SUM numerisch dargestellt.


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Studiendesign

Patienten

In einer prospektiven klinischen Studie wurden bei Patienten mit Polypen (n = 61), Knötchen (n = 37) und Reinke-Ödemen (n = 60) die funktionellen Ergebnisse der mikrolaryngoskopischen Abtragung untersucht, wofür die präoperative Stimmfunktionsdiagnostik mit den Daten 3 Monate postoperativ verglichen wurde [12] [13] [14]. Es wurde unterteilt nach Patienten, die ihre Stimme nicht professionell nutzten (Nicht professionelle Stimmbenutzer NSB; z. B. Angestellte), und Patienten, die ihre Stimme beruflich bedingt stark beanspruchten (Professionelle Stimmbenutzer PSB; z. B. LehrerInnen).


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Untersuchungsinstrumente

Die Befunde wurden anhand prä- und postoperativer Videolaryngostroboskopie (VLS) und Stimmfunktionsdiagnostik dokumentiert und ausgewertet.

Die VLS erlaubte bei den Reinke-Ödemen die Klassifizierung nach Yonekawa:

  • Typ I: Schwellung der Stimmlippenoberseite bei weit offener Glottis,

  • Typ II: Ausdehnung der Schwellung auf Stimmlippenober- und -unterseite,

  • Typ III: Verbleib lediglich einer kleinen Restöffnung im hinteren Bereich der Glottis.

Gesondert klassifiziert wurden Patienten mit Randödemen, die zu klein waren, um unter Typ I subsummiert zu werden.

Die auditiv-perzeptive Stimmbeurteilung erfolgte mittels RBH-Systematik [15], bei der die Rauigkeit, Behauchtheit und Gesamtheiserkeit auf einer Skala von 0 – 3 eingeordnet wird (0 = nicht vorhanden, 1 = mild, 2 = moderat, 3 = schwerwiegend).

Zur Quantifizierung des Einflusses der Stimmstörung auf die Lebensqualität sowie der Selbstwahrnehmung der Stimmveränderung wurde der Voice Handicap Index VHI-9i verwendet [16], der aus 9 Fragen mit einer Graduierung von 0 – 4 (0 = nie, 1 = fast nie, 2 = manchmal, 3 = fast immer, 4 = immer) besteht. Eine weitere Frage registrierte die gegenwärtig selbst wahrgenommene Stimmbeeinträchtigung (VHIs) auf einer Skala von 0 – 3 (0 = normal, 1 = mild, 2 = moderat, 3 = schwerwiegend).

Dem Protokoll der Europäischen Laryngologischen Gesellschaft entsprechend [17] wurden folgende Parameter zur objektiven quantitativen Stimmbeurteilung aufgezeichnet (DiVAS Software):

  • niedrigste Intensität (I_min)

  • höchster Ton (F0_max)

  • tiefster Ton (F0_min)

  • Stimmumfang (vocal range, VR)

  • mittlere Sprechstimmlage (MSL_dB(A), MSL_Hz)

  • Halbtöne bezogen auf die Hörschwelle von 16 Hz (ST_max, ST_min, ST_MSL)

  • maximale Phonationsdauer (MPT)

  • Jitter

  • DSI

  • SUM


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Ergebnisse

Präoperatives Assessment

Unter den Polypen-Betroffenen gab es 37 NSB und 24 PSB. Präoperativ ergab die auditiv-perzeptive Evaluation der Stimmen im Mittel R1B1H1. Im VHI-9i zeigte sich eine durchschnittliche Punktzahl von 15 (Standardabweichung (SD) = 8), entsprechend moderaten, selbst wahrgenommenen Beschwerden. Die objektiven akustischen und aerodynamischen Parameter zeigten ebenfalls eine mäßige Beeinträchtigung (z. B. MPT = 12 Sek (SD = 4); DSI = 2,6 (SD = 2,1); SUM = 83 (SD = 28)).

