Definition
Der Knick-Platt-Fuß ist eine Fußdeformität, die durch eine Verminderung, Aufhebung
oder Umkehrung des Fußlängsgewölbes und Lateralabweichung des Rück- und Vorfußes in
unterschiedlichem Ausmaß charakterisiert ist.
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie und Pathogenese
Der Knick-Platt-Fuß kommt im Kindesalter bis etwa zum 5. Lebensjahr sehr häufig vor
und ist ohne Begleiterkrankungen in dieser Altersgruppe als benigne, ja physiologische
Deformität zu betrachten. Familiäre Disposition, Bandlaxizität und die Tendenz zur
Verkürzung der Wadenmuskulatur sind die häufigsten Ursachen stärkerer Knick-Platt-Füße.
Für die Aufrechterhaltung der Stabilität der Fußwurzel ist primär der Bandapparat
verantwortlich. Die Muskulatur hat die Aufgabe, extreme Stellungen zu begrenzen und
den Rückfuß beim Gangablauf kontrolliert zu verriegeln bzw. zu entriegeln. Die Wadenmuskulatur
wirkt je nach Stellung des Kalkaneus neutral, invertierend oder evertierend. Jede
Verkürzung der Wadenmuskulatur führt bei Belastung zu einer Abknickung des Rückfußes
(Pes valgus ab equino) mit Destabilisierung der Fußwurzel. Die Wadenmuskelverkürzung
kommt bevorzugt bei neurologischen Störungen vor. Seltenere Ursachen des Knick-Platt-Fußes
sind posttraumatische oder degenerative Veränderungen. Die Insuffizienz der Sehne
des M. tibialis posterior stellt besonders bei Erwachsenen eine häufige Ursache progredienter
Knick-Platt-Füße dar. Weitere Ursachen für die Entstehung von Knick-Platt-Füßen können
Entzündungen, angeborene Koalitionen der Fußwurzel und auch vorausgegangene Operationen
sein. Grundsätzlich sollte man zwischen einer primären Wadenmuskelverkürzung, die
zum kompensatorischen Aufbrechen der Fußwurzel in Valgusrichtung führt, und einer
sekundären Wadenmuskelverkürzung, die sich nach einer primären Destabilisierung des
Rückfußes einstellt, unterscheiden.
Klassifikation
Man trennt den primären (idiopathischen) vom sekundären Knick-Platt-Fuß. Nach dem
Schweregrad kann man außerdem den lockeren, den teilkontrakten und den kontrakten
Knick-Platt-Fuß unterscheiden. Für die Therapieentscheidung ist auch der Grad der
aktiven Aufrichtbarkeit im Zehenstand wichtig. Zur Auswahl der Operationstechnik(en)
ist das Ausmaß der jeweiligen Deformität in den 3 Ebenen (sagittal, frontal, transversal)
entscheidend ([Abb. 1]).
Abb. 1 a – d Darstellung der Deformität, die stets alle 3 Ebenen umfasst. Entscheidendes Prinzip
bleibt die Verlagerung des Schwerelots nach medial der Unterstützungsfläche.
OP-Prinzip
Für die operative Korrektur des Knick-Platt-Fußes existiert eine Unmenge verschiedener
Operationstechniken, sodass wir uns hier nur auf die Prinzipien konzentrieren können.
Flexible versus kontrakte Deformität
Eine flexible Deformität kann durch konturerhaltende knöcherne Operationen mit oder
ohne Gelenkstabilisierung behandelt werden.
Eine kontrakte Deformität erfordert in der Regel resezierende oder additive Korrekturarthrodesen.
Muskelverkürzung nach dem passiven Ausgleich der Deformität (M. triceps surae, Mm. peronaei)
In diesen Fällen muss die Muskulatur zusätzlich zur knöchernen Operation verlängert
werden ([Abb. 2]).
Abb. 2 a u. b Bei den meisten strukturellen Knick-Platt-Füßen wird nach Korrektur der Rückfußdeformität
eine Spitzfußdeformität demaskiert. Diese ist in die Behandlung mit einzubeziehen,
will man kein Rezidiv riskieren.
Welche Gelenke sind von der Instabilität betroffen?
