Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P495
DOI: 10.1055/s-2007-987766

Kinderwunsch und Multiple Sklerose Einstellungs- und Verschreibungsverhalten deutschsprachiger Neurologen

K Hellwig 1, A Haghikia 1, S Schimrigk 1, R Gold 1
  • 1Bochum

Die Multiple Sklerose (MS) wird häufig in einem Lebensabschnitt diagnostiziert, in dem die Familienplanung eine wichtige Rolle spielt. Über den Einfluss auf die Behandlung mit den spezifischen Immuntherapien (DMT) bei Patienten mit Kinderwunsch sind wenige Daten verfügbar.

Methoden: Wir verschickten einen sechsseitigen Fragebogen, via Mail über das Emailverzeichnis der DGN an deren Mitglieder. Ziel war es, Besonderheiten bezüglich des Behandlungs- und Beratungsverhaltens von Neurologen/innen bei MS-Patienten mit Kinderwunsch zu erfassen.

Ergebnisse: 110 Fragebögen wurden von 46 Neurologinnen und 64 Neurologen zurückgeschickt. Überwiegend unterstützen die Kollegen die Realisierung des Kinderwunsches. Knapp die Hälfte verzichten auf eine DMT bei Patientinnen mit kurzfristigem Kinderwunsch, knapp die andere Hälfte bei Kinderwunsch innerhalb des nächsten Jahres. Bei Frauen mit kurz- mittelfristigem Kinderwunsch bevorzugten 42% eine immunmodulatorische Einstellung auf Copaxone oder Immunglobuline, die anderen gaben keine eindeutige Präferenz hinsichtlich der unterschiedlichen DMT an. 45% der behandelnden Neurologen gaben an, alle Männer direkt zu behandeln. 28% vezichteten bei bei kurzfristigem Kinderwunsch auf eine Einstellung. Die meisten Befragten gaben keiner besonderen Substanz den Vorzug. Mehr als 2/3 der Kollegen empfahl Männern mit MS, die DMT bei Realisierung des Kinderwunsches beizubehalten.

Frauen mit MS hingegen wurde häufiger das Absetzen der Therapie vor geplanter Konzeption (MIX>Azatioprin>Interferon>GLAT>IVIG) empfohlen. Die große Mehrheit befürwortet das Absetzen der DMT und/oder Kontakt zu einer Beratungsstelle im Falle einer unter DMT entstandenen Schwangerschaft. Neben Nichtbehandlung sind IVIG die bevorzugten Medikamente in der Stillzeit.

Schlussfolgerung: In den von uns ausgewerteten Fragebögen gab es keinen einheitlichen Behandlungs- und Empfehlungskonsensus bei MS Patienten mit Kinderwunsch. Eine große Mehrheit bevorzugt das Absetzen der DMT vor geplanter Konzeption und in der Schwangerschaft bei Frauen, während Männern das Absetzen eher nicht empfohlen wird. Auswirkungen auf ein verändertes Verschreibungsverhalten in der Schwangerschaft werden sich möglicherweise durch die kürzlich erfolgte Zulassung von Avonex und Betaferon in der Schwangerschaft ergeben. Unbefriedigend bleiben auch hinsichtlich der zugelassenen Substanzen die Möglichkeiten der postpartalen Schubprophylaxe, insbesondere bei Frauen, die Stillen möchten.