Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P745
DOI: 10.1055/s-2007-988014

Akute Myopie, stärkste Kopfschmerzen und Fieber nach Hantavirusinfektion

A Ziegler 1, M Kellerer 1, K Demuth 1, A Lindner 1
  • 1Stuttgart

Kasuistik: Wir berichten über eine 34-jährige Patientin, die seit drei Tagen vor Aufnahme über Fieber bis 40°C und Schüttelfrost klagte. Am Morgen des Aufnahmetages fiel der Patientin auf, dass sie in die Ferne nur verschwommen sehen konnte. Beim primär konsultierten Augenarzt wurde eine akute Myopie von –6 Dioptrien festgestellt. Aufgrund der sich im Laufe des Tages rasch entwickelnden stärksten Kopfschmerzen wurde die Patientin zum Ausschluss einer Meningitis neurologisch vorgestellt.

Diagnostik: Bis auf die Myopie waren der neurologische und auch der internistische Aufnahmebefund unauffällig. Die Computertomographie des Zerebrums sowie die Liquoruntersuchung erbrachten einen regelrechten Befund. Im Aufnahmelabor zeigten sich eine Thrombozytopenie von 84.000/µl sowie ein erhöhtes CRP von 57,82mg/l. Die übrigen Laborparameter lagen im Normbereich, insbesondere die Nierenwerte (Kreatinin 0,86mg/dl, Harnstoff 23mg/dl). 36 Stunden nach Aufnahme lag das Kreatinin bei 3,19mg/dl, der Maximalwert lag am sechsten Tag nach Aufnahme bei 6,24mg/dl. In der Proteindiagnostik im Urin fand sich eine isolierte kummuläre Proteinurie. Eine Hämaturie war nicht vorhanden. Serologisch fanden sich positive Banden (IgG und IgM) für Hantaviren des Subtyps Puumala.

Diagnose: Hantavirusinfektion vom Subtyp Puumala.

Therapie und Verlauf: Unter einer symptomatischen Therapie mit ausreichender Flüssigkeitssubstitution und regelmäßigen Kontrollen der Nierenretentionsparameter waren die Beschwerden komplett rückläufig.

Diskussion: Die Gattung Hantavirus enthält mehrere Arten (oder Serotypen) von Viren, die man nach den klinischen Symptomen in 2 Gruppen einteilen kann: 1. Die Erreger der Nephropathia epidemica und des hämorrhagischen Fiebers mit renalem Syndrom. 2. Die Erreger des Hantavirus pulmonalen Syndroms. Die Infektionsquelle sind Nager, die Infektion erfolgt durch Inhalation von Aerosolen von Urin, Fäzes und Speichel der Tiere.

Die in unserem Fall vorliegende Nephropathia epidemica zeichnet sich durch einen milden Verlauf mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopf-, Abdominal- und Flankenschmerzen aus. In der Frühphase ist eine transiente Thrombozytopenie typisch. Im Verlauf kommt es zur Oligurie, Proteinurie und Hämaturie, anschließend zur Polyurie. Eine plötzlich auftretende transiente Myopie konnte bei 8,1% der Patienten gefunden werden. Ist sie vorhanden, so ist sie nahezu pathognomonisch für diese Erkrankung.