Neben den Rückfußgelenken müssen insbesondere Instabilitäten am 1. Strahl gesucht
und ggf. ebenfalls stabilisiert werden (Navikulokuneiforme und Kuneiforme-Metatarsale-I-Gelenk;
[Abb. 3]).
Abb. 3 a u. b Die Instabilität kann beim Knick-Platt-Fuß auf einer oder mehreren Ebenen des Rück-
und Mittelfußes lokalisiert sein. Der Therapie sollte deshalb eine subtile Analyse
etwaiger Instabilitäten vorausgehen.
Das Operationsprinzip bleibt stets dasselbe: Zentrierung der Ferse unter die Tibia
zur neutralen Ausrichtung des Achillessehnenansatzes, Schaffung einer ausreichenden
Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk und Begrenzen bzw. Stabilisieren des instabilen
Rück- und Mittelfußes, damit die Wadenmuskulatur wieder auf einen stabilen Fußhebel
wirken kann. Der Fußöffnungswinkel (transversale Ebene) muss ebenso wie die Vorfußpronation
(sagittale Ebene) wiederhergestellt werden.
Indikation
Bei jedem trotz ausreichender konservativer Maßnahmen progredienten Knick-Platt-Fuß
ist die Indikation zur Operation zu überprüfen. Eine Verkürzung der Wadenmuskulatur
und beginnende artikuläre Veränderungen im Röntgenbild (Talonavikulargelenk) können
eine Operationsindikation unterstützen.
Persistierende druckschmerzhafte Schwielen am Fußinnenrand und Schmerzen lateral zwischen
Fibulaspitze und Kalkaneus sind für die Indikationsstellung ebenfalls hilfreich.
Eine fehlende aktive Stabilisierung des Fußhebels zur Abstoßphase des Ganges stellt
eine sichere Operationsindikation dar.
Kontraindikation
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Fußdeformität ohne Instabilität
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Verbesserung durch konservative Maßnahmen
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keine Druckstellen, keine Beschwerden
-
normales Schuhwerk möglich
Spezielle Patientenaufklärung
Spezielle Patientenaufklärung
Postoperativ sind für etwa 1 Jahr Orthesen oder spezielles Schuhwerk erforderlich,
bei Arthrodesen besteht das Risiko späterer Anschlussarthrosen, ein Rezidiv ist ebenso
möglich wie die Überkorrektur.
OP-Planung
Beginn der Korrektur im Rückfuß, bei zusätzlicher Instabilität des Vorfußes anschließende
Korrektur in diesem Bereich. Nach der Rückfußkorrektur kommt es bei kontrakten Deformitäten
zur Supinationsstellung des Vorfußes, die durch eine pronierende Osteotomie/Arthrodese
korrigiert werden muss ([Abb. 4]). Bei unzureichender oder fehlender muskulärer Stabilisierung muss ossär stabilisiert
werden.
Abb. 4 a u. b Eine strukturelle Knick-Platt-Fuß-Deformität offenbart nach der Korrektur des Rückfußes
eine Vorfußsupinationsstellung, die ebenfalls therapiert werden sollte, wenn sie strukturell
ist.
OP-Technik
Beim flexiblen Knick-Platt-Fuß sind folgende Verfahren sinnvoll:
Durchführung
Kalkaneusverlängerungsosteotomie nach Evans
Durch die Einfügung eines 0,5 – 1,5 cm breiten Keils in den vorderen Kalkaneus wird
die laterale Fußsäule verlängert, das Talonavikulargelenk rezentriert und der Rückfuß
invertiert. Bei Erwachsenen bietet sich alternativ die Distraktionsarthrodese des
Kalkaneokuboidgelenks durch Einfügung eines 1,0 – 1,5 cm messenden Keils an. Die Rückfußinversion
lässt sich auch durch die nach medial (1,0 cm) und plantar verschiebende Osteotomie
des dorsalen Kalkaneusabschnitts mit dem Achillessehnenansatz (OP nach Gleich) behandeln
([Abb. 5]). Für die Keileinfügung empfehlen wir autologe Beckenkammspäne. Die Fixation kann
mit Schrauben oder Kirschner-Drähten erfolgen. Im Kindesalter kommt bei instabilen
Rückfüßen entweder die extraartikuläre Fusion von Talus und Kalkaneus nach Grice (besonders
bei neurologischen Knick-Platt-Füßen) oder die Begrenzung des Talusvorschubs durch
eine Schraubenarthrorise am Vorderrand des hinteren unteren Sprunggelenks in Betracht.
