Schlüsselwörter
Digitalisierung - Zahnmedizin - digitale Volumentomografie - Intraoralscanner - Implantatchirurgie
Abkürzungen
CT:
Computertomografie
DLP:
Digital Light Processing
DVT:
digitale Volumentomografie
SLA:
Stereolithografie
SLM:
selektives Laserschmelzen
Digitale Bildgebung
Die allgemeine digitale Prozesskette ist in [Abb. 1] dargestellt.
Abb. 1 Übersicht über den digitalen Workflow für die präoperative digitale Planung bis zur
geführten Implantatinsertion.
Mit der digitalen Bildgebung werden virtuelle Bilder bzw. Modelle eines Patienten
für die Behandlungsplanung in der zahnärztlichen Implantologie erstellt. Für die Darstellung
der knöchernen Strukturen werden Röntgentechniken angewendet. Die dreidimensionale
Röntgentechnik umfasst die Computertomografie (CT) oder die digitale Volumentomografie
(DVT). Die DVT gilt als Goldstandard in der implantologischen Behandlungsplanung.
Bildartefakte können in der CT und in der DVT zu einer unzureichenden Darstellung
der Zahnoberfläche führen. Weiterhin ist die Darstellung der Schleimhautoberfläche
nicht möglich. Für eine vollständige virtuelle Darstellung des Kieferknochens und
der Zähne werden daher dreidimensionale Röntgentechniken mit der optischen Oberflächenbildgebung kombiniert.
Merke
Für die digitale Implantatplanung sind immer eine DVT/CT und ein Oberflächenmodell
der Zähne und Schleimhaut erforderlich.
Die dreidimensionale Darstellung der Zahn- und Schleimhautoberfläche in einem virtuellen
Modell wird mit optischen Techniken aufgenommen. Diese virtuellen Oberflächenmodelle
können mit Intraoralscannern unmittelbar intraoral generiert werden. Alternativ werden extraorale optische Aufnahmen
von Gipsmodellen mit dem Modellscanner digitalisiert, die mit einer konventionellen Situationsabformung hergestellt wurden.
Anhand dieser Daten ist es dem Zahnarzt bzw. dem Zahntechniker in Rücksprache mit
dem Zahnarzt schon vor der Implantatinsertion möglich, eine prothetische Planung virtuell
durchzuführen.
Digitale Volumentomografie
In welchen Indikationen wird die dreidimensionale Bilddiagnostik mit der DVT empfohlen?
Die Anfertigung einer DVT exponiert die Patienten mit ionisierender Strahlung. Deren
potenziell schädliche Wirkung bedingt, dass die Auswahl der rechtfertigenden Indikation
für eine DVT von großer Bedeutung ist. Folgende Indikationen werden u. a. für die
DVT empfohlen [1]:
-
bei deutlichen anatomischen Abweichungen in der sagittalen/transversalen/vertikalen
Ebene in Form bzw. Kieferrelation (unter sich gehende Alveolarfortsatzbereiche, Alveolarfortsatzatrophie,
Kieferhöhlensepten),
-
bei speziellen chirurgischen/prothetischen Therapiekonzepten wie Sofortversorgung,
navigationsgestützte Implantologie, komplexe interdisziplinäre Therapiekonzepte,
-
bei unsicherer (2-D-)Darstellung anatomisch wichtiger Nachbarstrukturen oder bei pathologischen
Veränderungen mit weitergehendem Klärungsbedarf,
-
bei Komplikationen nach Implantation oder Augmentation,
-
bei Vorerkrankungen oder Voroperationen der Kieferhöhle mit möglichem Einfluss auf
die Implantatversorgung im Oberkieferseitenzahnbereich.
Die DVT wird in der Zahnheilkunde häufiger als die CT genutzt, da sie eine geringere
Strahlenbelastung als die CT, kurze Aufnahmezeiten und eine hohe Auflösung bietet.
Durch die individuelle Anpassung des Aufnahmevolumens, der Rotation der Gantry (Röntgen-
und Detektoreinheit) und der Voxelgröße können diese Parameter zusätzlich beeinflusst
werden. DVT-Geräte benötigen weniger Platz als CT-Geräte und ermöglichen die Aufnahme
in einer sitzenden, liegenden oder stehenden Position des Patienten ([Abb. 2]).
Abb. 2 Vorteile der digitalen Volumentomografie (DVT) gegenüber der Computertomografie (CT)
für die Diagnostik im Bereich der dentalen Implantologie.
Relevante Dimensionen der DVT – was ist genau?
Die Darstellungsqualität der DVT ist durch Artefakte limitiert, die durch Bewegungen
des Patienten und durch die Streuung von Strahlen im Bereich von Metallrestaurationen
entstehen. Die Auflösung einer DVT entspricht in der klinischen Anwendung aufgrund
von Artefakten nicht der einstellbaren Größe einer Volumeneinheit (Voxelgröße). Unter
Berücksichtigung der genannten Artefaktbildung können Strukturen von mind. 0,5 mm
Größe mit der DVT dargestellt werden [2].
Die DVT ermöglicht im Vergleich zur CT keine qualitative Auswertung von Grauwerten.
In der CT können Hounsfield-Einheiten angewendet werden, die für viele Gewebe standardisiert
sind. In der DVT sind die Grauwerte nicht standardisiert und werden von vielen Faktoren
beeinflusst [3].
Die systematische Auswertung von Arbeiten, die den Messfehler in der DVT untersucht
haben, hat durchschnittliche Abweichungen von ca. 1 mm dokumentiert. Daraus wird die
Empfehlung abgeleitet, bei der Implantatplanung einen Sicherheitsabstand von 2 mm
zwischen vitalen anatomischen Strukturen und geplanten Implantaten einzuhalten [4]. Neben der DVT werden auch die optische Oberflächenbildgebung, Softwaresysteme für
die virtuelle Implantatplanung und die Herstellung von Bohrschablonen als Faktoren
für Ungenauigkeiten bei der geführten Implantatinsertion betrachtet [5].
Merke
Bei der Implantatplanung in der DVT sollte ein Sicherheitsabstand von 2 mm zwischen
den Implantaten und vitalen anatomischen Strukturen eingehalten werden.
Optische Oberflächenbildgebung
Für die Herstellung von virtuellen Modellen wird die Zahn- und Schleimhautoberfläche
mit optischen Technologien aufgenommen. Intraorale Scanner realisieren die direkte
Aufnahme in der Mundhöhle. Alternativ können Gipsmodelle, die mit konventionellen
Abformungen hergestellt wurden, mit Modellscannern aufgenommen werden ([Abb. 3]).
Abb. 3 Virtuelle Modelle der Zahn- und Zahnfleischoberfläche werden durch das Scannen von
Gipsmodellen oder durch einen direkten intraoralen Scan erstellt.