Auch in der Knötchen-Gruppe (NSB n = 13, PSB n = 24) zeigte die subjektive und objektive Analyse präoperativ eine leichte bis mäßige Beeinträchtigung (z. B. VHI-9i = 16 (SD = 7); DSI = 4,0 (SD = 2,4); SUM = 95 (SD = 27); MPT = 12,3 Sek (SD = 5,6)).

Bei den Patienten mit Reinke-Ödemen war der Großteil Raucher. 19 Ödeme wurden als Yonekawa Typ I (32 %), 29 als Typ II (48 %), 8 als Typ III (13 %), und 4 als Randödeme (7 %) klassifiziert. Die präoperative Analyse deckte signifikante Unterschiede zwischen den Untergruppen auf (p < 0,05) mit zunehmend schlechten Stimmparametern bei größerer Ödemausprägung. Die moderaten selbst erlebten Beschwerden wurden durch die erhobenen akustisch-aerodynamischen Parameter bestätigt (z. B. SUM = 64 (SD = 37); DSI = 0,5 (SD = 3,4); MPT = 9 Sek (SD = 5)).

Merke

Die Analyse der subjektiven und der objektiven akustischen und aerodynamischen Daten zeigte präoperativ bei allen Läsionen eine leichte bis mäßige Beeinträchtigung.


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Postoperatives Assessment

Alle laryngealen Läsionen konnten intraoperativ über direkte Mikrolaryngoskopie in Intubationsnarkose schonend entfernt werden. Postoperativ wurde den Patienten eine dreitägige Stimmruhe verordnet, gefolgt von Stimmrehabilitation und einer Beratung zur Stimmhygiene. Innerhalb des Nachbeobachtungszeitraumes wurden keine relevanten Nebenwirkungen oder Rezidive beobachtet.


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Stimmlippenpolypen

VLS-Untersuchungen zeigten, dass während der Heilung ein stabiles Epithel auf der erhaltenen Lamina propria wuchs, um den Defekt ohne Narbenbildung zu schließen.

Es konnten erhebliche Verbesserungen der Stimmfunktion beobachtet werden. Die auditiv-perzeptive Evaluation mittels RBH-System zeigte, dass die Stimmen weniger rau (1,1 (SD = 0,8) vs. 0,4 (SD = 0,5)), behaucht (0,8 (SD = 0,7) vs. 0,2 (SD = 0,4)) und heiser (1,1 (SD = 0,8) vs. 0,4 (SD = 0,5)) waren. Die subjektive Selbstbewertung der Stimme belegte mittels VHI-9i einen signifikanten Abfall von 15 (SD = 8) auf 6 (SD = 7) und mittels VHIs von 2 (SD = 1) auf 0 (SD = 1) Punkte.

Bei den objektiven Parametern verbesserten sich alle akustischen und aerodynamischen Werte außer Jitter und MSL_dB(A) signifikant (p < 0,001). Die mittlere MPT verlängerte sich von 12 (SD = 4) auf 16 (SD = 6) Sekunden. Der DSI stieg von 2,6 (SD = 2,1) auf 4,0 (SD = 2,2), das SUM von 83 (SD = 28) auf 107 (SD = 21). Der durchschnittliche Stimmumfang weitete sich von 22,2 (SD = 6,6) auf 26,5 (SD = 5,8) Halbtöne aus.

Ausgewählte Stimmparameter vor und nach chirurgischer Exzision werden mittels Boxplots und Kerndichtekurven in [Abb. 1] dargestellt.

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Abb. 1 Ausgewählte subjektive und objektive Parameter vor und nach Entfernung von Stimmlippenpolypen (präoperative [pre] vs. postoperativ [post]) im Vergleich via Boxplots (jeweils linksseitig, mit Darstellung von Median, Quartilen, Wertebereich der Daten, Ausreißern) und Kerndichtekurven (jeweils rechtsseitig, zur Darstellung unterschiedlicher Verteilungen). SUM: Stimmumfangsmaß; DSI: Dysphonie-Schweregrad-Index; MPT: mittlere Phonationsdauer (in Sekunden); VR: Stimmumfang (in Halbtönen).

