Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P588
DOI: 10.1055/s-2007-987859

Akute Aortendissektion als Ursache einer akuten zerebralen Ischämie bei zwei Lysekandidaten

H Kroiß 1, K Pfadenhauer 1, M Naumann 1
  • 1Augsburg

Zwei Anfang 60-jährige Patienten präsentierten sich in der Notaufnahme des Klinikums Augsburg als akute zerebrale Ischämie und wurden deshalb wie Lysekandidaten behandelt. Die üblicherweise vor der systemischen Thrombolyse durchgeführte Zusatzdiagnostik (Computertomographie des Gehirns, Elektrokardiogramm, Routinelaborwerte mit Herzenzymen) war unauffällig. Auch anamnestisch bestand keine Kontraindikation für eine Lyse. Offensichtliche Anzeichen einer Aortendissektion fehlten: Der bei einem Patienten durchgeführte Röntgen Thorax war unauffällig. Thoraxschmerz war von der aphasischen Patientin nicht zu erfragen und vom anderen Patienten verneint worden. Verdacht wurde geschöpft aus dem klinischen Hinweis auf beidseitige Stenosen der Arteria subclavia: Im ersten Fall fand sich eine Seitendifferenz des RR Blutdruckes und ein Strömungsgeräusch über der besseren Seite, im zweiten Fall eine ausgeprägte Hypotonie trotz psychomotorischem Erregungszustand. Die CT-Angiographie des Thorax ergab jeweils eine in der Aorta ascendens beginnende Dissektion mit Fortsetzung in sämtliche supraaortale Äste. Die geplante Lysetherapie wurde wegen der akuten Lebensbedrohung durch die Aortendissektion und des unkalkulierbaren Blutungsrisikos nicht durchgeführt. Beide Patienten wurden nach erfolgter Diagnose unverzüglich der Herzchirurgischen Abteilung übergeben.

Fazit:

1. Akute Aortendissektionen können sich primär mit zerebral ischämischen Symptomen manifestieren. Das Kardinalsymptom der Aortendissektion, der akute Thoraxschmerz, kann dabei fehlen, bzw. von aphasischen Patienten nicht mitgeteilt werden.

2. Der Nutzen einer systemischen Thrombolyse zur Therapie akuter zerebraler Ischämien durch akute Aortendissektionen mit Fortsetzung in die Halsschlagadern ist höchst zweifelhaft.

Die Empfehlungen der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie lauten hingegen „Die Dissektion eines hirnversorgenden Gefäßes als Ursache einer zerebralen Ischämie schränkt die Akuttherapie derselben (v.a. Thrombolyse) nicht ein (<=>), (A).“ Wir schlagen vor, bei dieser Empfehlung zwischen isolierten Dissektionen der supraaortalen Äste und fortgesetzten Dissektionen mit Beginn in der Aorta ascendens zu differenzieren.

3. Der dem Zeitdruck des Lysefensters ausgesetzte Neurologe sollte nicht auf die sorgfältige Untersuchung der beidseitigen Blutdrücke sowie die Palpation und Auskultation der großen Gefäße verzichten und bei Auffälligkeiten eine Aortendissektion vor der Lyse ausschließen.