Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P685
DOI: 10.1055/s-2007-987956

Statische und kinetische Perimtrie bei homonymen Gesichtsfelddefekten: der Einfluss von Aufmerksamkeitsstörungen

J Roßmüller 1, D Liebermann 1, V Hömberg 1
  • 1Meerbusch

Fragestellung: Zerebrale Sehstörungen in Form homonymer Gesichtsfelddefekte unterminieren in erheblichem Umfang die visuelle Orientierung der Betroffenen nach Schlaganfall. Die präzise Vermessung von Quadranten- und Hemianopsien ist die Basis für therapeutisches Handeln. Für die kinetische Lichtperimetrie definiert der Goldmann-Standard Messparameter wie Stimulusform, -größe, -geschwindigkeit und Reizleuchtdichte sowie Hintergrundleuchtdichte. In der kinetischen Perimetrie reagiert der Proband auf Lichtpunkte, die sich entlang sogenannter Isopteren von peripher nach zentral bewegen. Dabei reagiert der Proband i.d.R. mit einer Drucktaste auf gesehene Reize. D.h., dass die gemessene Gesichtsfeldgröße vom Reaktionszeitpunkt abhängt. Da bei zahlreichen Schlaganfall-Patienten u.a. eine Reaktionsverlangsamung angenommen werden muss (Prosiegel et al., 1990; Prosiegel, 1992), ist fraglich, inwiefern die kinetische Perimetrie nach Goldmann-Standard das Restgesichtsfeld bei Schlaganfall-Patienten valide vermisst.

Methode: 38 Schlaganfall-Patienten absolvierten wiederholte perimetrische Messungen. Variiert wurden dabei 1) die Messmethode “statisch“ vs. “kinetisch“ sowie 2) die Geschwindigkeit der Stimulation (kinetisch) bzw. die Dauer der Stimulation (statisch).

Ergebnis: Bezogen auf die betroffene Gesichtsfeldhälfte ergab die Varianzanalyse einen signifikanten Haupteffekt der Methode (“kinetische“ vs. “statische Perimetrie“; F(1,38)=64,3; p<0,001), nicht aber der Geschwindigkeit bzw. der Stimulationsdauer (F(1,38)=3,74; p=0,06) und auch keinen Interaktionseffekt (F(1,38)=0,50;p=0,49). Die Betrachtung der Interkorrelationen ergab einen signifikanten Zusammenhang zwischen verschiedenen Aufmerksamkeitsparametern und der statischen Bedingung mit kurzer Stimulusdarbietung (Korrelationen um r=0,5). Alle anderen Perimetrie-Bedingungen (kinetisch-langsam, kinetisch-schnell und statisch-lange Stimulusdarbietung) waren mit den Aufmerksamkeitsleistungen unkorreliert.

Schlussfolgerung: Die kinetische Perimetrie nach Goldmann-Standard schätztim Durchschnitt das Restgesichtsfeld in der betroffenen Gesichtsfeldhälfte am größten ein. Allerdings produzieren die Patienten bei kinetischer Messung im gesunden Halbfeld deutlich mehr Auslassungsfehler als bei der statischen Perimetrie mit langer Stimulationsdauer. Aufgrund der geringeren Messartefakte ist der statischen Perimetrie der Vorzug vor der kinetischen zu geben. Diskutiert wird der Effekt der statisch-kinetischen Dissoziation.