Digitale intraorale Abformung
Digitale intraorale Abformungen werden mit Intraoralscannern aufgenommen, unmittelbar
nach der Aufnahme auf dem Bildschirm angezeigt und können auf diese Weise direkt kontrolliert,
ggf. durch weitere Aufnahmen ergänzt und an das Labor weitergeleitet werden. Entgegen
der konventionellen Abformungen mit Löffeln und Abformmassen entfallen bei der digitalen
Abformung die Auswahl eines Löffels, eine mögliche Verwindung des Abformmaterials
während oder nach der Abformung und eine Ungenauigkeit des Modells durch die Expansion
des Gipses. Weiterhin entfällt der Versand von Abformungen und Modellen. Die intraorale
digitale Abformung beinhaltet wie die konventionelle Abformung Ungenauigkeiten. Diese
Ungenauigkeiten treten patientenspezifisch durch einen eingeschränkten Platz in der
Mundhöhle, durch Feuchtigkeit, Speichelfluss und den Schluckreflex auf.
Das Scanprotokoll des Intraoralscans umfasst den Pfad, mit dem das Handstück über
die Zahnreihe geführt wird, und weitere Besonderheiten, wie z. B. die Puderapplikation
oder die Verwendung eines Lippenretraktors.
Tab. 1 Gegenüberstellung Intraoralscan – konventionelle Abformung.
Intraoralscan
|
konventionelle Abformung
|
direkte Aufnahme ohne labortechnische Zwischenschritte und elektronischer Versand
an Labor
|
labortechnische Modellherstellung und ggf. Versand von Abformungen und Modellen zw.
Labor und Behandler
|
Korrekturmöglichkeiten durch unmittelbare Darstellung eines virtuellen Modells
|
keine Korrektur einer Abformung möglich, ggf. vollständige Wiederholung notwendig
|
kostenintensives Equipment
|
geringe Kosten für Abformmaterialien
|
Erlernen einer neuen Technik erforderlich
|
Technik der konventionellen Abformung liefert mit Erfahrung zuverlässige Ergebnisse
|
Genauigkeit von Intraoralscans in vivo für viele Indikationen nicht belegt
|
Genauigkeit von konventionellen Abformungen für viele Indikationen nachgewiesen
|
Scanpfad Für jeden Intraoralscanner wird vom Hersteller ein spezieller Scanpfad empfohlen,
der grundsätzlich eingehalten werden sollte. Die Software des Scanners reiht der Vorgabe
entsprechend die aufgenommenen Einzelbilder zu einem gesamten Bild des Kiefers zusammen.
Durch das Absetzen und erneute Ansetzen des Scanners wird die Aneinanderreihung erschwert,
sodass der durchgängige Scan empfohlen wird. Von vielen Anwendern wird eine Lernkurve
des Intraoralscans beschrieben, die sich insbesondere auf das Handling des Scanners
und die Einhaltung des Scanpfads bezieht. Es sind bisher keine wissenschaftlichen
Arbeiten publiziert, in denen die Genauigkeit intraoraler Scans mit unterschiedlichen
Scanpfaden in vivo untersucht wurde.
Puderapplikation/Oberflächenkonditionierung Die Notwendigkeit zur Puderapplikation wird durch die optische Scantechnologie des
Systems vorgegeben. Das Scanpuder besteht aus Titanoxidpartikeln, die durch ihren
mattierenden Effekt eine gleichmäßigere Reflexion des vom Intraoralscanner projizierten
Lichtstrahls erreichen. Hierfür ist es erforderlich, dass eine gleichmäßige, deckende
Puderschicht vorhanden ist (Scantechnologie: Passive Triangulation, System: Cerec
Bluecam, Sirona). Für eine andere Intraoralscantechnologie wirken die Partikel als
zufällig verteilte Landmarken auf der Zahn- und Zahnfleischoberfläche, sodass hier
keine deckende Schicht, sondern nur ein dünner Film erforderlich ist (Scantechnologie:
Wave Front Sampling, System: True Definition, 3M Espe). Die Wahl zwischen Puderapplikation
oder Scannen der unkonditionierten Oberfläche sollte entsprechend der Vorgaben des
jeweiligen Intraoralscansystems erfolgen. Intraoralscanner der neueren Generation
verwenden zunehmend Technologien, bei denen keine Puderapplikation mehr erforderlich
ist.
Dateiformate Intraoralscans nehmen ein Modell der Zahn- und Zahnfleischoberfläche auf, das entweder
einfarbig ist oder die Farbe der intraoralen Strukturen wiedergibt ([Abb. 4]). Systeme, die eine Puderapplikation voraussetzen, zeigen ein einfarbiges Modell,
während puderfreie Systeme auch Farbinformationen aufnehmen können. Die Technologie
zur Aufnahme der Farbinformation ist jedoch nicht bei allen puderfreien Systemen verfügbar.
Durch die Farbinformation wird ein fotorealistisches Bild angezeigt, in dem Software-gestützt
auch die Zahnfarbe bestimmt werden kann. Eine Validierung der Genauigkeit dieser Art
der Zahnfarbenbestimmung ist bisher nicht verfügbar.
Abb. 4 Intraoralscan des Oberkiefers, der entweder monochrom oder mit Textur aufgenommen
werden kann. Der monochrome Intraoralscan enthält Oberflächeninformationen, die im
STL-Format gespeichert werden. Für die Speicherung von Farbinformationen sind spezielle
Dateiformate erforderlich.
a Monochrome Aufnahme.
b Aufnahme mit Textur.
Ein universelles Format für Oberflächenmodelle ist das STL-Format. Wenn die Farbe
der Oberfläche (Textur) mitgespeichert wird, ist ein anderes universelles Dateiformat
erforderlich (z. B. OBJ-Format). Bei den jeweiligen Intraoralscannern sind ggf. systemspezifische
Dateiformate vorhanden.
Genauigkeit von Intraoralscans Beim Intraoralscan werden viele einzelne Bilder der Zahnoberfläche aufgenommen, die
anhand von übereinstimmenden Bereichen zu einem gesamten Modell des Zahnbogens zusammengefügt
werden. Die Genauigkeit des gesamten Modells, also die Übereinstimmung des Scans mit
der tatsächlichen Situation im Mund, ist von der Genauigkeit der Überlagerung der
Einzelbilder abhängig.
Bisherige Studien haben in vivo insbesondere die Wiederholungsgenauigkeit (Präzision)
von Intraoralscans untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass Intraoralscans größerer
Areale (ganze Kiefer) eine geringere Präzision hatten (Abweichungen 43 – 83 µm) als
Intraoralscans von einzelnen Quadranten (Abweichungen 22 – 49 µm). Dieses Ergebnis
wurde damit erklärt, dass für ein größeres Areal eine höhere Anzahl von Einzelbildern
überlagert wird [6], [7].
Indikationen Neben der Herstellung von virtuellen Situationsmodellen (Oberflächenmodellen) werden
optische Verfahren auch für die Aufnahme der Implantatposition (virtuelles Implantatmodell)
verwendet. Die optische Oberflächenbildgebung ermöglicht die Aufnahme eines Scankörpers,
der im Implantat verankert ist und somit die intraossäre Position des Implantats anzeigt.
