Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2018; 15(01): 13-17
DOI: 10.1055/a-0527-5662
Aktuell diskutiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einführung und Verwendung von biosimilaren Antikörpern in der Therapie des Mammakarzinoms

Contributor(s):
Marc Thill
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Agaplesion Markus Krankenhaus, Frankfurt am Main
,
Marcus Schmidt
2   Klinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit, Universitätsklinikum Mainz
,
Michael Lux
3   Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
,
Cornelia Liedtke
4   Klinik für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
,
Andreas Schneeweiss
5   Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen und Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Heidelberg
,
Christian Jackisch
6   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Sana Klinikum Offenbach
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Publication Date:
14 March 2018 (online)

Einführung

Biologische Arzneistoffe, sogenannte Biologika, sind komplexe Substanzen, die aus und mit lebendigen Systemen hergestellt werden. In der Therapie des Mammakarzinoms sind Biologika mit der Einführung der Antikörper bereits seit Jahren etabliert. Der erste Antikörper, der im August 2000 für die Indikation metastasiertes, HER2-positives Mammakarzinom in der EU zugelassen wurde, war das gegen den humanen epidermalen Wachstumsrezeptor-2 (HER2) gerichtete Trastuzumab. Im Mai 2006 erfolgte die Zulassung für Patientinnen mit einem frühen Mammakarzinom. Inzwischen wurde neben Trastuzumab auch der gegen die Dimerisierungsstelle des HER2-Rezeptors agierende Antikörper Pertuzumab für die Therapie von Patientinnen mit einem metastasierten Mammakarzinom (März 2013) sowie für die neoadjuvante Therapie von Patientinnen mit einem frühen Mammakarzinom (Juli 2015) zugelassen. Darüber hinaus erhielt im Jahre 2007 der gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsrezeptor (VEGF) gerichtete Antikörper Bevacizumab die Zulassung für die Erstlinientherapie von Patientinnen mit einem metastasierten, HER2-negativen Mammakarzinom.

Die Zulassung der genannten Antikörper hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich die Therapieoptionen nachhaltig erweitert haben und es möglich wurde, zielgerichtet in die Pathophysiologie des Mammakarzinoms einzugreifen. Vor allem aber konnte das Überleben der Patientinnen mit einem HER2-positiven Mammakarzinom unter Inkaufnahme geringer Toxizität signifikant verbessert werden. Die Einführung von Trastuzumab gilt daher als ein Meilenstein in der Mammakarzinomtherapie, der jedoch auch mit einer deutlichen Steigerung der Arzneimittelkosten assoziiert ist. Insgesamt sind seit der Einführung der biologischen Medikamente die Behandlungskosten deutlich gestiegen. Die Folge ist ein erheblicher Kostendruck. Gerade das Mammakarzinom hat aufgrund der hohen Inzidenz erhebliche gesundheitsökonomische Implikationen. Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Patientinnen mit Mammakarzinom erfordern ein äußerst komplexes, zeit- und personalintensives Leistungsspektrum, wie es in dieser Form für kaum eine andere Erkrankung erforderlich ist. Für das Mammakarzinom werden in der Europäischen Union derzeit 13 € pro Einwohner und Jahr ausgegeben. Dabei erkranken in Deutschland pro Jahr 69 550 Frauen an einem invasiven Mammakarzinom, des Weiteren mindestens 5500 Frauen an einem duktalen Carcinoma in situ [1]. Während in Ländern wie Litauen und Bulgarien 2 € pro Einwohner und Jahr für das Mammakarzinom ausgegeben werden, sind es in Deutschland bereits 29 € je Einwohner und Jahr [2].

Für Trastuzumab ist nun im Jahre 2014 der Patentschutz in der EU abgelaufen und 2022 wird auch Bevacizumab seinen Patentschutz verlieren. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund haben verschiedene pharmazeutische Unternehmen bereits vor einigen Jahren damit begonnen, biosimilare Antikörper zu entwickeln, und in der Folge zahlreiche Studien initiiert [3]. Der erste biosimilare Antikörper, ein biosimilares Rituximab, wurde im Februar 2017 von der European Medicines Agency (EMA) bereits zugelassen. Im Gegensatz zu chemischen Arzneimitteln, die als Generika identisch kopierbar sind, können biosimilare Arzneimittel jedoch nicht identisch, sondern nur ähnlich (similar) kopiert werden. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass biologische Arzneimittel mithilfe von lebenden Zellen (Hefen, Bakterien, Hamsterzellen) hergestellt werden. Zwar ist die Gen- bzw. Aminosäuresequenz von biosimilarem Antikörper und Originalpräparat (Originator) nahezu identisch, aber je nach Zelllinie, Nährmedium und Kulturbedingungen entstehen Proteine, bei denen im Rahmen der Synthese verschiedene posttranskriptionelle Modifikationen auftreten können, die eine Änderung der Tertiärstruktur, der Nukleinsäurevarianten und der Glykosylierung bedingen können [4]. Da die exakten Herstellungsprozesse des Originators nicht bekannt sind, ist nicht zu gewährleisten, dass der biosimilare Antikörper und das Originalpräparat in allen oben genannten Eigenschaften identisch sind. Sie sind nur ähnlich, also biosimilar. Dazu werden die mehr als 100 verschiedenen physikochemischen Charakteristika, wie Primär- (Aminosäuresequenz) und Tertiärstruktur, Glykosylierung, aber auch die biologische Aktivität (Bindungsfähigkeit, ADCC – antibody-dependent cellmediated cytotoxicity) des biosimilaren Antikörpers mit dem Originator umfassend und detailliert überprüft. Auch die Originalpräparate werden, ausgehend von der Mastercell Bank, immer wieder neu produziert, sodass auch da mögliche posttranskriptionelle Modifikationen auftreten können (sog. „batch-to-batch variability). Die Herstellungsprozesse der Originalpräparate sind daher einer äußerst strengen Kontrolle unterworfen.

