Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P616
DOI: 10.1055/s-2007-987887

Myasthenia gravis nach allogener hämatopoietischer Stammzell-Transplantation

S Koeppen 1, C Schulte 1, DW Beelen 1
  • 1Essen

Einführung: Neuromuskuläre Symptome entwickeln sich bei ca. 10% der Patienten im Anschluss an eine allogene hämatopoietische Stammzell-Transplantation (HSCT), teilweise assoziiert mit einer chronischen Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion (cGvHD), die in etwa 50% der Fälle als Multisystemerkrankung mit vorwiegend kutaner Manifestation auftritt. Während periphere Neuropathien überwiegend in der Frühphase nach HSCT anzutreffen sind, handelt es sich bei der post-HSCT-Myasthenia gravis (MG), die mit einer Inzidenz von <1% und einer Latenz von durchschnittlich 3 Jahren fast ausnahmslos nach vorausgegangener cGvHD in Erscheinung tritt, um eine seltene Spätkomplikation. Pathogenetisch werden alloreaktive T-Lymphozyten und eine humorale Immunantwort gegen Acetylcholinrezeptoren (AChR) postuliert.

Kasuistik: Von den im Zentrum für konservative Onkologie des Universitätsklinikum Essen in regelmäßiger Nachsorge befindlichen Stammzell-Empfängern präsentieren wir einen 44-jährigen Patienten, bei dem 2/00 eine Philadelphia-Chromosom positive chronische myeloische Leukämie diagnostiziert und 3 Monate später eine allogene HSCT mit Zellen der HLA-identischen Schwester durchgeführt wurde, im weiteren Verlauf eine cGvHD mit kutaner und Sicca-Symptomatik, eine rezidivierende Bronchiolitis obliterans mit organisierender Pneumonie und 1/01 eine tiefe Beinvenenthrombose links festgestellt wurden. Bei anhaltender molekularer Remission der Grunderkrankung und immunsuppressiver Therapie mit Prednison 10mg/d gab der Patient 8/05 erstmalig eine Diplopie und progrediente Dysphagie an. Bei der neurologischen Untersuchung fiel eine Dysarthrie auf, elektromyographisch ein pathologisches Dekrement am M. nasalis, serologisch der Nachweis von Antikörpern gegen AChR und Titin, computertomographisch kein Hinweis auf ein Thymom. Unter der Behandlung mit Pyridostigminbromid (Mestinon ret.®) 2×90mg/d kam es zu einer kompletten Rückbildung der myasthenen Beschwerden, die seither infekt- bzw. stressbedingt wiederkehrten und auf Dosisanpassungen des Cholinesteraseinhibitors ansprachen.

Schlussfolgerung: Im Unterschied zu früheren Beschreibungen war die Manifestation der post-HSCT-MG im vorliegenden Fall nicht mit einer Lockerung des immunsuppressiven Regimes assoziiert. Trotz initialer pharyngealer Mitbeteiligung hat sich unter konstanter Immunsuppression bislang keine generalisierte MG gezeigt. Bemerkenswert ist auch das Vorhandensein von Titin-Antikörpern, die bei post-HSCT-MG vorher noch nicht beobachtet wurden.