Zähne und Scankörper können durch ihre charakteristische Oberfläche von einem Intraoralscanner
erkannt und abgebildet werden. Die Schleimhaut, insbesondere die bewegliche Schleimhaut
des Vestibulums und des Mundbodens, wird mit Intraoralscannern nicht reproduzierbar
aufgenommen [8].
Die Indikationen für eine digitale intraorale Abformung in der Implantologie umfassen
somit die Herstellung von Situationsabformung für die Behandlungsplanung und die Anfertigung
von implantatgetragenem Zahnersatz auf Einzelzahnimplantaten. Für einen quadranten-
bzw. kieferübergreifenden Zahnersatz auf Implantaten gibt es derzeit keine evidenzbasierten
Empfehlungen [9].
Merke
Intraoralscans können in der Implantologie derzeit für die Erstellung von Situationsmodellen
für die Behandlungsplanung und für die digitale Abformung und Versorgung von Einzelzahnimplantaten
mit adäquater Genauigkeit verwendet werden.
Extraorale optische Aufnahme von Modellen
Für die Nutzung der digitalen Prozesskette müssen keine Intraoralscans angefertigt
werden. Alternativ können Gipsmodelle mit konventionellen Abformungen hergestellt
werden, die in einem weiteren Schritt mit einem Modellscanner digitalisiert werden.
Die daraus entstehenden virtuellen Modelle stehen wie Intraoralscans in einem universellen
Dateiformat (STL-Format) zur Verfügung und können somit in den digitalen Arbeitsablauf
integriert werden. Die Vorteile des Intraoralscans, die durch die direkte intraorale
Digitalisierung entstehen, werden auf diesem Weg nicht genutzt. Ungenauigkeiten, die
sich durch die konventionelle Abformung und Modellherstellung ergeben, werden nicht
umgangen. Die Aufnahme eines Modells im Modellscanner (Abweichung ≈ 10 µm) ist jedoch
im Vergleich zum Intraoralscan (Abweichung ≈ 50 µm) genauer [10].
Digitale intraorale Abformung von Implantaten
Durch die konventionelle Implantatabformung mit Abformpfosten wird die Position des
Implantats mit dem periimplantären Weichgewebe auf das Meistermodell übertragen. Die
optische Oberflächenbildgebung ermöglicht die Aufnahme eines Referenz- bzw. Scankörpers,
der analog zu einem Abformpfosten die intraossäre Position eines Implantats anzeigt.
Für den weiteren Arbeitsablauf kann die Herstellung des Zahnersatzes digital in einer
Software erfolgen, ohne dass ein physisches Modell hergestellt wird. Alternativ wird
auf der Basis der digitalen Abformung ein Meistermodell gedruckt oder gefräst und
das Implantatanalog eingesetzt. Der weitere Herstellungsprozess kann auf diese Weise
am Modell erfolgen.
Intraoralscans von Implantaten in Einzelzahnlücken weisen eine hohe Genauigkeit auf
und sind hierzu mit konventionellen Abformmethoden vergleichbar.
Ein kritischer Punkt bei der digitalen Abformung von Implantaten ist das periimplantäre
Weichgewebe – das Emergenzprofil. Bei der konventionellen Implantatabformung wird
das vorgeformte Emergenzprofil durch individualisierte Abformpfosten auf das Meistermodell
übertragen. Scankörper für die digitale Implantatabformung sind konfektioniert und
haben häufig eine zylindrische Form, die keine Unterstützung des Emergenzprofils ermöglicht.
Das ursprünglich ausgeformte Weichgewebe kollabiert nach kurzer Zeit und wird daher
in veränderter Form optisch aufgenommen. Im ästhetischen Bereich oder bei komplex
ausgeformtem Weichgewebe ist die Indikation für eine digitale Abformung des Implantats
mit einem Scankörper ohne vorherige Individualisierung eingeschränkt [11].
Digitale Implantatabformungen können unmittelbar nach der Implantatinsertion oder
während bzw. nach der Freilegung erfolgen ([Abb. 5]). Da optische Verfahren berührungslos sind, wird kein Abformmaterial in den Operationssitus
eingebracht. Die intraoperative digitale Abformung kann ausschließlich mit puderfreien
Intraoralscanner durchgeführt werden. Bei persistierender Blutung können jedoch Ungenauigkeiten
bei der optischen Abformung auftreten.
Merke
Implantate werden mit Scankörpern analog zu Abformpfosten optisch abgeformt. Nach
der individuellen Ausformung des Emergenzprofils sollten Scankörper individualisiert
werden, um die Schleimhautkontur im digitalen Modell wiederzugeben.
Abb. 5 Situation nach Freilegung des Implantats in Regio 11 und Fixierung eines Scankörpers
für die digitale Abformung.
a Intraoperative Ansicht.
b En-face-Ansicht des Intraoralscans mit Scankörper.
c Okklusale Ansicht des Intraoralscans mit Scankörper.
Merke
Puderfreie Intraoralscansysteme ermöglichen die intraoperative optische Implantatabformung.
Computergestützte Implantatplanung
Computergestützte Implantatplanung
Fallbeispiel 1
Implantatplanungssoftwares und Schnittstellen zu Dental-CAD-Software
Die computergestützte Implantatplanung kann mit unterschiedlichen Programmen/Softwarelösungen
durchgeführt werden. In Abhängigkeit vom verwendeten Implantatsystem wird eine firmeneigene
Lösung oder jene eines Drittanbieters ausgewählt.
Die Firma Dental Wings (Dental Wings Inc., Montreal, Kanada) bietet die Implantatplanungssoftware
coDiagnostiX® an. Sie umfasst die Planung von Implantaten und das Design von Bohrschablonen. Die
Schnittstelle zur Software für die prothetische Planung DWOS CAD wird durch DWOS Synergy
angeboten. Die Implantatplanung in coDiagnostiX und die prothetische Planung in DWOS
CAD können simultan auf zwei Benutzeroberflächen bearbeitet und wechselseitig aneinander
angepasst werden.
Eine ähnliche Lösung bietet die Software Implant Studio® von 3Shape (3Shape A/S, Kopenhagen, Dänemark). Das prothetische Design wird mit der
Laborsoftware Dental System® von 3Shape durchgeführt, exportiert und mit der Implantatplanungssoftware Implant
Studio importiert. Nach der Implantatplanung wird mit einfachen Werkzeugen eine Bohrschablone
gestaltet und an die Produktion (CAM) weitergeleitet ([Abb. 6]).
Abb. 6 Fallbeispiel 1.
a Darstellung der Situationsmodelle eines Patienten mit einer zahnbegrenzten Lücke in
Regio 24 – 25.
b Mit der Laborsoftware Dental System® von 3Shape wird eine digitale Aufstellung angefertigt.
c Diese Aufstellung wird in der Implantatplanungssoftware Implant Studio® für die Implantatplanung berücksichtigt.