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Stimmlippenknötchen

3 Monate postoperativ zeigte sich eine narbenfreie Heilung mit stabilem Epithel auf der erhaltenen Lamina propria. Dabei wurden signifikante Verbesserungen der Stimmfunktion für alle subjektiven und objektiven Parameter, abgesehen von MSL_dB(A) und Jitter, gefunden (p < 0,001). Die vergleichende RBH-Auswertung zeigte, dass die Stimmen weniger rau, behaucht und heiser waren. Die subjektive Selbsteinschätzung zeigte eine Abnahme der Beschwerden von mäßig auf mild. Das SUM stieg von 95 (SD = 27) auf 108 (SD = 23), der DSI von 4,0 (SD = 2,4) auf 5,5 (SD = 2,4). Die MPT verlängerte sich um 3,5 (SD = 6,0) Sekunden, die MSL_Hz sank um 0,5 (SD = 1,4) Halbtöne. Außerdem erweiterte sich der Stimmumfang von 23,6 (SD = 7,9) auf 27,7 (SD = 5,5) Halbtöne.


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Reinke-Ödeme

Alle Ödemtypen konnten abgetragen (39 /60) bzw. deutlich verkleinert (21 /60) werden. Die Durchgängigkeit der Glottis und die phonatorische Stimmlippenbeweglichkeit zeigten sich deutlich verbessert. Die Stimmlippenkante war bei den 39 Fällen mit vollständiger Abtragung (65 %) gänzlich glatt. Alle 21 Fälle mit Restödem (35 %) zeigte eine signifikante Verbesserung mit Yonekawa Typ I bei 18 (30 %) und Typ II bei 3 Patienten (5 %).

[Abb. 2] zeigt beispielhaft einen prä- und postoperativen VLS-, Videostrobokymografie- und VRP-Befund. 3 Monate postoperativ waren alle Stimmfunktionsparameter außer MSL_dB(A) signifikant verbessert (p < 0,001). In der auditiven Beurteilung waren die Stimmen signifikant weniger rau (2,0 (SD = 0,8) vs. 1,3 (SD = 0,7)), behaucht (1,2 (SD = 0,6) vs. 0,7 (SD = 0,6)) und heiser (2,0 (SD = 0,7) vs. 1,3 (SD = 0,7)). Im VHI-9i ergab sich ein deutliches Absinken des Beschwerde-Scores von durchschnittlich 18 (SD = 8) auf 12 (SD = 9) und im VHIs von 2 (SD = 1) auf 1 (SD = 1) Punkt. Der durchschnittliche Gesamtstimmumfang erweiterte sich um 4 (SD = 7) Halbtöne, die MSL_Hz stieg im Mittel um 2 (SD = 4) Halbtöne, sodass sich das Hauptmerkmal einer tiefen und heiseren Stimme hin zu einer normaleren Phonation geändert hatte. Die MPT erhöhte sich von durchschnittlich 9 (SD = 5) auf 11 (SD = 4) Sekunden. Der DSI stieg von 0,5 (SD = 3,4) auf 2,9 (SD = 1,9), das SUM von 64 (SD = 37) auf 88 (SD = 25).

