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DOI: 10.1055/s-2007-988059
Sakkadische Gegenrucke bei der langsamen Blickfolge als klinische Zeichen einer Myasthenia gravis
Für die Myasthenia gravis (MG) charakteristische klinische Merkmale können abnorm schnelle Sakkaden sein, trotz belastungsabhängig auftretendem, z.T. erheblich eingeschränktem Blickradius. Sie können auch unwillkürlich bei beabsichtigten Sakkaden auftreten oder – wie hier vorgestellt – bei der langsamen Blickfolge und sind dann klinisch sehr leicht zu erkennen. Sind sie von einem raschen Rückdrift (Glissaden) gefolgt, werden sie als „Quiver“ bezeichnet (Yee et al. 1976). Wir zeigen hier, dass Gegenrucke (square wave jerks) bei der langsamen Blickfolge Ausdruck abnorm schneller Sakkaden bei der MG sein können und klinisch leicht zu erkennen sind.
Pathophysiologischer Hintergrund für abnorm schnelle Sakkaden bei der MG könnten unterschiedlich betroffene extraokuläre Muskelfasertypen oder eine zentrale Hochregulation des sakkadischen Verstärkungsfaktors sein. Bei der sog. Pseudo-INO der MG konnte durch binokuläre Sakkadenanalysen gezeigt werden, dass die Sakkaden zu Beginn (erste 20%) konjugiert und erst im späteren Verlauf diskonjugiert verlaufen. Demzufolge können binokuläre Analyse helfen, um zu zeigen, dass bestimmte Muskelfasergruppen von der MG nicht betroffen werden.
Wir berichten über eine 60-jährige Patientin mit Antikörper-positiver okulärer Myasthenie, die über Wochen mit belastungsabhängigen Doppelbildern symptomatisch wurde. Klinisch zeigten sich bei langsamen Blickfolgebewegungen kleine unwillkürliche Sakkaden.
Bei der binokulären Registrierung (Eyelink II) zeigten sich während der langsamen Blickfolge unwillkürliche kleine zentripetale Sakkaden (sakkadische Intrusion) mit dynamischem Overshoot, die von einer (klinisch sichtbaren) zentrifugalen Sakkade nach kurzem intersakkadischen Intervall (200–400ms) gefolgt waren. Diese Gegenrucke waren schneller als bei gesunden Kontrollpersonen und im gesamten Bewegungsablauf asymmetrisch auf beiden Augen und diskonjugiert.
Zwei Schlussfolgerungen ergeben sich aus dieser Beobachtung:
1) Abnorm schnelle, unwillkürliche, kleine Sakkaden (square wave jerks mit dynamischen Overshoot) lassen sich vor allem bei der langsamen Blickfolge beobachten und können hinweisend für eine MG sein.
2) Die überschnellen willkürlichen und unwillkürlichen Sakkaden reflektieren am ehesten eine zentrale Sakkadengain-Hochregulation bei abnorm ermüdbaren Augenmuskeln, von denen sowohl schnelle (pale global layer) wie langsame Muskelfasern (orbital layer) betroffen zu sein scheinen (diskonjugiertes Sakkadenprofil).