Siehe Fallbeispiel 1.
Nach der Datenakquisition beginnt die softwaregestützte Planung von Implantaten. Hierfür
steht eine Vielzahl von Softwaresystemen zur Verfügung. Die Planung folgt einem festgelegten
Ablauf, der mit Modifikationen in jeder Software enthalten ist. Die Implantatplanung
kann vom behandelnden Zahnarzt, von einem Zahntechniker oder von einem spezialisierten
Zentrum in Zusammenarbeit mit dem Behandler durchgeführt werden. Bei der Übergabe
der Patientendaten an einen Zahntechniker oder einen externen Spezialisten obliegt
die Verantwortung dem behandelnden Zahnarzt, der die Arbeitsschritte kontrolliert
und freigibt:
-
prothetische Implantatplanung,
-
Darstellung eines Oberflächenmodells der DVT-Daten (Segmentierung),
-
Überlagerung von DVT und Intraoralscan (Registrierung),
-
Darstellung von zweidimensionalen Schnittbildern in axialer, transversaler und tangentialer
implantatzentrierter Ansicht,
-
Auswahl und Positionierung des Implantats und Messung der Abstände zu relevanten anatomischen
Strukturen,
-
Auswahl des gewünschten chirurgischen Protokolls (geführte Pilotbohrung, vollständig
geführte Implantatbettaufbereitung und Implantatinsertion),
-
virtuelle Gestaltung der Bohrschablone,
-
computergestützte Herstellung der Bohrschablone.
Digitale prothetische Implantatplanung
Die digitale Prozesskette bietet unterschiedliche Möglichkeiten für die Planung einer
implantatgetragenen Restauration. Die prothetische Planung erfolgt vor der eigentlichen
Implantatplanung, da die Implantatposition sowohl nach der Anatomie des Knochens als
auch nach der prothetischen Restauration ausgerichtet sein sollte.
Folgende Möglichkeiten stehen für die prothetische Implantatplanung zur Verfügung
([Tab. 2]):
-
Optischer Scan eines bestehenden suffizienten Provisoriums,
-
Anfertigung eines Duplikats des bestehenden Provisoriums in röntgenopakem Material
zur Verwendung als Röntgenschablone. Beim zahnlosen Patienten kann dies mukosagetragen
sein oder durch (provisorische) Implantate unterstützt werden.
-
Wachsaufstellung und optischer Scan einer Wachsaufstellung,
-
Anfertigung einer Wachsaufstellung, Überführung der Aufstellung in eine Röntgenschablone
für die DVT,
-
digitale Zahnaufstellung.
Wenn ein optischer Scan eines bestehenden Provisoriums für die Implantatplanung genutzt
wird, kann dieses entweder mit einem Intraoralscan oder mit einem Modellscan aufgenommen
werden. Beim Modellscan wir eine konventionelle Abformung mit eingegliedertem Provisorium
angefertigt und ein Gipsmodell hergestellt, das mit einem Modellscanner digitalisiert
wird. Sowohl für den Intraoralscan als auch für den Modellscan sollte sowohl eine
Situationsabformung ohne Provisorium und eine zweite Abformung mit Provisorium erfolgen.
Die Voraussetzung dafür, dass das Provisorium für die Implantatplanung genutzt wird,
ist dessen unter ästhetischen und funktionellen Aspekten betrachtete, korrekte Position
und Ausformung.
Bei einer notwendigen Korrektur des Provisoriums sollte eine Wachsaufstellung angefertigt
werden und die korrekte Position und Ausformung der Aufstellung im Mund des Patienten
überprüft werden. Danach kann der optische Modellscan der Wachsaufstellung auf dem
Patientenmodell erfolgen.
Alternativ zum optischen Scan kann durch das Doublieren des Provisoriums oder der
Wachsaufstellung eine Röntgenschablone hergestellt werden. Eine Röntgenschablone wird
aus Kunststoff hergestellt, der im Bereich der Zahnkronen mit röntgenopakem Bariumsulfat
angereichert ist. Die Röntgenschablone wird während der DVT getragen und sollte eine
gute Passung und Stabilität aufweisen. Die Position und Ausformung des geplanten Zahnersatzes
werden in der DVT angezeigt und können im weiteren Arbeitsablauf für die Implantatplanung
genutzt werden.
Tab. 2 Darstellung der Voraussetzungen und Arbeitsschritte für die virtuelle prothetische
Planung.
Voraussetzungen
|
Arbeitsschritte
|
optischer Scan des Provisoriums
|
ästhetisch u. funktionell adäquates Provisorium
|
Intraoralscan der Situation
|
Intraoralscan mit Provisorium
|
|
|
Abformung/ Modellherstellung/Modellscan Situationsmodell
|
Abformung/ Modellherstellung/Modellscan mit Provisorium
|
Überführung Provisorium in Röntgenschablone
|
ästhetisch u. funktionell adäquates Provisorium
|
Intraoralscan der Situation
|
Doublieren des Provisoriums in röntgenopakem Kunststoff
|
|
|
Abformung/Modellherstellung/Modellscan Situationsmodell
|
optischer Scan der Wachsaufstellung
|
–
|
Abformung/ Modellherstellung
|
Wachsaufstellung
|
Einprobe Wachsaufstellung
|
Modellscan mit/ohne Wachsaufstellung
|
Überführung Wachsaufstellung in Röntgenschablone
|
–
|
Abformung/ Modellherstellung/Modellscan Situationsmodell
|
Wachsaufstellung
|
Einprobe Wachsaufstellung
|
Überführung Wachsaufstellung in röntgenopaken Kunststoff (Röntgenschablone)
|
digitale Zahnaufstellung
|
Software für prothetische Planung/Implantatplanungssoftware mit Tool für digitale
Zahnaufstellung
|
Intraoralscan der Situation, Okklusionsscan
|
digitale Aufstellung der prothetischen Restauration
|
|
|
Eine vollständige digitale Zahnaufstellung kann ggf. in der Implantatplanungssoftware
oder in einer damit verbundenen Software erfolgen.
Darstellung eines Oberflächenmodells der DVT-Daten (Segmentierung)
In jeder Implantatplanungssoftware wird auf der Basis der DICOM-Daten der DVT ein
Oberflächenmodell dargestellt. Das Oberflächenmodell entsteht durch die selektive
Darstellung einer begrenzten Spanne von Grauwerten (Segmentierung). Bei der Durchstrahlung wird jedem Gewebe entsprechend seiner Dichte bzw. Strahlenabsorption
einer bestimmter Grauwert zugeordnet. Die Zuordnung von Gewebequalitäten zu einer
gewissen Spanne von Grauwerten stammt aus der Computertomografie und wurde von Hounsfield
eingeführt (Hounsfield-Einheiten). In der DVT ist die eindeutige Zuordnung von Gewebequalitäten
zu Grauwerten nicht möglich. Eine Annäherung ist jedoch möglich. In der Implantatplanungssoftware
kann nach automatisch vorgegeben Grauwertspannen und/oder individuell ein Oberflächenmodell
des Knochens und der Zähne dargestellt werden ([Abb. 11]).
