Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P614
DOI: 10.1055/s-2007-987885

Ösophagus-Achalasie bei seronegativer Myasthenia gravis

A Wellek 1, B Tackenberg 1, WH Oertel 1, F Blaes 1, N Sommer 1
  • 1Marburg, Gießen

Die Myasthenia gravis (MG) ist ein klinisch und immunologisch heterogenes Krankheitsbild. Bei etwa 10% der Patienten mit generalisierter MG lassen sich keine Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper (AChR-AK) nachweisen (seronegative MG). Bei 40% dieser Patienten können Antikörper gegen eine muskelspezifische Tyrosin-Kinsase (MuSK) gefunden werden. Da sich eine seronegative MG mit ungewöhnlichen Befunden äußern kann, berichten wir hier einen Fall einer Patientin mit progredienter Dysphagie und Achalasie.

Eine 34-jährige Patientin stellte sich im Jahr 2000 erstmals mit einer generalisierten, im Tagesverlauf zunehmenden Muskelschwäche, Dysphagie und Doppelbildern vor. Bei der repetitiven Stimulation konnten einmalig ein geringgradiges Dekrement, bei weiteren Untersuchungen Normalbefunde einschließlich eines normalen Einzelfaser-EMG nachgewiesen werden. AChR-Ak waren wiederholt negativ, MuSK-Antikörper grenzwertig. Die Symptomatik war mit Pyridostigmin und intermittierenden Immunglobulingaben über Jahre stabil.

Mitte 2006 klagte die Patientin erneut über eine zunehmende Dysphagie, zu der im Dezember 2006 thorakale Wirbelsäulenschmerzen hinzu kamen. In Thorax-MRT und CT wurde zunächst eine paravertebrale zystische Raumforderung nachgewiesen, die sich endoskopisch als monströse Ösophagus-Erweiterung infolge einer Achalasie bestätigte. Im März 2007 erfolgte eine pneumatische Aufdehnung des unteren Ösophagussphincters, was zu einer unmittelbaren Verbesserung der Schluckfähigkeit führte.

Eine Ösophagusachalasie bei Patienten mit Myasthenia gravis ist in wenigen Einzelfällen beschrieben worden. Bei der spontanen (nicht sehr seltenen) AChR-Ak positiven MG bei Hunden und Katzen ist sie allerdings ein typischer Befund, was auf die vermehrte Ausstattung des Ösophagus mit quergestreifter Muskulatur zurückgeführt wird. Bemerkenswert ist außerdem, dass bei Patienten mit Achalasie Autoantikörper gegen Ganglien-Zellen des Auerbach-Plexus als mögliche Ursache beschrieben wurden. Da im Serum dieser Patientin Antikörper gegen Plexusneurone mit einem Titer von 1:200 nachgewiesen wurden, könnte der vorliegende Fall eine interessante Verbindung zwischen seronegativer Myasthenie und auotimmuner Achalasie herstellen.