Krankenhaushygiene up2date 2008; 3(3): 196-201
DOI: 10.1055/s-2008-1077658
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MRSA weiter auf dem Vormarsch

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Publication Date:
07 October 2008 (online)

Boucher HW, Corey GR: Epidemiology of Methicillin-Resistant Staphylococcus aureus. Clin Infect Dis 2008; 46 Suppl 5: S344 – 349

Boucher und Corey stellen in ihrer Veröffentlichung die sich wandelnde Epidemiologie von S. aureus, insbesondere von MRSA, der letzten Jahre dar. S. aureus-Infektionen fordern immer mehr Ressourcen im Gesundheitssektor und führen zu gesteigerter Morbidität und Mortalität.

Als besonders besorgniserregend wird die kontinuierliche Zunahme von MRSA-Stämmen angesehen. In einer Untersuchung der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA in den Jahren 1999/2000 wurden 43,2 % aller S.-aureus-Infektionen durch MRSA verursacht. Ein großes Surveillance-Programm in den USA zu nosokomialen Blutstrom-Infektionen konnte zeigen, dass der Prozentsatz der MRSA an allen S. aureus-Infektionen von 22 % im Jahr 1995 auf 57 % im Jahr 2001 angestiegen ist. Ähnlich wie in Europa, wo die MRSA-Inzidenz zwischen 1999 und 2001 in Island bei 0,5 %, in Griechenland dagegen bei 44 % lag, gibt es auch in den USA geografische Unterschiede mit höheren MRSA-Raten im Süden. Gut belegt ist außerdem die höhere Mortalität bei Infektionen durch MRSA im Vergleich zu durch sensible S.-aureus-Stämme (MSSA) verursachte. Als Ursache kommt zum einen eine höhere Virulenz der MRSA-Stämme in Frage, andere Wissenschaftler wiederum sehen den Grund in einer Patientenselektion, da ältere Patienten mit schweren zugrunde liegenden Begleiterkrankungen bevorzugt an MRSA erkranken. Sicherlich tragen zur schlechteren Heilungsrate auch die eingeschränkten Möglichkeiten der antibiotischen Therapie bei.

Einen Schwerpunkt legen die Autoren dieser Übersicht auf das gehäufte Auftreten der sogenannten Community aquired MRSA (= ambulant erworbene MRSA, Abk.: cMRSA). Die ersten Infektionen mit cMRSA wurden 1993 bei den australischen Aborigines beobachtet, die bislang keinen Kontakt zum Gesundheitswesen gehabt hatten. Zu den Risikogruppen gehören Kinder, Sportler (v. a. in Kontaktsportarten), Homosexuelle, i.v. Drogenabhängige, Soldaten, Personen, die in Strafanstalten oder Heimen leben, Tierärzte, Haustierbesitzer, Schweinezüchter, Personen über 65Jahre, Personen afrikanischer Herkunft, vorangegangene Influenza-ähnliche Infektionen oder schwere Pneumonien und begleitende Haut- und Weichteilinfektionen. Häufig finden sich bei Ausbrüchen mangelnde Hygienevorkehrungen bei den betroffenen Personen wie z. B. vernachlässigte Händehygiene, gemeinsame Benutzung von Handtüchern oder der Verzicht auf das Duschen vor der gemeinsamen Benutzung eines Whirlpools.

Ambulant erworbene MRSA haben sich wahrscheinlich aus bestehenden MSSA-Klonen entwickelt, die Gene für das PVL (Panton-Valentine-Leukozidin)-Toxin besitzen. Durch das Einbringen des kleineren mobilen SCCmec Typ IV (SCC = staphylococcal cassette chromosome) in diese MSSA, besitzen cMRSA Resistenzfaktoren und mehr Toxine, die möglicherweise einen Fitness-Vorteil mit sich bringen. Im Gegensatz zu den nosokomial erworbenen MRSA sind cMRSA jedoch gegen viele Nicht-β-Lactam-Antibiotika empfindlich. Klinisch präsentieren sich ambulant-erworbene MRSA-Infektionen oft als eitrige Haut- und Weichteilinfektionen. In einer amerikanischen Multicenter-Studie von 2006 waren cMRSA mit 59 % der häufigste Grund für solche Infektionen bei Patienten in der Notaufnahme. Diese Patienten sprachen gut auf eine Inzision und Drainage an und schienen keine Nachteile durch den Erhalt ungeeigneter Antibiotika zu haben. cMRSA können jedoch auch schwere Infektionen wie nekrotisierende Fasciitis, Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom, Empyem, Pneumonien nach Influenza, septische Thrombophlebitis, Pyomyositis mit oder ohne Osteomyelitis oder septische Arthritis und Septikämie verursachen. cMRSA treten allerdings auch bei hospitalisierten Patienten mit Risikofaktoren für eine nosokomial erworbene MRSA-Infektion auf. In einer Studie wurden die MRSA-Raten und -Trends in Krankenhäusern, die bei NNIS (National Nosocomial Infections Surveillance System) teilnahmen, vorgestellt. Während es einen jährlichen Anstieg der mit dem Gesundheitswesen assoziierten MRSA-Raten zwischen 1992 und 2003 gab, beobachteten die Untersucher eine signifikante Abnahme der Resistenz gegen Nicht-β-Lactam-Antibiotika und damit verbunden einen signifikanten Anstieg der in den USA dominierenden cMRSA-Stämme USA 300 und 400.

Fazit: Trotz der höheren Empfindlichkeit der cMRSA gegen Nicht-β-Lactam-Antibiotika halten es die Autoren für unabdingbar, ein besseres Verständnis über diese Erreger zu erlangen, da Infektionen trotz adäquater Therapie häufig sehr gefährlich verlaufen.

Dr. med. Sibylle Wenzler-Röttele, Freiburg

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