Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P529
DOI: 10.1055/s-2007-987800

Effekte motorkortikaler Stimulation auf motorisches Lernen im Alter

M Nitsch 1, P Giraux 1, L Cohen 1, C Gerloff 1, F Hummel 1
  • 1Hamburg; Bethesda, USA

Hintergrund: Altern führt zu Einschränkungen motorischer Funktionen. Diese zeigen sich nicht nur an reduzierter Genauigkeit oder Geschwindigkeit, sondern besonders an der eingeschränkten Fähigkeit neue motorische Fertigkeiten zu erwerben. Altersbedingt reduzierte Neuroplastizität ist ein möglicher Mechanismus der diesem Phänomen zugrundeliegt. Tierexperimentell führte bei alten Tieren die Erhöhung der kortikalen Erregbarkeit zu verbesserter Plastizität und Lernleistung. Beim Menschen kann kortikale Erregbarkeit durch nichtinvasive transkranielle Neurostimulation moduliert werden.

Fragestellung: Verbessert kortikale Stimulation des Motorkortex (M1) mit transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS) die Effekte motorischen Trainings bei älteren Versuchspersonen (VP)?

Methoden: Diese Fragestellung wurde in einem doppelt-geblindeten sham-kontrollierten Crossover-Design untersucht. Es wurden die Effekte von anodaler tDCS (1mA, 20 Minuten, M1 links) und Shamstimulation (ShS) auf das Training einer komplexen Fingersequenz (rechte Hand) in einer Gruppe von älteren VP (n=6, 56–88a) ermittelt. Die VP absolvierten ein Training (TRAIN) von fünf Blöcken a drei Minuten mit zweiminütigen Pausen unter tDCS oder unter ShS. 90 Minuten (RE-90) und 24 Stunden (RE-24h) nach Training wurden die Effekte des Trainings auf die motorische Aufgabe getestet. Die Fingersequenz sollte so korrekt und so schnell wie möglich gespielt werden. Die tDCS- und ShS-Sessions waren an verschiedenen Tagen, es wurde jeweils eine unterschiedliche Sequenz trainiert. Der subjektive Grad der Ermüdung, Aufmerksamkeit und Missempfindungen wurde von den VP auf einer Visuellen Analog Skala (VAS) eingeschätzt.

Ergebnisse: Ermüdung, Aufmerksamkeit und Missempfindungen waren vergleichbar in tDCS und ShS. Unter tDCS zeigte sich eine signifikant höhere Anzahl gespielter Sequenzen während TRAIN (Block1 (Beginn): tDCS=85,3±15,4 ShS=83,3±11,6; Block5 (Ende): tDCS=109,2±14,8 ShS=100,5±12,3), RE-90 (tDCS=105,2±11,6 ShS=96,2±8,5) and RE-24h (tDCS=109,5±12,5 ShS=101,5±7,6) bei vergleichbarer Präzision. RM-ANOVA zeigte eine signifikante ZEIT (TRAIN, RE-90, RE-24h) x STIM (tDCS, ShS) Interaktion (F=4,91, p<0,05).

Zusammenfassung: Kortikale Stimulation kann die Effekte von motorischem Training verbessern. Diese Verbesserung hält für mindestens 24h an. Ein möglicher zugrundeliegender Mechanismus für das verbesserte motorische Lernen könnte eine tDCS-induzierte Optimierung im Alter eingeschränkter Neuroplastizität sein.