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Abb. 2 Videolaryngostroboskopie und Videostrobokymografie (obere Zeile), sowie Stimmumfangsprofilmessung (VRP) mit separater Polygon-Darstellung (untere Zeile) bei einer 52-jährigen weiblichen Büroangestellten mit Reinke-Ödemen.
Links: Die Befunde präoperativ zeigen ein bilaterales Stimmlippenödem (Yonekawa Typ III). Die VRP-Hüllkurven des lautesten (schwarze Linie) und leisesten (blaue Linie) Singens demonstrieren einen kleinen Dynamik- und Frequenzbereich. Die Polygon-Darstellung (grüne Kästchen) bildet eine kleine VRP-Fläche ab (SUM = 60). Rechts: Die Befunde 3 Monate postoperativ zeigen eine komplette Abtragung der Ödeme, einen abgeschlossenen Heilungsprozess (narbenfrei), glatte Stimmlippenränder, einen kompletten Glottisschluss und normalisierte Stimmlippenoszillationen (reguläre und symmetrische Randkantenverschieblichkeit). Das VRP weist einen verbesserten Dynamik- und Frequenzbereich mit größerer VRP-Fläche und höherem Stimmumfangsmaß auf (SUM = 100).

Die Betrachtung der postoperativen Befunde für SUM, DSI und MSL_Hz nach Ödemsubtypen zeigte eine Konvergenz der therapeutischen Ergebnisse, wobei der präoperative Status das postoperative Outcome beeinflusste. Es zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen (p < 0,05), mit der größten mittleren Verbesserung bei Yonekawa Typ III.

Merke

Unabhängig von der Art der abgetragenen Pathologie offenbarte die VLS 3 Monate postoperativ einen vollständigen Glottisschluss und eine wiederhergestellte Randkantenverschieblichkeit der Stimmlippen. Zudem zeigen die postoperativen Ergebnisse für alle untersuchten Stimmlippenveränderungen eine bedeutende Verbesserung der Stimmfunktion mit effektiverer Phonation, alle subjektiven und objektiven Parameter außer Jitter und MSL_dB(A) verbesserten sich signifikant (p < 0,001).


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Vergleich zwischen professionellen und nicht professionellen Stimmbenutzern

Insgesamt fanden sich weniger ausgeprägte Befunde bei SängerInnen bzw. Personen, die in ihrem Beruf auf ihre Stimme angewiesen sind. Sie scheinen empfindlicher gegenüber pathologischen Veränderungen zu sein und konsultieren daher früher als Laien einen Phoniater. Präoperativ hatten PSB erwartungsgemäß eine signifikant bessere Stimmfunktion, veranschaulicht durch SUM, VR und F0_max. Im Gegensatz dazu unterschieden sich die VHI-9i-Scores nicht signifikant. Das bedeutet, dass PSB trotz besserer Stimmfunktion einen genauso großen Leidensdruck wie NSB verspürten. Postoperativ gab es außer für F0_max; ST_max und R keine signifikanten Unterschiede mehr und somit eine Konvergenz der Therapieergebnisse. Offensichtlich hatte die Operation einen größeren Einfluss auf die Stimmfunktion bei NSB. Für PSB verbesserten sich fast alle Parameter in Zahlen ausgedrückt weniger, jedoch wurde durch den Eingriff bei ausgebildeten Vokalisten die künstlerische Leistungsfähigkeit auf höchstem Niveau qualitativ wiederhergestellt.

Merke

Der präoperative Status beeinflusst das postoperative Ergebnis und führt zu einer Konvergenz der therapeutischen Ergebnisse: Die Verbesserung der Stimmfunktion durch die Operation ist quantitativ größer bei NSB und qualitativ größer bei PSB.


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SUM versus DSI

Der Vergleich des neuen Parameters SUM mit dem DSI lässt die Schlussfolgerung zu, dass sich diese beiden Parameter ergänzen. Beide Maße sowie auch ihre prä- und postoperativen Differenzen korrelierten hoch signifikant miteinander (p < 0,001). Während aber der DSI darauf abzielt, die Schwere der Dysphonie als negatives Kriterium zu beschreiben, ermöglicht das SUM eine Klassifizierung der stimmlichen Leistungsfähigkeit als positives Kriterium. Unsere Untersuchungen bestätigten auch Unterschiede zwischen beiden Parametern: Einige Patienten hatten vergleichbare DSI-Werte, jedoch unterschiedliche Stimmumfangsprofile mit unterschiedlichen SUM-Werten. Dies zeigt den signifikanten Einfluss der aufgezeichneten akustischen und aerodynamische Parameter in der multidimensionalen DSI-Berechnung. Aus diesem Grund war es sinnvoll, das SUM als objektiven und von diesen interagierenden Faktoren unbeeinflussten Parameter prüfend zu untersuchen. Die SUM-Berechnung vermeidet bewusst die Einbeziehung von störungsanfälligen Elementen wie Jitter und ist unabhängig von Tonhöhe und Stimmintensität.

