Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P430
DOI: 10.1055/s-2007-987701

Akute disseminierte Encephalomyelitis bei Neuroborreliose

S Haidlauf 1, W Esser 1, S Arnold 1, KF Druschky 1
  • 1Karlsruhe

Bei der Akuten disseminierten Encephalomyelitis (ADEM) handelt es sich um eine seltene entzündliche demyelinisierende Erkrankung des ZNS, die sich insbesondere nach vorausgegangenen Virusinfektionen entwickelt.

Berichtet wird über einen 72 Jahre alten Patienten, der wegen eines Erysipels am Unterschenkel in einem auswärtigen Krankenhaus antibiotisch behandelt wurde. Wegen zunehmender Parese der Beine, Harnverhalt, Vigilanzminderung und Ateminsuffizienz erfolgte die Übernahme auf unsere Intensivstation, wo noch am Aufnahmetag die Intubation erforderlich wurde.

Die Kernspintomographie des Schädels und der Wirbelsäule ergab das Bild einer Encephalomyelitis. Es kamen langstreckige diskontinuierliche ödematöse Signalanhebungen des thorakalen und zervikalen Myelons zur Darstellung. In der FLAIR und T2-Wichtung ließen sich im periventrikulären Marklager bds., Hirnstamm, Mesencephalon, aber auch subkortikal und kortikal großflächige Signalerhöhungen nachweisen. Es fand sich lediglich eine KM-aufnehmende Läsion im Hippokampus links. Die MR-Angiographie war unauffällig. Die Infektserologie wies positive Borrelien-IgG (ELISA, Western-Blot) und negative Borrelien-IgM auf. Ein deutlich positiver Borrelien-PHA (1:1280) sprach für eine aktive Infektion. Die übrige Infektserologie war nicht richtungsweisend. Anhaltspunkte für eine Vaskulitis oder eine paraneoplastische Encephalomyelopathie ergaben sich nicht. Der Liquor wies eine diskrete lymphozytäre Pleozytose (13Zellen/µl) sowie eine schwere Schrankenstörung auf. Es fand sich eine autochthone Borrelien-IgG-Produktion mit einem Borrelien-IgG-Quotienten von 5,17, oligoklonale Banden fehlten.

Diagnostisch wurde von einer ADEM bei einer Neuroborreliose ausgegangen. Es erfolgte eine antibiotische Behandlung mit Ceftriaxon. Zusätzlich erhielt der Patient eine hochdosierte Metylprednisolon-Stoßtherapie (2000mg täglich über 5 Tage). Da sich keine Besserung zeigte, schloss sich nach 10 Tagen eine i.v.-Immunglobulinbehandlung über 5 Tage an. Die MRT-Kontrollen zeigten leicht rückläufige Läsionen. Die Kontroll-LP wies keine wesentlichen Veränderungen auf.

Im Verlauf gelang die Entwöhnung vom Respirator. 6 Wochen nach Aufnahme bestand eine rechtsbetonte und beinbetonte hochgradige Tetraparese, zusätzlich kompliziert durch eine Criticial-illness-Neuropathie. Die Kommunikation war über Augenbewegungen möglich. Nach dreimonatiger Weiterbehandlung in einer Rehabilitationsklinik hatten sich die Lähmungen nur leicht gebessert.