Sportphysio 2018; 06(03): 100-103
DOI: 10.1055/a-0583-8057
Research
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Research

Further Information

Publication History

Publication Date:
06 July 2018 (online)

Kinematik bei Achillessehnen-Tendopathie und Schienbeinkantensyndrom

Achillessehnen-Tendopathien (AT) und ein medial lokalisiertes Schienbeinkantensyndrom (media tibial stress syndrome, MTSS) sind bei Laufsportlern häufige Beschwerden, die meist auf eine Überlastung zurückgeführt werden. Die Pathomechanik soll dabei, trotz der unterschiedlichen Lokalisation der Schmerzen, weitgehend vergleichbar sein mit einer übermäßigen Exkursion oder überhöhten Geschwindigkeit bei der Eversion der Ferse während des Laufens.

Möglicherweise sind diese beiden Faktoren aber nicht die wesentlichen: Sportwissenschaftler der University of Oregon haben jetzt eine genaue Laboranalyse vorgenommen.

Sie haben dazu insgesamt 42 Läufer in eine prospektive Untersuchung aufgenommen, darunter waren

  • 13 Patienten mit AT,

  • 8 Patienten mit MTSS und

  • 21 im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Laufmuster und wöchentliche Laufleistung gematchte gesunde Kontrollprobanden.

Die Teilnehmer wurden zunächst untersucht; dabei maßen die Wissenschaftler insgesamt 11 Parameter, die die Achsenausrichtung der unteren Extremität, den Bewegungsumfang und die Flexibilität beschrieben. Weiterhin wurden am Körper 39 anatomische Punkte markiert (an Becken, Ober- und Unterschenkel).

Anschließend liefen die Sportler wie üblich in ihren gewohnten Laufschuhen auf einer künstlichen Laufbahn im Labor, und diese Läufe wurden mithilfe von 10 Kameras aufgezeichnet. Anhand dieser Aufzeichnungen beurteilten die Wissenschaftler die Verschiebungen der markierten Punkte während des Laufs und der einzelnen Laufphasen und werteten mit einer speziellen Software dreidimensionale kinematische und kinetische Variablen aus. Diese Ergebnisse verglichen sie dann zwischen Patienten und gesunden Kontrollen.

Zoom Image
Shin-Splint-Syndrom. Schmerzen beim und nach dem Joggen. Longitudinale Stressfraktur der Schienbeinvorderkante. Tibiales Knochenmarködem (längs orientiert) mit Periostreaktion (a, Pfeil) und Kortikalisunterbrechung durch längs verlaufende Stressfraktur (b, Pfeil). a Koronare PDw fettsaturierte TSE-Sequenz. b Axiale STIR-Sequenz. (Quelle: Vahlensieck M, Sikorski A, Glaser C. Unterschenkel, Sprunggelenk und Fuß. In: Vahlensiek M, Reiser M, Hrsg. MRT des Bewegungsapparats. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014: 422)

Die Auswertung ergab bei den verletzten Teilnehmern (beide Gruppen kombiniert)

  • eine signifikant stärkere Varusstellung der Tibia (8,67° vs. 6,76° bei den Kontrollen) und

  • einen geringeren Bewegungsumfang bei der Dorsalflexion (6,14° vs. 11,19°).

Alle anderen klinischen Variablen waren zwischen den Gruppen vergleichbar.

Bei der Laufanalyse zeigten sich dann weiterhin bei den Verletzten

  • eine signifikant längere Eversion des Fußes (86,02 % der Standphase vs. 59,12 %) und

  • eine stärkere Eversion beim Abheben der Ferse vom Boden (–6,47° vs. 1,07°).

Alle anderen Variablen waren wiederum vergleichbar; insbesondere unterschieden sich die Geschwindigkeit oder das Ausmaß der Eversion nicht zwischen Patienten und Kontrollen.

In der logistischen Regressionsanalyse errechnete sich schließlich die Dauer der Eversion als der einzige Parameter, der signifikant mit der Gruppenzugehörigkeit (Patienten- oder Kontrollgruppe) verknüpft ist: Pro Zunahme der Eversion um 1 % stieg das Risiko, zu den Patienten zu gehören, um 8 % (Odds Ratio 1,08).

FAZIT

Demnach ist bei Patienten mit AT und MTSS beim Laufen die Eversion des Fußes nicht stärker oder schneller, sondern sie dauert länger als bei Probanden ohne die Symptomatik, so Becker et al. Dazu kommen eine verminderte Dorsalflexion und eine stärkere Varusstellung der Tibia; insgesamt könnten diese Faktoren zu einer stärkeren Belastung der Achillessehne bzw., über die Fascia cruralis, auf die Tibia führen und langfristig in den typischen Beschwerden münden. Das sollten weitere Studien klären.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

Am J Sports Med 2017; doi:10.1177/0363546517708193