Laryngorhinootologie 2018; 97(10): 660-661
DOI: 10.1055/a-0652-6450
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar der Schriftleitung

Editor’s Comment
Andreas Dietz
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 October 2018 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

nachdem sich nun der Sommer mit einem Paukenschlag verabschieden konnte, freue ich mich Ihnen mit dem Oktoberheft der LRO eine hoch interessante Herbstabendlektüre empfehlen zu können.

Gleich zu Anfang lege ich Ihnen die Ausführung von Kollege Issing zu einer amerikanischen Arbeit von Patel TA et al. mit dem Titel „Ambulante Cochlea-Implantation bei Kindern, was führt zur stationären Aufnahme?“ ans Herz [1]. Tatsächlich wird hier aus amerikanischer Sicht die Frage gestellt, ab wann eine stationäre Aufnahme sinnvoll und notwendig ist. Man kam auf Boden einer Registerbetrachtung zu dem Schluss, dass lediglich bei Asthma und ZNS-Anomalien stationäre Aufnahmen zu begründen wären. Bemerkenswert ist nach den Ausführungen von Issing, dass selbst die in USA erbrachte ambulante Versorgung teurer als die in Deutschland übliche stationäre Versorgung ist. Darüber hinaus weist Issing überzeugend darauf hin, dass viele Eltern mit der emotional für sie sehr belastenden Situation schlichtweg überfordert und nicht in der Lage sind, trotz ausführlicher Einweisung den kleinen Patienten auch nur annähernd kompetent betreuen zu können. Er resümiert, dass der Artikel die typischen amerikanischen Verhältnisse beschreibt und sich nicht auf deutsche Begebenheiten übertragen lässt [2], [3].

In der Rubrik „Sehen und Verstehen“ wird das Thema Larynxpapillomatose von Herrn Kollegen Nawka in Berlin aufgegriffen [4]. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass neben der chirurgischen, möglichst kalten, Entfernung der Papillome darauf hingewiesen wird, dass die Studienlagen zu Cidofovir äußerst schwach ist und darauf hingewiesen wird, dass mit Cidofovir Rezidive zwar nicht verhindert werden können, aber möglicherweise die Ausprägung abgemildert wird. Des Weiteren wird der Hinweis auf die vielerorts praktizierte Impfung bei Vorliegen von Papillomatosen mit Gardasil hingewiesen, deren Effektivität aktuell in Studien geprüft wird. Derzeit ist die Evidenzlage bei während bereits vorhandener Papillomatose durchgeführten Impfung mit Gardasil eher schwach [5].

In einem sehr interessanten Artikel von Herrn Benedict aus Ettlingen (plastische Chirurgie) wird sehr ausführlich, aber auch kritisch über die minimalinvasive Otoplastik berichtet. Wesen dieser Technik ist die Anwendung neuerer Instrumente, ohne die retroauriculäre Hautinzision mit der Gefahr von Keloidbildung durchführen zu müssen [6].

Von Scherzad und Hackenberg aus Würzburg wird eine umfangreiche Übersicht zu mesenchymalen Stammzellen und dem Aspekt tumorfördernder oder -hemmender Eigenschaften vorgelegt [7]. Die meisten Publikationen berichten über tumorfördernde Eigenschaften der mesenchymalen Stammzellen, so dass die Übersicht den aktuellen Standpunkt zur Thematik beleuchten soll.

Frau Huhnd aus Bad Saarow legt eine Originalarbeit zum Stellenwert der Tubendilatation bei Mittelohradhäsiv-Prozessen vor [8]. Die Gruppe berichtet von 31 % der Patienten mit Adhäsivprozess, die nach Tubendilatation eine Besserung der Mittelohrbelüftung zeigten. Subjektiv gaben 54 % der Patienten eine Besserung der Beschwerden an. Die sehr interessante Arbeit macht deutlich, wie schwer es ist, insbesondere im Bereich der Tubendilatation Studien mit resultierendem Evidenzgrad aufzulegen. Auch handelt es sich hierbei um eine retrospektive Fallserie, deren überwiegend deskriptives Ergebnis zu kontrollierten Studien anregen sollte [9], [10]

Hussain und Mattheis aus Essen legen einer Originalarbeit zur Rolle der selektiven Neck dissection bei Salvage Laryngektomie vor [11]. In dieser retrospektiven Analyse wurden Salvage Laryngektomien mit primären Laryngektomien verglichen und der Anteil von okkulten Lymphknotenmetastasen im Hals war im Rahmen der selektiven Neck dissection unvergleichlich geringer (5 % versus 17 %). Dennoch ist das gesamte Überleben nach Laryngektomie 50 % und nach selektiver Laryngektomie lediglich 33,3 %, da es sich schließlich um Rezidive bzw. Non Responder nach Primärbestrahlung, bzw. Radio-Chemotherapie handelt. Kritisch wird von den Autoren angemerkt, dass nach den gängigen Kriterien zwar die Indikation zur selektiven Neck dissection im Rahmen der selektiven Laryngektomie nicht gegeben sei, jedoch aufgrund des kurativen Ansatzes darauf letztlich nicht verzichtet werden sollte. Die Daten einer kontrollierten Studie zum Vergleich „Neck dissection ja oder nein“ nach salvage Laryngektomie steht aus [12].

