Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P481
DOI: 10.1055/s-2007-987752

Handfunktion nach einem Infarkt im Stromgebiet der Arteria cerebri media: Wie gesund ist die „gesunde“ Hand wirklich?

M Dafotakis 1
  • 1Köln

Es gibt Hinweise dafür, dass es nach unilateralen Mediainfarkten – ohne begleitende kognitive Beeinträchtigungen – zu einer bilateralen Störung von Zielbewegungen kommt, welche als Ausdruck einer allgemeinen Störung der sensomotorischen Integrationsleistung interpretiert wird. Die sich dahinter verbergende Pathophysiologie sowie die exakte Analyse der einzelnen Bewegungskomponenten des Handtransports und des Greifens sowie die mögliche Korrelation der Störungsausprägung zur betroffenen Hemisphäre sind jedoch nahezu unbekannt.

Wir untersuchten Greifbewegungen der contra- sowie ipsiläsionellen Hand bei 16 rechtshändigen Patienten in der subakuten Phase (1–8 Monate, im Mittel 3 Monate nach dem akuten Ereignis) nach unilateralem Mediainfarkt (jeweils 8 rechts- bzw. linkshemisphärisch) sowie bei 8 gesunden Kontrollpersonen.

Zur 3-dimensionalen kinematischen Bewegungsanalyse wurde ein ultraschallbasiertes Messsystem, zur Untersuchung isometrischer Fingerkräfte ein mit Kraftsensor und Beschleunigungssensoren ausgestattetes Testobjekt verwendet. Dabei wurden sowohl basale als auch komplexe alltagsrelevante motorische Aufgaben, wie Finger- und Handtapping sowie eine kombinierte Greif- und Hebebewegung aufgezeichnet.

Es zeigte sich, dass nicht nur auf der erwarteten contraläsionellen, sondern auch auf der ipsiläsionellen Seite signifikante Defizite der Kinematik und Koordination der Finger- und Handtappingbewegungen nachzuweisen waren. Ebenso waren Effizienz und Koordination des Handtransports, der Greifbewegung sowie der isometrischen Fingerkräfte beim Greifen für beide Hände gestört. Insbesondere war die Geschwindigkeit des Handtransports verlangsamt, das Handöffnungsverhalten zeitlich nicht mit der Handtransportbewegung koordiniert und die Fingerkräfte waren beim Greifen überhöht und unkoordiniert. Die Defizite der ipsiläsionellen Hand waren jeweils unabhängig von der betroffenen Hemisphäre und für die proximale (Handtransportbewegung) und distale Muskulatur (Greifbewegung) in ihrer Beeinträchtigung gleich schwer ausgeprägt.

Zusammengefasst konnten wir zeigen, dass nach unilateralem Mediainfarkt die motorische Funktion beider Hände gestört ist. Aus diesem Grund sollte die im klinischen Alltag häufige geübte Praxis, sich bei der Einordnung des Schweregrades der Funktionsstörung auf die vermeintlich “gesunde“ Referenzseite zu beziehen, überdacht werden.