Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P491
DOI: 10.1055/s-2007-987762

Multiple Sklerose und Palliativmedizin: Qualitative Erhebung von Bedürfnissen schwer betroffener MS-Patienten

R Voltz 1, M Galushko 1, C Kaiser 1, H Pfaff 1, H Golla 1
  • 1Köln

Fragestellung: Ziel ist die Exploration eines dynamischen Bedürfnisprofils schwer betroffener MS-Patienten. Das Gesamtprojektziel liegt in der fragebogengestützten Erfassung von bisher nicht begegneten Bedürfnissen schwer betroffener MS-Patienten in Deutschland, wofür die qualitative Erhebung als Grundlage dient.

Methode: 15 Patienten, die sich schwer von MS betroffen fühlen, wurden in episodischen Interviews zu ihrer Situation befragt. Zum anderen wurden 23 Health Professionals (Medizin, Pflege, Sozialarbeit) in Fokusgruppen bzw. Experteninterviews zu ihrer Sicht auf die Bedürfnisse von schwer betroffenen MS-Patienten und deren Angehörigen befragt.

Ergebnisse: Patienten fühlten sich unabhängig vom ärztlich erhobenen EDSS schwer von MS betroffen. Als unzureichend erfüllte Belange wurden von ihnen folgende benannt: unzureichende Information, fehlende Transparenz und mangelhafte Koordination von Versorgungsangeboten sowie unzureichende psychosoziale Unterstützung.

Aus der Sicht der Health Professionals ergaben sich folgende Versorgungsprobleme: Fehlen eines kontinuierlichen Ansprechpartners, unzureichendes Zeitbudget für fachneurologische häusliche Betreuung, schlechte Zugangsmöglichkeit zur ambulanten medizinischen Versorgung insgesamt, unflexible Bereitstellung von Hilfen je nach Symptomlast, unbefriedigende Unterbringungssituation im Falle des Wegfalls der Versorgungsressource Familie sowie unzureichende psychologische Betreuung für Patienten und Angehörigen.

Sofern der Begriff bekannt war, verbanden beide Personengruppen mit Palliativmedizin überwiegend eine Versorgung von onkologischen Patienten in der Terminalphase ihrer Erkrankung. Erst nach Erläuterung der WHO-Definition von Palliativmedizin konnten sich Patienten und Health Professionals eine palliativmediznische Versorgung auch für MS-Patienten vorstellen.

Schlussfolgerung: Die benannten bisher nicht begegneten Bedürfnisse schwer betroffener MS-Patienten korrespondieren mit den Anliegen des palliativmedizinischen Versorgungsanspruches, der eine ganzheitliche Versorgung unheilbar Kranker auf medizinischer, psychischer, sozialer und spiritueller Ebene vorsieht. Ein ergänzendes palliativmedizinisches Versorgungsangebot erscheint allein auf der Basis der Ergebnisse der qualitativen Projektphase zur Verbesserung der Lebensqualität schwer betroffener MS-Patienten als sinnvoll.

Kooperationspartner der Studie: DMSG, Bundesverband e.V.

Finanzierung der Studie: Gemeinnützige Hertie-Stiftung (Projektnr. 1.01.1/06/009)