Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P562
DOI: 10.1055/s-2007-987833

Ist die Cortical spreading depression eine Voraussetzung für die Entstehung von Migräne Kopfschmerzen?

J Wolthausen 1, S Sternberg 1, C Gerloff 1, A May 1
  • 1Hamburg

Einleitung: Während der letzten Jahrzehnte wurde die Pathophysiologie der Migräne kontrovers diskutiert. In diesem Zusammenhang wird der Cortical spreading depression (CSD) eine, die Migräneattacke auslösende Rolle zugeschrieben. Bei Patienten ohne Aura soll die CSD in subkortikalen Arealen (als silent Aura) stattfinden. Die Argumentation lautet, dass man die Attacke verhindern kann, wenn man die Aura unterdrückt.

Fälle: Wir beschreiben drei Fälle (zwei davon erstgradig verwandt), welche entsprechend den IHS Kriterien unter einer Migräne mit und ohne Aura an mehr als fünf Tagen pro Monat leiden. Zwei der Patienten (Mutter und Tochter) wurden zur Attackenprophylaxe drei Monate lang mit Flunarizin und eine dritte Patientin mit Topiramat behandelt. Darunter verschwanden bei allen Patienten die visuellen Auren vollständig, wohingegen die Kopfschmerzen unverändert fortbestanden.

Diskussion: Elektrophysiologische und tierexperimentelle Befunde deuten darauf hin, dass die CSD das Korrelat der Aura ist. Es ist jedoch unklar, ob die CSD Voraussetzung für die Auslösung der Kopfschmerzen ist. Bei unseren Patienten führte die kontinuierliche Einnahme von Flunarizin bzw. Topiramat zur Unterdrückung visueller Auren (mutmaßlich durch Unterdrückung der CSD) ohne dabei die Kopfschmerzen zu lindern.

Diese Beobachtung stellt die Therorie, dass eine CSD Vorausseztung für die Entstehung von Kopfschmerzen ist, in Frage. Ein fehlender kausaler Zusammenhang würde erklären, warum eine Vielzahl von Patienten unter einer Migräne mit und ohne Aura leiden, und warum die Seite der Aura Symptome die Seite des Kopfschmerzes nicht vorhersagt.

Schlussfolgerungen: Unsere Beobachtung legt nahe, dass die CSD (stumm oder auch nicht) keine Voraussetzung für die Auslösung von Kopfschmerzen bei der Migräne ist. Zukünftige Studien werden zeigen, ob Migräne Kopfschmerzen und CSD ursächlich miteinander verknüpft sind oder ob es sich dabei um Epiphänomene handelt.