physioscience 2008; 4(3): 138-139
DOI: 10.1055/s-2008-1027708
Veranstaltungsbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Physiokongress 2008 – im Blick: Neurowissenschaft aktuell

H. Thieme1
  • 1Erste Europäische Schule für Physiotherapie, Ergotherapie und Sporttherapie, Klinik Bavaria Kreischa, Dresden
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Publication Date:
15 August 2008 (online)

Vom 12.–15. Juni 2008 trafen sich in Fellbach bei Stuttgart rund 1300 Teilnehmer zum physiokongress 2008. Nun schon zum 3. Mal stand ein Teil der Veranstaltung ganz im Zeichen der Neurowissenschaften. Nach Schlaganfall (2006) und Multipler Sklerose (2007) stellten die Herausgeber der Zeitschrift Neurologie & Rehabilitation in diesem Jahr Morbus Parkinson ins Zentrum des Neurowissenschaftstages. In ihren hochkarätigen Vorträgen präsentierten 6 Referenten den Zuhörern ein breites Spektrum an Themen rund um das Krankheitsbild. Ausgehend von Pathophysiologie und Diagnose über medizinische Interventionsmöglichkeiten bis hin zur wissenschaftlichen und praktischen Betrachtung physiotherapeutischer Behandlungsmethoden wagten sie einen Rundumschlag zum Thema Rehabilitation des Morbus Parkinson. Prof. Dr. Wolfgang Jobst brachte den Zuhörern hochkompetent und praxisnah die diagnostischen Kriterien eines idiopathischen Parkinson-Syndroms näher und zeigte anhand von Fallbeispielen die Differenzialdiagnose zu atypischen und sekundären Parkinson-Störungen. Er machte die unterschiedlichen Ursachen und damit zusammenhängenden Behandlungsansätze deutlich und verwies auf unterschiedliche Prognosen der Erkrankungen. Als Antwort auf eine Frage aus dem Publikum versuchte Prof. Jobst den Physiotherapeuten ihre Kompetenz als wichtiger Partner der Ärzte auch im Bezug zur Diagnosestellung zu verdeutlichen.

Dr. Durner erläuterte die aktuellen pharmakologischen und chirurgischen Interventionsmöglichkeiten bei Patienten mit Morbus Parkinson. Neben der immer noch wichtigsten Form der medikamentösen Behandlung mit Levodopa stellte er die Gruppe neuerer Medikamente vor, die zum Teil sehr kurzfristig wirksam sind und so die Lebensqualität der Patienten deutlich steigern können. Er machte deutlich, welchen Einfluss die Medikation auf die physiotherapeutische Behandlung haben kann und wie Physiotherapeuten und Ärzte die Nebenwirkungen einer medikamentösen Therapie erkennen. Als Möglichkeit für einen ausgewählten Anteil von Parkinson-Patienten zeigte er die modernen Verfahren der chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten. Hier hat sich in den letzten Jahren die tiefe oder stereotaktische Hirnstimulation zu einer gut untersuchten und effektiven Behandlung verschiedener Symptome entwickelt.

Einen Einblick in die multidisziplinäre Rehabilitation gab Prof. Dr. Michael Jöbges. Eindrucksvoll präsentierte er die vielfältigen Probleme der Patienten auf motorischer und nicht motorischer Ebene und betrachtete effektive Behandlungsmöglichkeiten, aber auch fehlende Ansätze für die wichtigsten Symptome. Gerade im Bereich der Sprech- und Schluckstörungen konnten eindrucksvolle Ergebnisse mit konservativen Behandlungsmethoden erreicht werden. Im letzten Teil des Vortrags stellte er die motorische Rehabilitation und speziell die Physiotherapie in den Mittelpunkt seiner Erläuterungen.

Prof. Dr. Jan Mehrholz griff das Thema im anschließenden Vortrag auf. Zu Beginn verwies er auf die wissenschaftlichen Ergebnisse neuerer Untersuchungen, die den eventuellen neuroprotektiven Effekt körperlicher Aktivität nahelegen und auch bei Patienten mit Morbus Parkinson die Möglichkeiten des motorischen Lernens verdeutlichen. Im Mittelpunkt seiner kritischen Betrachtungen standen die Verbesserung von Stand- und Gangaktivitäten durch gezieltes Gleichgewichts- und Krafttraining, die Reduzierung der Sturz- und Verletzungsgefahr und gezielte Interventionen zur Verbesserung von Gehaktivitäten. Dabei machte er auch deutlich, dass es derzeit nur wenige hochwertige Studien zum Thema Physiotherapie bei Morbus Parkinson gibt und damit ein weites Forschungsfeld für die Physiotherapeuten offensteht.

Frauke Schroeteler erläuterte in ihrem Vortrag die Schnittstelle zwischen Evidenz und Praxis. Sie stellte die Ergebnisse von Studien zum Einsatz von externen Schrittmachern und dem Laufband in der Therapie und Rehabilitation von Patienten mit Morbus Parkinson vor und zeigte anhand von Video- und Fallbeispielen deren klinischen Einsatz.

Fazit: Der Neurowissenschaftstag ist eine große Bereicherung für den physiokongress. Er zeigt deutlich die Schnittstellen zwischen Medizin und Physiotherapie auf und bringt beide Berufsgruppen in einen wissenschaftlichen und praxisnahen Diskurs.

Holm Thieme

BSc (PT), MSc (PT), Erste Europäische Schule für Physiotherapie, Ergotherapie und Sporttherapie, Klinik Bavaria Kreischa

Dresdner Str. 12

01731 Kreischa

Email: holm_thieme@yahoo.de

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