Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P753
DOI: 10.1055/s-2007-988022

Ocular flutter bei HIV-assoziierter Encephalitis

F Müller-Sarnowski 1, F Weber 1, M Schneider 1
  • 1München

Als ocular flutter wird ein seltenes Krankheitsbild bezeichnet, das durch unwillkürliche, sehr schnelle und konjugierte Sakkaden in der Horizontalebene charakterisiert ist. Betroffene klagen häufig über Scheinbewegungen der Umwelt (Oszillopsien). Als Ursache wurden insbesondere paraneoplastische Syndrome, Intoxikationen und virale Infektionen angenommen. Bisher konnte nach unserer Kenntnis jedoch kein spezifischer Erreger mit einem ocular flutter in Verbindung gebracht werden.

Wir berichten über einen videodokumentierten Fall von ocular flutter im Rahmen einer HIV-assoziierten Encephalitis.

Die 44-jährige Patientin ist seit ca. 20 Jahren infiziert und leidet unter AIDS im Stadium C3 der CDC-Klassifikation (1996). Eine CMV-Retinitis hat zu einer Amaurosis des rechten Auges geführt. Im Vordergrund des Beschwerdebildes steht neben einem ocular flutter mit Oszillopsien eine Ataxie, die gemäß dem klinischen Bild am ehesten cerebellären Ursprungs ist. Sicheres selbständiges Stehen und Gehen ist nur mithilfe eines Rollators möglich.

Gängige paraneoplastische bzw. antineuronale AK lagen nicht vor (Yo, Hu, Ri, Ma2, CV2, Amphiphysin). In einer cMRT fielen keinerlei Parenchymalterationen auf. Auch in einem Röntgenthorax und CCT des Abdomens fand sich kein Anhalt für ein Malignom.

Eine Vaskulitisserologie (ANA, dsDNS-Ak, pANCA, cANCA, Antistreptolysin O, RF, C3, C4 CRP, ACE) ergab einen unauffälligen Befund.

Eine Liquorpunktion zeigte ein entzündliches Liquorsyndrom mit auf 52/µl erhöhter Zellzahl, stark aktiviertem Zellbild, mittelgradiger Schrankenstörung und autochtoner IgG-Synthese. Lactat und Glucose lagen in der Norm. In Liquorkultur und Serologie wurden mit Ausnahme von HIV weder bakterielle (Aerobier/Anaerobier, Borreliose, Lues), noch floride virale Infektionen (HSV1/2, CMV, VZV, EBV, FSME, Coxsackie A/B, Masern, Mumps, Hepatitis A/B/C), Parasiten (Toxoplasmose) oder Pilze nachgewiesen. Die HIV-Viruslast betrug unter Behandlung mit Proteaseinhibitoren (Lopinavir/Ritonavir; Kaletra®) 4760 Kopien/ml im Serum und 1210 Kopien/ml im Liquor.

Als Ursache des ocular flutters nehmen wir eine HIV-assoziierte Encephalitis an. Umschriebene Läsionen waren nicht darstellbar. Eine Schädigung des Cerebellums ist aufgrund der Klinik jedoch wahrscheinlich. Die Befunde stützen die These, dass diffuse Parenchymschäden, wie sie z.B. durch virale Infektionen, Noxen und paraneoplastische Syndrome verursacht werden eine wesentliche pathogenetische Rolle spielen.