Sprache · Stimme · Gehör 2007; 31(4): 176
DOI: 10.1055/s-2007-992159
Kunst und Kommunikation

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bei der Kupplerin

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Publication Date:
03 December 2007 (online)

Jan Vermeer van Delft wurde 1632 in Delft (Niederlande) geboren und starb dort 1675. Zu Lebzeiten konnte Vermeer von seiner Malerei ganz ordentlich leben (er hatte 15 Kinder), war aber relativ unbekannt, was vielleicht damit zu tun hat, dass er nur ein kleines Werk schuf: Heute gelten nur 37 Bilder gesichert als seine Werke. Im 17. und 18. Jahrhundert war Vermeer so gut wie vergessen, erst im 19. Jahrhundert wurde er wieder entdeckt. So fanden die Impressionisten sich in ihrer Auffassung der Wiedergabe natürlicher Lichtverhältnisse von Vermeer bestätigt. Privatsammler und Kunsthistoriker wurden zunehmend auf Vermeer aufmerksam, der heute zu den populärsten Malern des “Goldenen Zeitalters” der Niederlande zählt. Darunter versteht man die rund einhundert Jahre andauernde wirtschaftliche und kulturelle Hochzeit der niederländischen Geschichte, die in etwa mit dem 17. Jahrhundert identisch ist. In dieser Zeit wurden die Niederlande die führende Handelsmacht Europas. Kunsthistorisch wird Vermeer, wie Rubens, Rembrandt oder El Greco, dem Barock zugerechnet. Seine wenigen Bilder tauchen kaum auf Auktionen auf, und wenn, zu exorbitanten Preisen. Zuletzt wurde 2004 ein Vermeer für 30 Millionen Dollar ersteigert.[*]

Jan Vermeer van Delft, 1656, Öl auf Leinwand.

Sein Bild “Bei der Kupplerin” gehört zu den sogenannten Genrebilder, die schon mehrfach Gegenstand unserer Serie waren. Im speziellen Fall handelt es sich vermutlich um ein “Bordellbild” und dazu muss man wissen, dass das Thema Bordell im 17. Jahrhundert keineswegs so tabuisiert war wie heute (wiewohl es heute keineswegs weniger Bordelle und Prostituierte gibt als zur Zeit Vermeers). Die Zuordnung des Bildes ist insofern aber nicht ganz eindeutig, da es zwei verschiedene Interpretationen zulässt. Zum einen könnte es sich tatsächlich um eine Bordellszene handeln: Der Freier betatscht bereits die Prostituierte und zählt ihr Münzgeld in die Hand. Sie hält ein Weinglas in der Hand und hat eine rote Nase - Warnung vor dem Alkohol in dieser Branche! Im Hintergrund in Schwarz die namensgebende Kupplerin mit zufriedenem Grinsen (sie wird einen Teil des Hurenlohns abbekommen). Die Rolle des Herrn links ist ungeklärt, es könnte, so die Kunsthistoriker, Vermeer selbst sein. Es wäre sein einziges Selbstbildnis. (Oft haben sich Maler in ihren Bildern verewigt, Filmregiseure wie Alfred Hitchcock haben sich heutzutage gerne in winzigen Auftritten in ihre Werkle eingeschmuggelt).

Es könnte sich aber auch um eine Situation im häuslichen Kreis handeln, wenn auch eine pikante: Die Nachbarin (die Dame in Schwarz) hat ein Date zwischen der Frau und dem hinter ihr stehenden Mann organisiert und freut sich, dass ihr “Kuppeln” offenbar funktioniert. Dass der Mann der Frau Geld gibt, ließe die Frau für diesen Fall allerdings in schlechtem Licht erscheinen. Die Käuflichkeit der Liebe ist aber unstrittig das zentrale Motiv dieses Bildes.

Liebe als Zentralthema der Kommunikation haben wir schon in der letzten Folge unserer Serie erörtert. Das heutige Bild zeigt uns auf subtile Weise die Schwierigkeiten der Kommunikation: Was immer wir sagen oder anderweitig zum Ausdruck bringen, ist nur selten eindeutig. Entweder ist das Gesagte nicht eindeutig (gewollt oder auch nicht), oder der Angesprochene interpretiert das Gehörte (Gesehene) ganz anders, als es gemeint war. Welche Geschichte uns Vermeer erzählen wollte, werden wir leider nie erfahren…

Peter Eich

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