Eine begleitende Instabilität des medialen Fußrands oder eine nach der Rückfußkorrektur
demaskierte Vorfußsupination wird durch eine plantarflektierende Arthrodese des Navikulokuneiforme
oder des Gelenks des Os cuneiforme Metatarsale I behandelt (Lapidus-Arthrodese). Schwere
Instabilitäten im Erwachsenenalter lassen sich durch die Subtalar-, die Chopart-Gelenk-
oder die additive Tripelarthrodese korrigieren, bei der simultan immer alle 3 Ebenen
gerade gestellt werden müssen [Abb. 6]). Kontrakte Knick-Platt-Füße müssen vor der achsgerechten Einstellung zuerst vollständig
gelöst werden. Dazu eignet sich die quergestellt T-förmige Mobilisierung (Osteotomie)
des subtalaren und des Chopart-Gelenks, analog dem Zugang zur Tripelarthrodese. Die
Ausrichtung erfolgt dann wieder in 3 Ebenen unter Einstellung der Ferse unter die
Tibia (Frontalebene), korrektem Fußöffnungswinkel (Transversalebene) und balancierter
Wiederherstellung der Vorfußpronation (Sagittal- und Frontalebene).
Abb. 5 Korrektur einer kindlichen Knick-Platt-Fuß-Stellung durch eine Kombination aus Kalkaneusverlängerungsosteotomie
(Evans) und Kalkaneusverschiebeosteotomie (Gleich). Normalfuß (a), Operationsprinzip (b und c).
Abb. 6 Prinzip der Aufrichtung eines instabilen unteren Sprunggelenks (a) durch subtalare Fusion oder Talonavikulare- bzw. Chopart-Gelenk-Arthrodese (b und c).
Tipps und Tricks
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Zur Indikationsstellung sind immer Röntgenaufnahmen im Stehen erforderlich. Das Ablaufmuster
der Schuhe ist ebenfalls hilfreich.
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Die Korrektur einer nach Knick-Platt-Fuß-Korrektur demaskierten Wadenmuskelverkürzung
oder/und Vorfußsupination ist immer erforderlich. Ein alleiniger Weichteileingriff
zur Knick-Platt-Fuß-Korrektur führt in nahezu allen Fällen zum Misserfolg. Eine etwaige
Instabilität des Fußinnenrands ist zu berücksichtigen.
Häufige Fehler und Gefahren
Häufige Fehler und Gefahren
Unzureichende Primärkorrektur, insbesondere wenn nicht alle Komponenten der Deformität
berücksichtigt wurden. Die Überkorrektur in den Klumpfuß ist besonders bei der OP
nach Evans oder Grice möglich und muss revidiert werden (knöchern).
Alternativmethoden
Die Orthesen- oder Orthopädieschuhtechniken sind bei leicht- und mittelgradigen Deformitäten
sinnvolle Alternativmethoden zur Operation.
Nachbehandlung
4 – 5 Wochen Unterschenkelliegegips, anschließend für weitere 4 – 5 Wochen Unterschenkelgehgips,
dann für 1 Jahr orthopädische Schuhe oder Unterschenkelorthesen, um einen schleichenden
Korrekturverlust zu vermeiden.
Ergebnisse
Die Beurteilung der Ergebnisse muss sich am Schweregrad des Ausgangsbefunds orientieren.
Stets sind allerdings die plantigrade Fußstellung, die Schmerzfreiheit und die ausreichende
Beweglichkeit und Kraft im oberen Sprunggelenk zu fordern.
Verschiedene Scores (z. B. der AOFAS-Score oder der Maryland-Foot-Score) stehen zur
Bewertung zur Verfügung. Sicherlich sind dynamische Methoden zur Indikationsstellung
und zur Verlaufskontrolle die bessere Alternative (dynamische Pedobarografie; Ganganalyse,
Videodokumentation).
Erstveröffentlichung
Ewerbeck V, Wentzensen A, Grützner PA et al., Hrsg. Standardverfahren in der operativen
Orthopädie und Unfallchirurgie. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014: 702 – 708