Abb. 11 Darstellung eines Oberflächenmodells.
a Oberflächenmodell der DVT-Daten.
b Oberflächenmodell der Zähne und Schleimhaut.
Überlagerung von DVT und Oberflächenmodellen sowie Planungsdaten (Registrierung)
Fallbeispiel 3
Für die digitale Implantatplanung und geführte Implantatinsertion im Unterkiefer wurde
ein vollständig digitales Vorgehen mit Intraoralscans und digitaler prothetischer
Planung gewählt. Für die Freiendsituation in Regio 35 – 37 wurde die Insertion von
zwei Implantaten in Regio 35 und 36 geplant ([Abb. 12], [Abb. 13]).
Die Darstellung der zweidimensionalen Schnittbilder zeigt in axialer Schnittführung
und in transversaler Schnittführung ein ausgeprägtes Knochendefizit im Molarenbereich
des linken Unterkiefers. Insbesondere zeigt die DVT den lingualen Unterschnitt des
Unterkiefers, der im Molarenbereich häufig stark ausgeprägt ist und in der Panoramaschichtaufnahme
nicht dargestellt werden kann ([Abb. 14]). Der Verlauf des N. alveolaris inferior steht in den Regiones 35 und 36 nicht in
Konflikt mit den geplanten Implantaten.
Abb. 12 Fallbeispiel 3. a Intraorale Situation. b Intraoralscan des Unterkiefers mit Zahnlosigkeit in Regio 35 – 37 und 46.
Abb. 13 Fallbeispiel 3. Darstellung zweidimensionaler Schnittbilder in axialer und transversaler
Richtung, die eine ausgeprägte Alveolarkammatrophie in Regio 35 und den unter sich
gehenden lingualen Anteil des Alveolarfortsatzes zeigen.
Abb. 14 Fallbeispiel 3. Panoramaschichtaufnahme der Ausgangssituation des Patienten mit einer
Freiendsituation in Regio 35 – 37 und einer Einzelzahnlücke in Regio 46. Der linguale
Unterschnitt wird in der Panoramaschichtaufnahme nicht sichtbar.
Siehe Fallbeispiel 3.
Durch die Überlagerung von DVT und Intraoralscan werden die Zahnoberfläche, das Knochenangebot
in der Implantatregion und die Zahnfleischoberfläche dargestellt. Die räumliche Überlagerung
von DVT und Oberflächenscan (Registrierung) ist eine Voraussetzung für die weitere Implantatplanung. Die Positionierung des
Implantats erfolgt unter Berücksichtigung der Informationen, die in der DVT dargestellt
werden. Die Abstützung der Oberfläche auf den Zähnen bzw. der Schleimhaut wird auf
der Basis des Oberflächenmodells gestaltet. Zur Vermeidung von Ungenauigkeiten bei
der Übertragung der Implantatposition müssen DVT und Oberflächenmodelle daher richtig
räumlich überlagert sein.
Die Überlagerung von DVT und Oberflächenmodellen erfolgt anhand der Zahnoberfläche,
die in beiden Bildmodalitäten dargestellt wird ([Abb. 15]). Der Nutzer der Implantatplanungssoftware markiert hierfür korrespondierende Bereiche
auf der dargestellten Zahnoberfläche in der DVT und den Oberflächenmodellen der Zähne.
Die Software kann in der Folge die räumliche Zuordnung durchführen. Bildartefakte,
die in der DVT durch metallische Restaurationen entstehen, können die Identifizierung
von korrespondierenden Flächen erschweren. Insbesondere bei einem geringen Restzahnbestand
bzw. einer großen Anzahl von zahnärztlichen metallischen Restaurationen kann die räumliche
Zuordnung nicht oder nicht genau durchgeführt werden [12]. Der hier ggf. entstehende Fehler wirkt sich direkt auf die Genauigkeit der Übertragung
der geplanten Implantatposition in den operativen Situs aus.
Abb. 15 Überlagerung von DVT und Intraoralscan.
Merke
Für die Implantatplanung werden Oberflächenmodelle des Knochens und der Zähne dargestellt
(Segmentierung). Nach der Segmentierung wird das Oberflächenmodell der Zahn- und Schleimhautoberfläche
mit den DVT-Daten anhand der Zahnoberfläche überlagert (Registrierung).
Darstellung von zweidimensionalen Schnittbildern in axialer, transversaler und tangentialer
Ansicht
Siehe [Fallbeispiel 4].
Fallbeispiel 4
Für die digitale prothetische Aufstellung wurden ein Situationsmodell des Unterkiefers,
ein Modell des Oberkiefers sowie ein Okklusionsscan angefertigt.
Die digitale Aufstellung erfolgte durch die Auswahl von virtuellen Modellzähnen aus
einer Bibliothek. Die Zähne aus der Bibliothek können in allen drei Dimensionen an
die Größe der Zahnlücke angepasst werden. Eine weitere Individualisierung der Zähne
ist in den meisten Implantatplanungsprogrammen nicht enthalten ([Abb. 16]).
Die zweite DVT-Aufnahme wurde nach der Knochenblockaugmentation in Regio 35 – 36 durchgeführt.
Nach der prothetischen Planung erfolgen die Darstellung eines Oberflächenmodells der
DVT und die Überlagerung von Intraoralscan und dem DVT-Oberflächenmodell anhand anatomischer
Landmarken ([Abb. 17], [Abb. 18]).
Die Erhöhung des orovestibulären Knochenangebots wurde in axialen und transversalen
Schnittbildern überprüft. In Regio 35 wurde ein Implantat mit einem Durchmesser von
4,1 mm und einer Länge von 8 mm, in Regio 36 mit einem Durchmesser von 4,1 mm und
einer Länge von 10 mm (Bone Level Tapered, Straumann) ausgewählt. Die Abstände von
mindestens 1,5 mm zur Knochenaußenkontur wurden überprüft. In den Schnittbildern wurde
die Kronenposition eingeblendet, um eine zentrale Platzierung der Implantatachse und
des Schraubenkanals für eine verschraubte implantatgetragene Prothetik zu ermöglichen.
Abb. 16 Fallbeispiel 4.
a Die virtuellen Situationsmodelle des Ober- und Unterkiefers in Okklusion.
b Die Aufstellung von Modellzähnen aus einer Bibliothek in der Implantatplanungssoftware.
Abb. 17 Fallbeispiel 4.
a Darstellung eines Oberflächenmodells der DVT-Daten.
b Überlagerung von DVT und Intraoralscan.
