Kasuistik: Wir berichten über eine 34-jährige Patientin, die seit drei Tagen vor Aufnahme über
Fieber bis 40°C und Schüttelfrost klagte. Am Morgen des Aufnahmetages fiel der Patientin
auf, dass sie in die Ferne nur verschwommen sehen konnte. Beim primär konsultierten
Augenarzt wurde eine akute Myopie von –6 Dioptrien festgestellt. Aufgrund der sich
im Laufe des Tages rasch entwickelnden stärksten Kopfschmerzen wurde die Patientin
zum Ausschluss einer Meningitis neurologisch vorgestellt.
Diagnostik: Bis auf die Myopie waren der neurologische und auch der internistische Aufnahmebefund
unauffällig. Die Computertomographie des Zerebrums sowie die Liquoruntersuchung erbrachten
einen regelrechten Befund. Im Aufnahmelabor zeigten sich eine Thrombozytopenie von
84.000/µl sowie ein erhöhtes CRP von 57,82mg/l. Die übrigen Laborparameter lagen im
Normbereich, insbesondere die Nierenwerte (Kreatinin 0,86mg/dl, Harnstoff 23mg/dl).
36 Stunden nach Aufnahme lag das Kreatinin bei 3,19mg/dl, der Maximalwert lag am sechsten
Tag nach Aufnahme bei 6,24mg/dl. In der Proteindiagnostik im Urin fand sich eine isolierte
kummuläre Proteinurie. Eine Hämaturie war nicht vorhanden. Serologisch fanden sich
positive Banden (IgG und IgM) für Hantaviren des Subtyps Puumala.
Diagnose: Hantavirusinfektion vom Subtyp Puumala.
Therapie und Verlauf: Unter einer symptomatischen Therapie mit ausreichender Flüssigkeitssubstitution und
regelmäßigen Kontrollen der Nierenretentionsparameter waren die Beschwerden komplett
rückläufig.
Diskussion: Die Gattung Hantavirus enthält mehrere Arten (oder Serotypen) von Viren, die man
nach den klinischen Symptomen in 2 Gruppen einteilen kann: 1. Die Erreger der Nephropathia
epidemica und des hämorrhagischen Fiebers mit renalem Syndrom. 2. Die Erreger des
Hantavirus pulmonalen Syndroms. Die Infektionsquelle sind Nager, die Infektion erfolgt
durch Inhalation von Aerosolen von Urin, Fäzes und Speichel der Tiere.
Die in unserem Fall vorliegende Nephropathia epidemica zeichnet sich durch einen milden
Verlauf mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopf-, Abdominal- und Flankenschmerzen
aus. In der Frühphase ist eine transiente Thrombozytopenie typisch. Im Verlauf kommt
es zur Oligurie, Proteinurie und Hämaturie, anschließend zur Polyurie. Eine plötzlich
auftretende transiente Myopie konnte bei 8,1% der Patienten gefunden werden. Ist sie
vorhanden, so ist sie nahezu pathognomonisch für diese Erkrankung.