Einführung: Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule sind die häufigste Ursache
einer Nervenkompression. Durch die polysegmentale und zum Teil variable Innervation
der Muskulatur der unteren Extremitäten, durch Segmentationsanomalien der Lendenwirbelsäule
und durch einen bildgebend morphologischen Mehretagenbefund kann die klinische Einschätzung
schwierig sein. Die Elektromyographie der Extremitätenmuskulatur und der paraspinalen
Muskulatur in Verbindung mit der statischen (Schnittbildgebung) oder dynamischen Bildgebung
(Funktionsmyelographie) erhöht die Wahrscheinlichkeit die klinisch relevante Läsion
einzugrenzen.
Ziel der Untersuchung: Erfassung des Verteilungsmusters axonaler Schädigungszeichen
in der elektromyographischen Untersuchung bei klinisch und bildgebend monosegmentalen
radikulären Läsionen der Wurzeln L5 und S1. Ausbreitung der paravertebralen axonalen
Läsionszeichen und Vergleich mit den elektromyographischen Befunden der Extremitätenmuskulatur.
Korrelation der Bildgebung mit der Elektromyographie.
Methoden:
1. Analyse von 10 Patienten mit klinisch und bildgebend monosegmentalem L5-Syndrom
und 12 Patienten mit einem S1-Syndrom bei jeweils mediolateralem oder extraspinalem
Bandscheibenvorfall.
2. Elektromyographie a) ipsilateral: M. Gastrocnemius caput mediale und laterale,
M. tibialis anterior, M. peroneus longus, M. rectus femoris, M. gluteus medius und
maximus und b) bilateral: Paraspinalmuskulatur.
3. Vergleich der elektromyographischen Befunde mit der Bildgebung (Schnittbildgebung;
Funktionsmyelographie).
Ergebnisse: Die paraspinale Ausbreitung axonaler Schädigungszeichen bei monosegmentalen Bandscheibenvorfällen
LWK4/5 und LWK5/SWK1 reicht nach kranial ipsilateral bis auf Höhe LWK2, nach kaudal
bis SWK2. Auch bildgebend reine L5-Läsionen können im M. gastrocnemius axonale Schädigungszeichen
verursachen. Klinisch ist der M. gluteus medius in den meisten Fällen einer S1-Kompression
mitbetroffen. MR- und CT-bildgebend monosegmentale Bandscheibenvorfälle können myelographisch
sowohl kranial als auch kaudal der hernierten Bandscheibe eine Wurzelkompression unter
Belastung des Körpergewichtes verursachen.
Schlussfolgerung: Bei radikulären Syndromen ohne eindeutig zuordenbares morphologisches Korrelat ist
eine suffiziente Beurteilung nur durch die Synthese von Schnittbildgebung, Elektromyographie
und ggf. Funktionsmyelographie möglich.