Abb. 18 Fallbeispiel 4. Auswahl und Positionierung des Implantats und Messung der Abstände
zu relevanten anatomischen Strukturen.
In zweidimensionalen Schnittbildern wird die Implantatposition in Relation zu den
relevanten anatomischen Nachbarstrukturen ausgerichtet. Die Ausrichtung der Schnittbilder
erfolgt zunächst in axialer, koronaler und sagittaler Richtung ([Abb. 19]). Hier werden das sagittale und koronale Schnittbild in transversaler und tangentialer
Richtung durch den Alveolarfortsatz geführt, sodass die relevanten Knochendimensionen
sichtbar werden. Im transversalen Schnittbild wird die vestibulär-orale Knochendimension
evaluiert. Das tangentiale Schnittbild richtet sich nach einer zuvor festgelegten
Panoramakurve und zeigt somit die mesiodistale Knochenausdehnung und insbesondere
die mesiodistale Angulation der Nachbarzähne. Das axiale Schnittbild zeigt ebenfalls
die mesiodistale und orovestibuläre Knochenausdehnung.
Abb. 19 Darstellung von zweidimensionalen Schnittbildern in transversaler, tangentialer und
axialer Richtung. Die weißen Linien zeigen das Oberflächenmodell der intraoralen Situation
mit und ohne Provisorium in Regio 11.
a Transversale (oben) und tangentiale (unten) Richtung. b Axiale Richtung.
Bestimmung des Augmentationsbedarfs, Auswahl und Positionierung des Implantats, implantatzentrierte
Darstellung und Messung der Abstände zu relevanten anatomischen Strukturen
Siehe [Fallbeispiel 5].
Fallbeispiel 5
Für den Transfer der geplanten Implantatposition wurde eine vollständig geführte Implantatbettaufbereitung
mit einer zahngetragenen Bohrschablone geplant. Die Implantatplanung und das Bohrschablonendesign
wurden mit der Software coDiagnostiX (DentalWings, Montreal, Kanada) durchgeführt
([Abb. 20]).
Die intraorale Situation nach Präparation eines Mukoperiostlappens zeigt einen vollständig
eingeheilten Knochenblock in Regio 35 – 36. Die Bohrschablone wird auf den Nachbarzähnen
abgestützt und deren Passung durch die Aussparungen kontrolliert. Das gewählte Implantatsystem
verwendet Übertragungslöffel, die in die Bohrhülse eingesetzt werden und somit den
Durchmesser an jeden Bohrer in der Implantatbettaufbereitung anpassen ([Abb. 21]).
Abb. 20 Fallbeispiel 5. Die Bohrschablone wird virtuell auf der Basis des Situationsmodells
des Unterkiefers geplant und enthält Aussparungen für die Bohrhülsen in den geplanten
Implantatpositionen.
Abb. 21 Fallbeispiel 5.
a Intraorale Situation nach Knochenblockaugmentation.
b Eingesetzte Bohrschablone und Instrumentarium für die geführte Implantatinsertion.
c Inserierte Implantate in Regio 35 und 36.
Für die Bestimmung der Implantatposition sind die Auswahl des geeigneten Implantats
und die dimensionsgetreue Darstellung der Implantatdimensionen erforderlich. Der Nutzer
kann in jeder Implantatplanungssoftware aus einer Bibliothek von Implantatsystemen
auswählen und das Implantat mit den adäquaten Dimensionen einsetzen. Bei der Auswahl
einer Implantatplanungssoftware sollte man prüfen, ob die verwendeten Implantate in
der Bibliothek enthalten sind. In der dargestellten Situation wird ein Implantat mit
einem Durchmesser von 3,8 mm und einer Länge von 11 mm ausgewählt (Camlog ScrewLine,
Camlog Biotechnologies AG, Basel, Schweiz).
Nach der Auswahl des Implantats können die Ansichten implantatzentriert dargestellt
werden. Das Implantat wird für die Ausrichtung der transversalen, tangentialen und
axialen Schnittbilder verwendet, sodass das Knochenangebot in der ausgewählten Implantatposition
verzerrungsfrei dargestellt werden kann.
Eine Mindestknochenbreite von 1,5 – 2 mm zirkulär um das Implantat sollte eingehalten
werden. Zu diesem Zeitpunkt kann durch die Bilddiagnostik ein ggf. notwendiger Bedarf
für eine vorherige oder mit der Implantatinsertion durchzuführende Knochenaugmentation
festgestellt werden. In der in [Abb. 22] dargestellten Situation war vor der geplanten Implantatinsertion eine Knochenblockaugmentation
erfolgt. In den transversalen und tangentialen Schnittbildern ist die Osteosyntheseschraube
sichtbar, mit der die Fixation des Knochenblocks erfolgte.
Abb. 22 Dimensionsgetreue Darstellung des ausgewählten Implantats in Regio 11 (Camlog ScrewLine,
Durchmesser 3,8 mm und Länge 11 mm) bei Z. n. Knochenblockaugmentation mit einer Osteosyntheseschraube.
Die implantatzentrierten tangentialen Schnittbilder (oben) zeigen das vertikale Knochenangebot
und die orovestibuläre Knochendimension. Die implantatzentrierte tangentiale Ansicht
(unten) zeigt ebenfalls das vertikale Knochenangebot und die mesiodistale Knochendimension
sowie die Nachbarzahnwurzeln.
Auswahl des gewünschten chirurgischen Protokolls
Nachdem die finale Position des Implantats festgelegt ist, werden das gewünschte chirurgische
Protokoll und die Lagerung der Bohrschablone ausgewählt.
Für die geführte Pilotbohrung wird eine Hülse geplant, die den Pilotbohrer mit systemspezifischem Durchmesser führt.
Alle darauffolgenden Bohrungen werden nicht geführt und das Implantat wird ebenfalls
freihändig eingesetzt. Bei der geführten Pilotbohrung ist kein Tiefenstopp der Bohrung
vorhanden ([Abb. 23]).
Abb. 23 Geführte Pilotbohrung und Lagerung der Bohrschablone.
a Für das hier geplante Implantat in Regio 11 wurde die Pilotbohrung in einer Hülse
mit einem Innendurchmesser von 2,2 mm geplant.
b Die Bohrschablone wurde auf den Nachbarzähnen (Regio 14 – 24) abgestützt.
Bei der geführten Implantatbettaufbereitung (guided surgery) werden alle Bohrer und Gewindeschneider geführt. Um die Bohrer mit
unterschiedlichen Durchmessern zu führen, werden Hilfsteile in die Bohrhülse eingesetzt,
die für jeden Bohrer gewechselt werden müssen. Andere Systeme arbeiten ohne Hilfsteile
und haben im nicht schneidenden Teil der Bohrer einen gleichbleibenden Durchmesser,
der auf die Hülse abgestimmt ist. Bei der geführten Implantatbettaufbereitung wird
der Bohrer ebenfalls vertikal gestoppt.
