Klin Monbl Augenheilkd 1995; 207(12): 361-367
DOI: 10.1055/s-2008-1035390
© 1995 F. Enke Verlag Stuttgart

Revisionsoperationen nach Tenotomie des Musculus rectus medialis

Reoperations After Tenotomy of the Medial RectusThomas Krzizok1 , Herbert Kaufmann1 , Maria Kött2
  • 1Universitäts-Augenklinik für Schielbehandlung und Neuroophthalmologie Gießen (Leiter: Prof. Dr. H. Kaufmann)
  • 2Augenklinik am Klinikum Buch in Berlin (Leiter: PD Dr. D. E. Möller)
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Publication History

Manuskript erstmals eingereicht am 11. 07. 1995

in der vorliegenden Form angenommen am 12. 08. 1995

Publication Date:
08 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Revisionsoperationen nach Tenotomie des M. rect. med. sind auch heute noch nötig. Die Besonderheiten dieser Revisionen sollen untersucht und das bestgeeignete Verfahren diskutiert werden. Die dabei gefundenen Ergebnisse sollen die Frage beantworten, ob eine Tenotomie an einem geraden Augenmuskel noch empfehlenswert ist und welche Ergebnisse eine Revision dieser Eingriffe zeigt.

Patienten Bei 143 Patienten mußte wegen einer konsekutiven Exotropie nach Medialis-Tenotomie eine Reoperation erfolgen. Entweder wurde nur der M. rect. med. an die physiologische Insertion vorgelagert (Gruppe 1, n = 101) oder es wurde zusätzlich eine Rücklagerung des M. rect. lat. durchgeführt (Gruppe 2, n = 12). Die zusätzliche Rücklagerung des M. rect. lat. erfolgte nur dann, wenn der Limbusabstand des M. rect. med. kleiner als 16 mm war und keine wesentliche Adduktionseinschränkung bestand. Anhand dieser 2 Gruppen wollten wir herausfinden, welches Vorgehen am sinnvollsten ist.

Ergebnisse Die Muskelscheide des tenotomierten M. rect. med. lag in Gruppe 1 bei 7 mm (Median), während der Muskel selbst erst in durchschnittlich 18 mm (Vertrauensintervall 13,5-25 mm) Limbusabstand auffindbar war. In Gruppe 2 bestand mit 6 mm kein signifikanter Unterschied im Limbusabstand der Muskelscheide des M. rect. med.; allerdings zeigte sich im Gegensatz zu Gruppe 1 Muskelgewebe bereits in 12 mm Limbusdistanz (Vertrauensintervall 6-18 mm). Nach alleiniger Vorlagerung an die physiologische Insertion bestand postoperativ eine deutliche Abduktionseinschränkung mit Bulbusretraktion. Diese unangenehmen Nebeneffekte nahmen im Laufe von Tagen bis Wochen ab bei einer gleichzeitigen Reduktion des Effektes 3 Monate postoperativ auf 83%. Bei Blick geradeaus wurde eine Augenstellung von durchschnittlich -3° in der Ferne und von durchschnittlich - 4° in der Nähe erreicht bei einer ziemlich großen Spannbreite. In Gruppe 1 wurde die horizontale Beweglichkeit um 15°. in Gruppe 2 nur um 10° gebessert. Die Inkomitanz im Rechts-Linksblick wurde in Gruppe 1 um 4°, in Gruppe 2 überhaupt nicht gebessert.

Diskussion Primäres Ziel einer Revisionsoperation nach Tenotomie sollte sein, den Muskel selbst zu finden und an seine physiologische Insertion vorzulagern. Postoperativ ist der Patient durch die ggf. erhebliche Abduktionseinschränkung und den Enophthalmus beeinträchtigt. Beides ist rückläufig, wenn sich langsam die Kontraktur des M. rect. med. löst. Die gleichzeitige Rücklagerung des M. rect. lat. kann möglicherweise die Lösung der Kontraktur reduzieren oder gar verhindern und ist u.E. nach einer Tenotomie nicht dosierbar - im Gegensatz zur Revision einer dosierten Rücklagerung des M. rect. medialis. Ein Beweis der Überlegenheit der alleinigen Medialis-Vorlagerung ist durch diese retrospektive Studie nicht möglich, jedoch zeigte sich bei dieser Methode eine deutlichere Verbesserung der horizontalen Beweglichkeit als bei zusätzlicher Rücklagerung des M. rect. lateralis. Aufgrund der Schwierigkeiten der Revision einer Tenotomie sollte u.E. heute keine ungesicherte Tenotomie eines geraden Augenmuskels mehr erfolgen.

Summary

Background Although tenotomy of the medial rectus (MR) is generally regarded to be obsolete, consecutive exotropia after this procedure, requiring a reoperation, still occurs.

Patients and Methods In 143 patients a reoperation after tenotomy of the MR had to be performed because of consecutive exotropia. Either only the MR was sutured at the original insertion (advancement; this constitutes group 1. n = 101) or the lateral rectus (LR) was recessed in addition (group 2, n = 12). The recession of the LR was only added if the adduction was not distinctly limited and if the distance of the MR from the limbus was less than 16 mm. We wanted to find out whether the procedure in group 1 or 2 gave the better results.

Results In group 1 the muscle sheath of the MR was found at a distance of 7 mm (median), the muscle itself at a distance of 18 mm from the limbus (confidence interval 13.5-25 mm). In group 2 the distance of the muscle sheath from the limbus was similar to group 1. the muscle itself was found already at a distance of 12 mm from the limbus (confidence interval 6-18 mm). After reinsertion of the muscle at the original insertion without recession of the LR. a distinct limitation of abduction combined with a globe retraction was seen immediately after surgery. A spontaneous release of the old contracture reduced these troublesome side effects. Three months postoperatively the initial surgical effect had diminished to 83%. The average postoperative squint angle was - 3° at 5 m and -4° at 0.33 m with a high scatter. In group 1 [group 2 in brackets], the range of the horizontal motility was improved by 15° [10°] (median) and the incomitance, i.e. the difference between the angle of squint at 25° gaze to the right and to the left, by 4° [0°, i.e. no improvement]. Thus, this postoperative improvement was smaller in cases of simultaneous recession of the LR (group 2).

Discussion The most important aim in a reoperation after tenotomy of the MR is to find the muscle itself and to suture it to the original insertion. It can be expected that the contracture of the MR will loosen when the muscle is put under increased tension. This effect will be less if the LR is recessed in addition to the advancement of the MR. Consistent with this assumption, our not randomized, retrospective study revealed a better horizontal motility after advancement of the MR alone. Because of the difficulties in revising a tenotomy, we strongly advise a graded recession rather than any form of tenotomy.

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