Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P690
DOI: 10.1055/s-2007-987961

Eine zeitgenössische handkopierte Version des neuroanatomischen Lehrbuches „Lecons sur les centres nerveux“ von Joseph Auguste Fort – ein vergessener Lehrer der Neuroanatomie

R Horn 1, S Lorenzl 1
  • 1München

Wir präsentieren eine zeitgenössische Kopie (1886) des damals beliebten Lehrbuches der Neuroanatomie „Lecons sur les Centres nerveux“ von 1878, das der damalige „professeur libre“ Joseph Auguste Fort an der Universität von Paris in Zusammenarbeit mit seinen Studenten erarbeitet hatte. Der bei seinen Schülern aufgrund seines ausgeprägten didaktischen und zeichnerischen Talents beliebte Professor Fort hatte in einem handlichen Werk die damaligen neuroanatomischen Kenntnisse anhand von über 200 anschaulichen Abbildungen beschrieben. Fort stammte aus einer alten Medizinerfamilie, seine Vorfahren waren Feldchirurgen in der Armee Napoleons gewesen.

Lange Zeit wurde er als anatomischer Lehrer und freier Professor an der Fakultät geduldet. Er verfasste zahlreiche mehrbändige Werke, unter anderem eine „Anatomie descriptive“ und einen „Traite d'histologie“.

Aufgrund seiner ausgezeichneten Didaktik waren seine Vorlesungen bald besser besucht als die der ordentlichen Professoren der Anatomie und Neurologie. Daher verschafften ihm seine Kollegen per Dekret (Februar 1881) einen Regierungsauftrag in Südamerika, der damit verbunden war, dort anatomische Institute aufzubauen. Dadurch konnten sie sich des beliebten Lehrers entledigen. Schweren Herzens reiste Fort ab und lebte und arbeitete mehrere Jahre in Südamerika, bevor er nach Paris zurückkehrte. An eine Rückkehr an die Universität war aufgrund des Widerstandes der Fachkollegen nicht zu denken. Er lies sich als Urologe nieder und gründete eine urologische Fachzeitschrift. Nach einem erfüllten Leben starb der 1835 in Mirande geborene Fort 1905 in Paris. Seine Lehrbücher wurden bis in das 20. Jahrhundert noch in vielen Auflagen gedruckt. Die „Lecons sur les Centres nerveux“ wurden nach 1890 nicht mehr aufgelegt und sind heute eine Rarität auf dem Buchmarkt.