Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P716
DOI: 10.1055/s-2007-987986

Prospektive open-label Studie über 3 Jahre bei früher schubförmiger Multipler Sklerose unter einer Therapie mit Glatirameracetat: Evaluation klinischer Parameter und cerebraler Atrophie

C Palm 1, D Ecker 1, SD Süssmuth 1, A Unrath 1, J Brettschneider 1, I Uttner 1, H Tumani 1, J Kassubek 1
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In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass im frühen Krankheitsstadium der schubförmigen Multiplen Sklerose (MS) neben der entzündlichen Aktivität auch eine frühe axonale Degeneration für den Krankheitsprogress und irreversible Defizite verantwortlich ist. Es ist auch bekannt, dass die etablierten immunmodulatorischen Therapien diesen Prozess beeinflussen. Ziel der vorliegenden prospektiven Studie war, den degenerativen Prozess in der frühen Krankheitsphase der MS unter einer Therapie mit Glatirameracetat (GLAT) mittels der Hirnparenchymfraktion (BPF) zu bestimmen und diese mit klinischen und neuropsychologischen Parametern zu korrelieren.

In der vorliegenden Studie wurden 19 bislang unbehandelte Patienten (Ausgangs-EDSS: 1,7±0,7, mittlere Krankheitsdauer vor Einschluss: 16±6 Monate) mit gesicherter schubförmiger MS über 3 Jahre mit GLAT behandelt und dabei 3-monatlich klinisch und jährlich mit MRT und einer neuropsychologischen Testbatterie untersucht. Die erhobenen BPF-Ergebnisse wurden mit Daten aus einem Kollektiv von 15 alterskorrelierten gesunden Probanden verglichen.

Die klinischen Parameter (EDSS, MSFC) zeigten einen weitgehend stabilen Verlauf. Auch die umfangreiche neuropsychologische Diagnostik zeigte innerhalb der 3 Jahre keine signifikante Änderung. In Bezug auf die klinische Krankheitsaktivität zeigte sich innerhalb der Studie eine deutliche Schubreduktion (81%) verglichen zu den Baseline-Daten, analog zu den bislang veröffentlichten Langzeitdaten. Im ersten Behandlungsjahr zeigte sich im Vergleich zu den Gesunden ein signifikanter Abfall der BPF (-1,3%) und eine deutliche Zunahme der Läsionslast (+20,8%). Im Jahr 2 und 3 unter GLAT zeigte sich eine deutliche Stabilisierung dieser Parameter (BPF: -0,1%, -0,4%; Läsionslast: +4,8%, +4,2%) ohne signifikanten Unterschied zu den Verlaufsdaten bei Gesunden.

Zusammenfassend konnte in der vorliegenden Studie gezeigt werden, dass im ersten Beobachtungsjahr eine signifikante Abnahme der BPF festzustellen ist, ohne dass ein klinisches oder neuropsychologisches Korrelat vorlag. Unter einer Therapie mit GLAT konnte dabei insbesondere im Jahr 2 und 3 eine Stabilisierung sowohl der klinischen als auch der subklinischen Krankheitsaktivität erreicht werden. Die vorliegenden Daten legen dabei einen gewissen neuroprotektiven Effekt von GLAT nahe, der nach einem Jahr zum Tragen kommt und über die volle Untersuchungsdauer von 3 Jahren anhält. Weitere Langzeitbeobachtungen sind geplant.