Die Implantate können entweder freihändig ohne Bohrschablone oder durch die Hülse
in der Bohrschablone geführt eingesetzt (guided implant placement) werden. Bei einigen
Systemen sind für die geführte Implantatinsertion spezielle Implantate mit abgestimmten
Einbringpfosten bzw. Einbringhilfen erforderlich ([Abb. 24]).
Abb. 24 Bohrschablonen, die mit einem 3-D-Drucker nach dem Polyjet-Verfahren hergestellt
wurden.
a In Regio 21 ist eine Führungshülse aus Titan mit einem Innendurchmesser von 2,3 mm
eingebracht. Der erste Bohrer der Implantatbettaufbereitung (Durchmesser 2,2 mm) wird
in der Hülse ohne einen Tiefenstopp geführt.
b In Regio 36, 34, 33, 43, 44, 46 sind Hülsen für die vollständige Implantatbettaufbereitung
mit speziell abgestimmten Bohrern bzw. Instrumenten für die Führung der Bohrer in
den Hülsen eingebracht. Sowohl die Implantatbettaufbereitung als auch die Implantatinsertion
wird durch die Hülsen geführt. Durch die zwei seitlichen Schäfte kann die Schablone
mithilfe von Pins im Mund fixiert werden.
Zusatzinfo
Chirurgische Protokolle mit Bohrschablone
Lagerung von Bohrschablonen
Bohrschablonen können auf Nachbarzähnen bzw. Restzähnen im Zahnbogen, auf temporären
Implantaten, auf dem Alveolarknochen und auf der Schleimhaut abgestützt sein. Die
Abstützung kann ebenfalls kombiniert werden, sodass eine Bohrschablone z. B. auf der
Schleimhaut abgestützt ist und in der unmittelbaren Nachbarschaft eine zusätzliche
Abstützung auf dem Knochen erhält. Das Ziel ist ein reproduzierbarer und stabiler
Sitz der Bohrschablone. Insbesondere bei schleimhautgelagerten Bohrschablonen können
zusätzliche Stabilisierungspins oder -schrauben eingebracht werden, die außerhalb
der Implantationsregion eine Verankerung im Knochen ermöglichen.
Eine Schablonenlagerung auf dem Knochen erfordert eine ausgedehnte Präparation der
Weichgewebe. Weiterhin beruht die Auflagerung auf der Qualität der Segmentierung des
Knochens, die aufgrund von Artefakten erschwert sein kann. Die Schleimhautabstützung
ermöglicht das Vorgehen nach einem Flapless-Protokoll, bei dem die Schleimhaut vollständig
auf dem Knochen belassen und in den Implantatregionen perforiert wird.
Eine zahngetragene Bohrschablone ist bei der Genauigkeit der Übertragung der geplanten
Implantatposition in den chirurgischen Situs überlegen. Die Voraussetzung ist eine
ausreichende Zahl und Verteilung von Zähnen im Zahnbogen. In einem kürzlich veröffentlichten
systematischen Review der aktuellen Literatur wurden mittlere Abweichungen der Implantatposition
bei teilweise zahnlosen Patienten von 0,9 mm an der Implantatschulter und 1,2 mm an
der Implantatspitze dokumentiert. Bei vollständig zahnlosen Patienten und einer daraus
folgenden Abstützung auf der Schleimhaut bzw. auf dem Knochen lagen die Abweichungen
bei 1,3 mm an der Implantatschulter und 1,5 mm an der Implantatspitze ([Tab. 3]) [13].
Tab. 3 Durchschnittliche Abweichungen der Implantatpositionen bei vollständig geführter
Implantatinsertion [13].
|
Abweichung an Implantatschulter
|
Abweichung an Implantatspitze
|
Winkelabweichung
|
teilweise Zahnlosigkeit
|
0,9 mm
|
1,2 mm
|
3,3°
|
vollständige Zahnlosigkeit
|
1,3 mm
|
1,5 mm
|
3,3°
|
gesamt
|
1,2 mm
|
1,4 mm
|
3,5°
|
Computergestützte Herstellung
Computergestützte Herstellung
Additive Herstellungsverfahren – 3-D-Druck
In der Implantologie werden 3-D-Druckverfahren für die Anfertigung von Bohrschablonen
und von provisorischen Versorgungen angewendet. Die Auswahl der Materialien, die hierfür
zur Verfügung steht, wird zunehmend größer. Eine wichtige Anforderung ist die Biokompatibilität,
die den Einsatz in der Mundhöhle erlaubt.
Verschiedene Drucktechnologien werden beim 3-D-Druck eingesetzt. Diese umfassen Digital
Light Processing (DLP), Stereolithografie (SLA), Polyjet und selektives Laserschmelzen
(SLM). Das SLM-Verfahren wird vor allem für metallische Werkstoffe eingesetzt.
Für die Herstellung von Bohrschablonen-Provisorien können in der Praxis vor allem
3-D-Drucker mit dem SLA- und DLP-Verfahren eingesetzt werden. Die Herstellung einer
Bohrschablone erfolgt je nach deren Größe in einem Zeitraum von 30 – 60 Minuten. Größere
Werkstücke können mit dem DLP-Verfahren schneller gedruckt werden, da eine flächige
Aushärtung anstatt einer punktförmigen Polymerisation wie beim SLA-Verfahren erfolgt.
Für kleinere Werkstücke wird der Zeitunterschied geringer.
Zusatzinfo
3-D-Drucktechnologie – Welche Verfahren werden in der Zahnheilkunde angewendet?
-
Digital Light Processing (DLP): Das Werkstück wird flächenartig durch die Projektion eines Bildes jeder Schicht
aus einem Flüssigkeitstank aufgebaut. Das Bild jeder Schicht entsteht durch die Anordnung
von Spiegeln auf einem Halbleiterchip.
-
Stereolithografie (SLA): Das Werkstück wird durch Fotopolymerisation mit einem punktförmigen Laser
Schicht für Schicht aus einem Flüssigkeitstank aufgebaut.
-
Selektives Laserschmelzen (SLM): Das Material wird schichtweise in Pulverform auf eine Plattform aufgetragen
und durch einen punktförmigen Laser geschmolzen. Nach Erkalten des Metalls einer Schicht
wird erneut Pulver aufgetragen, selektiv geschmolzen und erhärtet.
-
Polyjet: Flüssiges Fotopolymer wird auf eine Plattform aufgetragen und mit UV-Licht ausgehärtet.
Das Werkstück besteht aus übereinanderliegenden Schichten des ausgehärteten Polymers.
Bei allen 3-D-Druckverfahren werden Stützstrukturen bzw. Stützmaterialien verwendet.
Daher ist immer eine Nachbearbeitung des Werkstücks erforderlich. Bei SLA- und DLP-Verfahren
werden Stützpfeiler und eine Basisplatte mitgedruckt. Diese müssen nach der Fertigstellung
des Werkstücks durch Fräsen entfernt werden und ggf. die Ansatzpunkte nachbearbeitet
und die Oberfläche poliert werden. Bei Polyjet-Verfahren wird das Werkstück von einer
nicht polymerisierten wasser- oder öllöslichen Materialschicht umgeben. Diese kann
durch Abstrahlen oder Einlage in die entsprechende Flüssigkeit entfernt werden ([Abb. 25]).
