Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P736
DOI: 10.1055/s-2007-988006

Entkopplung des astrozytären Synzytiums durch Liquores von Multiple Sklerose Patienten

PM Faustmann 1, A Haghikia 1, D Smikalla 1, D Hinkerohe 1, A Chan 1, R Dermietzel 1
  • 1Bochum

Fragestellung: Liquorveränderungen bei der MS umfassen u.a. das Auftreten von oligoklonalen Banden sowie Änderungen des Zytokinsekretionsmusters. Astrozyten erfüllen u.a. durch das Ausbilden eines eng gekoppelten Synzytiums, wichtige Funktionen zur Aufrechterhaltung der Homöostase. Aktivierte Mikroglia führt zu einer Unterbrechung des astrozytären Netzwerkes im Rahmen der durch inflammatorische Zytokine ausgelösten entzündlichen Reaktion. Hier untersuchten wir die Wirkung von MS-Liquores auf das Kopplungsverhalten der Astrozyten und das Ausmaß der mikroglialen Aktivierung.

Methoden: 9 Liquores von unbehandelten MS-Patienten sowie 9 Kontrollen wurden nach Zustimmung der lokalen Ethikkomission herangezogen. Die Kopplungsfähigkeit von Astrozyten in primären Astrozyten/Mikroglia Ko-Kulturen, die ca. 5% Mikroglia enthalten, evaluierten wir nach Inkubation der Kulturen mit Liquores von MS-Patienten (24h) und nach Lucifer Yellow Transfer mit einer Patch Clamp Pipette. Der Anteil an akivierter Mikroglia wurde nach immunzytochemischer Färbung mit dem monoklonalen ED-1 Antikörper quantifiziert. Liquor-Konzentrationen von IL-12, TNF alpha, IL-10, IL-6, IL-1 beta and IL-8 wurden mittels ELISA untersucht.

Ergebnisse: Die mit MS-Liquores behandelten Ko-Kulturen wiesen im Vergleich zu Kontroll-Liquores eine signifikante Reduktion der Kopplung (p=0,004**) auf. Auch beobachteten wir eine signifikante Mikroglia-Aktivierung (p<0,001***) in den mit MS-Liquores inkubierten Ko-Kulturen. In der ELISA-Anlalyse konnte jedoch lediglich ein signifikant gesteigerter Spiegel des inflammatorischen Zytokins/Chemokins IL-8 (p=0,0129*) in den MS-Liquores nachgewiesen werden.

Diskussion: Unsere Ergebnisse zeigen einen deutlich entkoppelnden Effekt der MS-Liquores auf Astrozyten, was einen Hinweis auf eine eingeschränkte Funktion des astrozytären Synzytiums im ZNS deutet. Die Aktivierung der Mikroglia unter diesem Stimulus könnte noch vor diesem Prozess eintreten und für einen zusätzlichen Sekretionsschub von inflammatorischen Zytokinen führen, die den Effekt auf die Kopplungskapazität der Astrozyten weiter unterhalten könnte. Weitere experimentelle Ansätze haben die molekularen Mechanismen der enkoppelnden Wirkung von MS-Liquores zum Ziel.