Merke

SUM und DSI können als vergleichbar geeignete, sich ergänzende Parameter gesehen werden. Beide Parameter stiegen postoperativ an und korrelierten jeweils hoch signifikant miteinander (p < 0,001). Dabei ist das SUM im Gegensatz zum DSI weniger störungsanfällig und ermöglicht die Klassifizierung der stimmlichen Leistungsfähigkeit als positives Kriterium.


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Ausblick

Unsere Untersuchungen beschreiben das Ausmaß, in dem sich die Stimmparameter nach mikrolaryngoskopischer Resektion benigner Stimmlippenläsionen verändern. Die berechneten mittleren Differenzen zwischen prä- und postoperativen Werten sowie die 95 % Konfidenzintervalle zeigen quantitativ den exakten Umfang des operationsassoziierten Nutzens an. [Tab. 1] zeigt diese Werte beispielhaft für die Patienten mit Knötchen. Der sich daraus ergebende Bereich der Verbesserung von bspw. SUM, DSI, MPT, VR und VHI könnte als Referenzbereich für subjektive und objektive Erwartungswerte verwendet werden. Weitere Studien müssen zeigen, ob die Erweiterung dieser Datenbank mit prä- und postoperativen Werten zukünftiger Patienten präzisere Vorhersagen für den Stimmoutcome erlaubt. Das postoperative Erreichen präoperativ formulierter Erwartungswerte könnte zur Qualitätskontrolle nach phonomikrochirurgischer Entfernung benigner Stimmlippenläsionen dienen.

Tab. 1

Änderungen der Stimmparameter nach Abtragung von Stimmlippenknötchen. Datendarstellung als mittlere Differenzen der prä- und postoperativen Werte (linke Spalte) mit Angabe der jeweiligen 95 % Konfidenzintervalle (rechte Spalte).

Stimmparameter

Gesamtgruppe (n = 37)

Mittelwert

95 % KI

SUM

13,5

7,3; 19,8

DSI

1,4

0,9; 2,0

MPT

3,5

1,5; 5,5

VR

4,1

2,4; 5,9

I_min

−1,9

−3,0; −0,8

F0_max

100,9

46,0; 155,7

F0_min

−6,4

−12,8; 0

ST_max

3,4

1,8; 5,0

ST_min

−0,8

−1,6; 0

ST_MSL

−0,5

−1,0; 0

MSL_Hz

−5,0

−10,2; 0,2

MSL_dB(A)

0

−1,3; 1,2

Jitter

0,1

0; 0,1

R

−0,3

−0,6; –0,1

B

−0,4

−0,6; − 0,2

H

−0,4

−0,6; −0,2

VHI

−8,4

−10,7; −6,1

VHIs

−1,2

−1,5; 0,9

SUM: Stimmumfangsmaß; DSI: Dysphonie-Schweregrad-Index; MPT: maximale Phonationsdauer (maximum phonation time); VR: Stimmumfang (vocal range); I_min: niedrigste Intensität; F0_max: höchster Ton; F0_min: tiefster Ton; ST: Halbtöne (semitones) bezogen auf die Hörschwelle von 16 Hz (ST_max, ST_min, ST_MSL); MSL: mittlere Sprechstimmlage (MSL_dB(A), MSL_Hz); R: Rauigkeit; B: Behauchtheit; H: Heiserkeit (Gesamteindruck); VHI: Voice-Handicap-Index; VHIs: selbst wahrgenommene Stimmbeeinträchtigung (zum Befragungszeitpunkt).