Mittlerweile ist in Europa bereits eine ganze Reihe an biosimilaren Medikamenten zugelassen wie Erythropoetine, Filgrastime und Somatropine (https://www.vfa. de/embed/biosimilars-uebersicht-original praeparate.pdf., Stand August 2017). Neben den als Supportiva eingesetzten genannten Biosimilars wurde im Juni 2015 der erste biosimilare Antikörper, ein biosimilares Infliximab, von der EMA zugelassen. Der erste in der gynäkologischen Onkologie eingesetzte biosimilare Antikörper wird ein biosimilares Trastuzumab sein. Die Zulassung für mindestens 4 biosimilare Trastuzumabs wird für die kommenden 12 Monate erwartet.

Weltweit werden im Jahre 2020 etwa 1,3 Billionen Euro für Medikamente ausgegeben werden [5]. Es wird erwartet, dass bis dahin etwa 225 neue onkologische Therapien zugelassen sein werden. Die Einführung biosimilarer Medikamente ist daher hinsichtlich einer möglichen Kostenersparnis für die Gesundheitssysteme weltweit mehr als reizvoll. So wird erwartet, dass durch die Einführung von biosimilaren Medikamenten ein kumulatives Einsparpotenzial von 56 – 110 Milliarden Euro innerhalb der nächsten 5 Jahre in den USA und Europa erreicht werden kann [6]. Für Europa werden dabei Preisreduktionen von 20 – 40 % für möglich erachtet [6].

 
  • Literatur

  • 1 Robert Koch-Institut; Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. Hrsg. Krebs in Deutschland 2011/2012. 10. Ausgabe. Berlin: 2015: 74-77
  • 2 Luengo-Fernandez R, Leal J, Gray A. et al. Economic burden of cancer across the European Union: a population-based cost analysis. Lancet Oncol 2013; 14: 1165-1174
  • 3 Rugo HS, Linton KM, Cervi P. et al. A clinicianʼs guide to biosimilars in oncology. Cancer Treat Rev 2016; 46: 73-79
  • 4 Oh MJ, Hua S, Kim U. et al. Analytical detection and characterization of biopharmaceutical glycosylation by MS. Bioanalysis 2016; 8: 711-727
  • 5 IMS Institute forHealth Informatics. Global Medicines Use in 2020: Outlook and Implications. Parsippany: IMS Institute for Health Informatics 2015
  • 6 IMS Institute forHealth Informatics. Delivering on the Potential of biosimilar Medicines. Parsippany: IMS Institute for Health Informatics 2016
  • 7 European Medicines Agency. Guideline on similar biological medicinal products containing monoclonal antibodies non-clinical and clinical issues. Online: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Scientific_guideline/2012/06/WC500128686.pdf Stand: 20.09.2017
  • 8 Thill M. New frontiers in oncology: biosimilar antibodies for the treatment of breast cancer. Expert Rev Anticancer Ther 2015; 15: 331-338
  • 9 Thill M. Biosimilare Antikörper als Herausforderung – ist Evidenz übertragbar?. Kompendium Biosimilars 2016; 1: 19-23
  • 10 World HealthOrganization. Guidelines on Evaluation of monoclonal Antibodies as similar biotherapeutic Products (SBPs). Geneva, Switzerland: World Health Organization 2016
  • 11 European Medicines Agency. Remsima European Public Assessment Report. 2013 Online www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Product_Information/human/002576/WC500150871.pdf Stand: 12.04.2014
  • 12 Cortes J, Curigliano G, Dieras V. Expert perspectives on biosimilar monoclonal antibodies in breast cancer. Breast Cancer Res Treat 2014; 144: 233-239
  • 13 Tabernero J, Vyas M, Giuliani R. et al. Biosimilars: a position paper of the European Society for Medical Oncology, with particular reference to oncology prescribers. ESMO Open 2016; 1: e000142 . doi:10.1136/esmoopen- 2016–000142
  • 14 Jackisch C, Lammers P, Jacobs I. Evolving landscape of human epidermal growth factor receptor 2-positive breast cancer treatment and the future of biosimilars. Breast 2017; 32: 199-216
  • 15 Jackisch C, Scappaticci FA, Heinzmann D. et al. Neoadjuvant breast cancer treatment as a sensitive setting for trastuzumab biosimilar development and extrapolation. Future Oncol 2015; 11: 61-71