Frau Beyrau und Herr Hesse aus Bad Arolsen legen eine sehr interessante Originalarbeit zum neurootologen Counseling bei chronischem Tinnitus vor [13]. Die Autoren schlussfolgern, dass ein für Patienten gut verständliches Counseling hoher Relevanz hat und darauf aufbauend Hörunterstützung und ggf. eine Hörgeräteversorgung erfolgen sollte. Die hier dargelegte Vorgehensweise ist eigenwillig, aber offensichtlich hoch effektiv [14].

Ganz im Vorgriff auf das Leitthema unseres aktuellen Präsidenten, Herrn Dazert, gibt Herr Wienke eine anschauliche Darstellung zu rechtlichen Aspekten der Digitalisierung in der Medizin [15]. Die Digitalisierung wird die Abläufe im ärztlichen Alltag verändern. Dabei werden auch ganz neue rechtliche Fragestellungen in den Fokus rücken. Reformen des materiellen Rechts und des Prozessrechts werden erforderlich sein.

Das Heft wird beendet mit einem Beitrag in der Rubrik Facharztwissen HNO zur Diagnostik und operativen Therapie der Otosklerose von Plontke, Metasch, Zirkler und Zahnert [16]. Der mit umfangreichem Bildmaterial bestückte, sehr ausführliche Artikel zum aktuellen Stand der Sichtweise der Diagnostik und Therapie der Otosklerose, ist in jeder Beziehung auch dem hocherfahrenen Ohrchirurgen zu empfehlen [17].

Zusammengefasst wünsche ich Ihnen vergnügliche Zeit beim Lesen und verbleibe mit herzlichen Grüßen

Univ.-Professor Dr. med. Andreas Dietz

Schriftleitung

 
  • Literatur

  • 1 Issing PR. Ambulante Cochlea-Implantation: was führt zur stationären Aufnahme?. Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 664
  • 2 Raths S, Lenarz T, Lesinski-Schiedat A. et al. Kostenanalyse der unilateralen Cochlea-Implantatversorgung bei Erwachsenen. Laryngo-Rhino-Otol 2016; 95 (04) 251-257
  • 3 Lehner AA, Bonnet R, Linder TE. Klinische Aspekte der Cochleaimplantation bei Morbus Menière sowie nach Labyrinthektomie. Laryngo-Rhino-Otol 2016; 95 (12) 831-836
  • 4 Nawka T. Larynxpapillomatose. Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 670-671
  • 5 Arens C, Voigt-Zimmermann S. Chirurgie des Larynx – Teil 1: Benigne Läsionen. Laryngo-Rhino-Otol 2016; 95 (06) 419-436
  • 6 Benedict M. Anmerkungen zur Minimal-invasiven Otoplastik (MIO). Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 672-677
  • 7 Scherzad A, Taeger J, Gehrke TE. et al. Mesenchymale Stammzellen: Tumorfördernde oder -hemmende Eigenschaften – Ein aktueller Überblick. Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 678-687
  • 8 Huhnd LE, Wirtz SP, Schrom T. Stellenwert der Tubendilatation bei Mittelohradhäsivprozess. Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 688-693
  • 9 Ciuman RR. Paukendrainage und Mittelohrbelüftung: Indikationen, Komplikationen und deren Behandlung. Laryngo-Rhino-Otol 2016; 95 (03) 171-177
  • 10 Scheibner C, Walch C. Therapieresistente Otitis nach Thermenaufenthalt. Laryngo-Rhino-Otol 2016; 95 (03) 197-199
  • 11 Hussain T, Kanaan O, Höing B. et al. Die Rolle der elektiven Neck dissection bei Salvage Laryngektomie – eine retrospektive Analyse. Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 694-701
  • 12 Franzen AM, Lieder A, Buchali A. Bedeutung des sekundär auftretenden Primärtumors bei einem zervikalen CUP-Syndrom. Laryngo-Rhino-Otol 2016; 95 (07) 477-481
  • 13 Beyrau D, Schaaf H, Hesse G. Neurootologisches Counseling bei chronischem Tinnitus. Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 702-710
  • 14 Hesse G. Evidenz- und Evidenzlücken der Tinnitustherapie. Laryngo-Rhino-Otol 2016; 95 S (01) S155-S191
  • 15 Wienke A, Friese K. Rechtliche Aspekte der Digitalisierung in der Medizin. Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 713-716
  • 16 Plontke SK, Metasch M, Zirkler J. et al. Diagnostik und operative Therapie der Otosklerose – Teil II: Operative Therapie. Laryngo-Rhino-Otol 2018; 97 (10) 717-734
  • 17 Lailach S, Zahnert T. Grundlagen der Ohrchirurgie. Laryngo-Rhino-Otol 2016; 95 (12) 855-877