Aktuelle Neurologie 2008; 35(7): 327
DOI: 10.1055/s-2008-1067539
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Leitlinien für Diagnose und Therapie in der Neurologie

New DGN Guidelines for Neurological DiseasesG.  Deuschl, H.  Reichmann
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Publication History

Publication Date:
25 August 2008 (online)

Prof. Dr. med. Günther Deuschl
1. Vorsitzender der DGN

Prof. Dr. med. Heinz Reichmann
3. Vorsitzender der DGN

Rechtzeitig zum Neurologen-Kongress in Hamburg in diesem Jahr erscheint die 4. Auflage der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie in der Neurologie im Thieme Verlag. Die Leitlinien sind eine Erfolgsgeschichte in Zeiten, in denen Kostenträger und Patienten zurecht verlangen, dass diagnostische Maßnahmen rational eingesetzt und dass in der Therapie Methoden und Medikamente eingesetzt werden, deren Wirksamkeit in kontrollierten Studien belegt ist. Hier gibt es in den letzten Jahren in den großen Feldern der Neurologie wie Epilepsie, Schlaganfall, Multiple Sklerose, Parkinson, Hirntumoren, Schmerzen und Kopfschmerzen bedeutsame Fortschritte. Erschreckend ist aber auch, dass es bei vielen der nicht so häufigen Krankheiten in der Neurologie praktisch keine wissenschaftliche Evidenz aus randomisierten Studien zur Therapie gibt. Um diesen Mangel zu beseitigen ist das gemeinsame Forschungsförderungsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Klinische Studien” bislang nicht ausreichend.

Was unterscheidet die Neuauflage der Leitlinien von der letzten Version? Am wichtigsten ist natürlich die Einarbeitung des medizinischen Fortschritts. Es sind aber auch zahlreiche neue Diagnose- und Therapieleitlinien hinzugekommen. Außerdem wurden jeweils Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz und aus Österreich hinzugezogen, was den Horizont der Arbeitsgruppen sichtlich erweitert hat. Desgleichen haben wir uns bemüht, über den Berufsverband der Neurologen auch niedergelassene Neurologen stärker einzubeziehen, um sicherzugehen, dass deren Erfahrung aus der Umsetzung von Leitlinien in der täglichen Praxis Berücksichtigung finden. Besonders stark ausgeweitet wurde der Abschnitt zu Leitlinien zur Diagnostik und Therapie in der Neurologischen Rehabilitation. In bewährter Weise finden Sie auch die Clinical Pathways wieder, die sicher Eingang in die Standard Operating Procedures (SOPs) vieler neurologischer Abteilungen gewinnen werden.

Viele werden sich fragen, warum die Deutsche Gesellschaft für Neurologie vorwiegend S1- und S2-Leitlinien verfasst. Die Erstellung von S3-Leitlinien ist deutlich aufwendiger und teuerer und daher werden wir diesen Weg nur bei den großen Krankheiten gehen und werden dies nach und nach tun. Hauptsächlich verantwortlich dafür sind die umfangreichen Literaturrecherchen und der zeit- und personalaufwendige Konsensus-Prozess mit dem die S3-LL geeinigt werden. Bislang ist die Demenz zusammen mit den Psychiatern in Arbeit. Konkrete Pläne gibt es für weitere Krankheiten. Wir glauben aber, dass es für viele neurologische Krankheiten auch ausreichend ist, S2-Leitlinien zu verfassen, da nicht für alle Krankheiten – auch wenn sie häufig sind – sehr umfangreiche Literaturrecherchen nötig sind und auch der für S3-Leitlinien geforderte Konsensus-Prozess nicht immer sinnvoll und notwendig ist. Uns ist es besonders wichtig die Leitlinien auch in Patientenleitlinien zu übersetzen. Bei dieser Gelegenheit machen wir auch darauf aufmerksam, dass es die wichtigsten Leitlinien und auch die Patientenleitlinien auf den Webseiten der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und auch des Berufsverbandes der Neurologen gibt und dass Sie diese in Ihrem Praxisalltag durchaus einsetzen sollten (http://www.bv-neurologe.de/mitglieder/show_projekt.php?&pro_id=6; http://www.dgn.org/249.0.html).

Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Neurologie dankt der Leitlinienkommission, dass Sie die Herkulesaufgabe vollbracht hat 106 Leitlinien mit insgesamt über 800 Autoren termingerecht in so vorbildlicher Weise fertig zu stellen. Besonders danken wir Herrn Kollegen Diener, der von Anfang an mit einer kleinen Gruppe dieses große Unternehmen initiiert und über all die Jahre geleitet hat. Dank auch an die Mitwirkenden des Thieme Verlages, die für alle Probleme Verständnis hatten. Die Gesellschaft kann auf unsere Leitlinien sehr stolz sein. Sie finden auch international große Beachtung.

Kiel, Dresden, im September 2008
G. Deuschl, H. Reichmann

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