Abb. 25 3-D-Druckverfahren.
a Bei der Herstellung nach dem Polyjet-Verfahren ist die Bohrschablone mit einem gelartigen
Supportmaterial umgeben (links), das wasserlöslich ist und mit einem Wasserstrahl
entfernt wird. Die ausgearbeitete Bohrschablone (rechts) bedarf nach dem Abstrahlen
keiner weiteren Nachbearbeitung.
b Bei der Herstellung nach dem SLA-Verfahren ist die Bohrschablone nach der Fertigung
mit ausgehärteten Stützstrukturen umgeben, die in der Nachbearbeitung durch Fräsen
bzw. Polieren entfernt werden.
Subtraktive Herstellungsverfahren
Zu den subtraktiven Herstellungsverfahren zählen Schleifen, Fräsen und Drehen. Seit
der Verfügbarkeit vollkeramischer Werkstoffe in der Zahnheilkunde haben subtraktive
Verfahren an Bedeutung gewonnen. Durch eine stetige Erweiterung der Auswahl subtraktiv
bearbeitbarer Materialien ist die Indikationsbreite dieser Verfahren gewachsen. Eine
Vielzahl von Materialien wie z. B. Wachs, PEEK, PMMA, Titan, Kobalt-Chrom-Legierung,
Glaskeramiken und Zirkonoxid kann gefräst werden. Die Indikationen in der Implantologie
umfassen die Herstellung von individuellen Abutments und von prothetischen Suprakonstruktionen.
Im Vergleich zu additiven Herstellungsverfahren ist bei der subtraktiven Fertigung
der Materialverbrauch bzw. Verwurf aus ökonomischer und ökologischer Sicht nachteilig.
Beim Fräsen von Werkstücken wird ein Materialrohling in die Fräsmaschine eingespannt
und von einem Schneidwerkzeug bearbeitet. Das Schneidwerkzeug bewegt sich entweder
in 3 (3-Achs-Bearbeitung), 4 (4-Achs-Bearbeitung) oder in 5 Raumrichtungen beziehungsweise
Rotationsachsen (5-Achs-Bearbeitung). Mit 5-Achs-Fräsmaschinen können Restaurationen
mit komplizierten Geometrien wie Unterschnitten, individuelle Abutments mit Schraubenkanal
oder Stege präzise hergestellt werden. Die Genauigkeit der gefrästen Werkstücke liefert
vergleichbare Ergebnisse zu den konventionellen Herstellungsarten [14].
In Abhängigkeit vom Materialrohling sind verschiedene Protokolle für die Bearbeitung
von Werkstücken notwendig. Dichtgesinterte Materialien, Legierungen und Kunststoffe
werden direkt einer Hartbearbeitung (Schleifen, Funkenerosion, Laserverarbeitung)
unterzogen und benötigen keine weitere Bearbeitung. Teilgesinterte Materialien oder
poröse Keramiken werden geschliffen oder gefräst und nachbearbeitet (Sintern, Glasinfiltration).
Je nach Material kommt außerdem eine Nass- oder Trockenbearbeitung zur Anwendung.
Für die Herstellung kann der Behandler zwischen einem externen Fräszentrum, dem zahntechnischen
Labor mit entsprechender Ausstattung oder einer Chairside-Produktion entscheiden.
Herstellung eines implantatgetragenen Langzeitprovisoriums
Für die vollständig digitale Versorgung eines Implantats werden additive und subtraktive
Verfahren kombiniert. Auf Basis der digitalen intraoralen Implantatabformung wird
ein Modell mit einem 3-D-Druckverfahren hergestellt und ein Implantatanalog in das
Modell eingesetzt.
Das implantatgetragene Langzeitprovisorium wird aus Kunststoff (PMMA) gefräst und
adhäsiv auf der Titanbasis befestigt. Alternativ kann das Kronenprovisorium additiv
gefertigt werden. Nach dem Fräsen erfolgt die Individualisierung durch einen dünnen
Lackauftrag (Premio Temp) ([Abb. 26]).
Abb. 26 Herstellung eines implantatgetragenen Langzeitprovisoriums.
a Modellherstellung mit einem 3-D-Druckverfahren in einem externen Zentrum (3D medical
print, Lenzing, Österreich).
b Modell mit eingesetztem Langzeitprovisorium Regio 11.
c Implantatgetragenes Langzeitprovisorium Regio 11.
Kernaussagen
-
Für eine vollständige virtuelle Darstellung des Kieferknochens und der Zähne werden
dreidimensionale Röntgentechniken (CT und DVT) mit einer optischen Oberflächenbildgebung
kombiniert. Diese virtuellen Oberflächenmodelle können unmittelbar intraoral mit Intraoralscannern
generiert werden.
-
Für die Diagnostik im Bereich der dentalen Implantologie wird die DVT häufiger als
die CT genutzt, da sie eine geringere Strahlenbelastung, kurze Aufnahmezeiten und
eine hohe Auflösung bietet.
-
Bei der Implantatplanung in der DVT sollte zwischen den Implantaten und vitalen anatomischen
Strukturen ein Sicherheitsabstand von 2 mm eingehalten werden.
-
Die Indikationen für eine digitale intraorale Abformung in der Implantologie umfassen
somit die Herstellung von Situationsabformung für die Behandlungsplanung und die Anfertigung
von implantatgetragenem Zahnersatz auf Einzelzahnimplantaten.
-
In jeder Implantatplanungssoftware wird auf der Basis der DICOM-Daten der DVT ein
Oberflächenmodell dargestellt. Das Oberflächenmodell entsteht durch die selektive
Darstellung einer begrenzten Spanne von Grauwerten (Segmentierung). Die räumliche
Überlagerung von DVT und Oberflächenscan (Registrierung) ist eine Voraussetzung für
die weitere Implantatplanung.
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Für die Bestimmung der Implantatposition sind die Auswahl des geeigneten Implantats
und die dimensionsgetreue Darstellung der Implantatdimensionen erforderlich.
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Nach der Auswahl des Implantats können die Ansichten implantatzentriert dargestellt
werden. Eine Mindestknochenbreite von 1,5 – 2 mm zirkulär um das Implantat sollte
eingehalten werden.
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Bohrschablonen können auf Nachbarzähnen bzw. Restzähnen im Zahnbogen, auf temporären
Implantaten, auf dem Alveolarknochen und auf der Schleimhaut abgestützt sein.
-
In der Implantologie werden 3-D-Druckverfahren für die Anfertigung von Bohrschablonen
und von provisorischen Versorgungen angewendet.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist PD Dr. Tabea Flügge, Freiburg.