Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P699
DOI: 10.1055/s-2007-987969

Kombiniertes Auftreten einer amyotrophen Lateralsklerose und Multiplen Sklerose

B Machner 1, S Gottschalk 1, H Kimmig 1, C Helmchen 1
  • 1Lübeck

Das gemeinsame Auftreten der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und multiplen Sklerose (MS) ist extrem selten. Wir berichten über eine 55-jährige Patientin, die sich mit einer über 6 Monate progredienten Gangstörung vorstellte. Klinisches Korrelat war eine beinbetonte Tetraspastik. Aufgrund zusätzlicher paraklinischer Hinweise (multiple periventrikuläre Marklagerläsionen im cMRT; entzündliches Liquorsyndrom mit authochtoner IgG-Produktion) waren die diagnostischen Kriterien einer Encephalomyelitis disseminata erfüllt (McDonald et al., 2001; Polman et al., 2005). Innerhalb von 1 Jahr traten generalisierte Faszikulationen, Atrophien der kleinen Handmuskeln sowie bulbäre Symptome (Dysarthrie und Dysphagie) in den Vordergrund.

Elektromyographisch zeigten sich generalisierte akute und chronische Denervierungszeichen mit pathologischer Spontanaktivität in allen Extremitäten ohne Hinweis für neurographische Leitungsblöcke. Somit waren klinisch und elektrophysiologisch die El-Escorial-Kriterien für eine ALS erfüllt (Brooks et al., 2000). Gleichwohl MS-Plaques in den Vorderhörnern zu peripherer Denervierung führen und somit den Krankheitsbeginn einer ALS maskieren können, ist bei unserer Patientin von der extrem seltenen Koinzidenz einer ALS und MS auszugehen. In der klinischen Praxis sollten periphere Denervierungszeichen bei Patienten mit „sicher“ diagnostizierter MS an eine Motoneuronerkrankung denken lassen.