Fazit

Die Ergebnisse lassen schlussfolgern, dass die mikrolaryngoskopische Abtragung der untersuchten benignen Stimmlippenläsionen bei korrekter Diagnosestellung, fachgemäßem Vorgehen während der Operation sowie bei regelrechtem postoperativem Verlauf eine sichere, quantifizierbare, subjektiv und objektiv höchst zufriedenstellende Therapie zur Stimmverbesserung darstellt. Der Parameter SUM zeigt signifikante Veränderungen bei phonomikrochirurgischer Behandlung und erweist sich als verständlicher und einfach anzuwendender neuer Parameter. Er weist eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem DSI auf und erscheint überaus geeignet, als Ergänzung zu anderen etablierten Stimmparametern die stimmliche Leistungsfähigkeit objektiv zu quantifizieren.


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Autorinnen/Autoren


Dr. med. Tatjana Salmen

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Frau Dr. med. Tatjana Salmen studierte Humanmedizin und promovierte an der medizinischen Fakultät Charité – Universitätsmedizin Berlin in der Klinik für Audiologie und Phoniatrie zum Einsatz des Stimmumfangsmaßes SUM (Betreuer: PD Dr. med. P. Caffier). Aktuell arbeitet sie als Assistenzärztin in der Pädiatrie in Wittenberg.


PD Dr. med. Philipp P. Caffier

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PD Dr. med. Philipp P. Caffier ist Oberarzt an der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité in Berlin. Zwei seiner Schwerpunkte sind Phonochirurgie und Musikermedizin. Als Facharzt für HNO-Heilkunde, Phoniatrie und Pädaudiologie hat er langjährige Erfahrung in der Diagnostik und Therapie von Patienten mit Stimmstörungen.

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. Philipp P. Caffier,
Klinik für Audiologie und Phoniatrie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Charitéplatz 1
10117 Berlin

  • Literatur

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Abb. 1 Ausgewählte subjektive und objektive Parameter vor und nach Entfernung von Stimmlippenpolypen (präoperative [pre] vs. postoperativ [post]) im Vergleich via Boxplots (jeweils linksseitig, mit Darstellung von Median, Quartilen, Wertebereich der Daten, Ausreißern) und Kerndichtekurven (jeweils rechtsseitig, zur Darstellung unterschiedlicher Verteilungen). SUM: Stimmumfangsmaß; DSI: Dysphonie-Schweregrad-Index; MPT: mittlere Phonationsdauer (in Sekunden); VR: Stimmumfang (in Halbtönen).
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Abb. 2 Videolaryngostroboskopie und Videostrobokymografie (obere Zeile), sowie Stimmumfangsprofilmessung (VRP) mit separater Polygon-Darstellung (untere Zeile) bei einer 52-jährigen weiblichen Büroangestellten mit Reinke-Ödemen.
Links: Die Befunde präoperativ zeigen ein bilaterales Stimmlippenödem (Yonekawa Typ III). Die VRP-Hüllkurven des lautesten (schwarze Linie) und leisesten (blaue Linie) Singens demonstrieren einen kleinen Dynamik- und Frequenzbereich. Die Polygon-Darstellung (grüne Kästchen) bildet eine kleine VRP-Fläche ab (SUM = 60). Rechts: Die Befunde 3 Monate postoperativ zeigen eine komplette Abtragung der Ödeme, einen abgeschlossenen Heilungsprozess (narbenfrei), glatte Stimmlippenränder, einen kompletten Glottisschluss und normalisierte Stimmlippenoszillationen (reguläre und symmetrische Randkantenverschieblichkeit). Das VRP weist einen verbesserten Dynamik- und Frequenzbereich mit größerer VRP-Fläche und höherem Stimmumfangsmaß auf (SUM = 100).