Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P360
DOI: 10.1055/s-2007-987631

Neuroprotektion im Tiermodel der Cisplatin-induzierten Polyneuropathie

MS Yoon 1
  • 1Essen

Fragestellung: Ziel des Projektes war die Untersuchung der neuroprotektiven Eigenschaft des rekombinanten Erythropoietins (rhEPO) in einem Tiermodel der Cisplatin-induzierten Polyneuropathie.

Methoden: C57Bl/6Mäuse wurden in drei Gruppen randomisiert (je n=10). Gruppe A und B erhielt Cisplatin 2mg/kg KG 1x/Wo i.p., Gruppe B erhielt zusätzlich 40µg/kg KG rhEPO 3x/Wo s.c., Gruppe C wurde mit 0,5ml NaCl i.p.1x/Wo behandelt. Alle Mäuse wurden acht Wochen behandelt. Die Detektion der DNA-Addukte erfolgte durch monoklonale Antikörper gegen Cispaltin-induzierte Intrastrang-Addukte in den Dorsalganglien. Der N. ischiadicus wurde zum Nachweis demyelinisierender Läsionen histopathologisch untersucht.

Ergebnisse: Nach einer kumulativen Gesamtdosis von 16mg/kg Cisplatin zeigte sich in der elektroneurographischen Messung der Mäuse aus der Gruppe A eine sensibel betonte PNP mit der Minderung der sensiblen (p<0,001), aber auch der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) (p=0,053) und der dazugehörigen Amplituden (p<0,05, Abb.1). Eine durch Nephropathie ausgelöste PNP wurde ausgeschlossen, da sowohl das Serumkreatinin als auch die Kreatininclearance der Gruppe A und C ähnlich waren. Ferner zeigten die Mäuse nach der wiederholten Cisplatinexposition eine herabgesetzte Schmerzschwelle im Sinne einer schmerzhaften Allodynie (p<0,001, Abb.2). Die begleitende Applikation des rhEPO erzielte eine signifikante Besserung der Minderung der Nervenleitgeschwindigkeit hinsichtlich der sensiblen NLG (p<0,001) sowie der Amplituden der motorischen als auch der sensiblen Funktion (p<0,05). Hinsichtlich der Schmerzschwelle zeigte sich eine deutliche Tendenz zur Besserung der schmerzhaften Alldoynie (p=0,313). Die quantitative Messung der DNA-Addukte zeigte, dass rhEPO nicht die Adduktakkumulation beeinflusst. Die elektronenmikropische Untersuchung des N. ischiadicus zeigte nach Cisplatinexposition eine deutliche Volumenzunahme der Mitochondrien im Axoplasma, die möglicherweise den drohenden Untergang dieser Strukturen anzeigen sowie laminäre Läsionen der Markscheiden, die unter der Therapie mit rhEPO nicht auftreten (Abb.3).

Schlussfolgerung: Das rekombinante Erythropoietin bessert fast alle neurophysiologischen Parameter der Cisplatin-induzierten PNP. Markscheindenveränderungen scheinen unter rhEPO nicht aufzutreten. Die DNA-Adduktakkumulation wird durch rhEPO nicht beeinflusst. Vielmehr scheint es das Überleben der Zelle über bisher noch nicht im Detail geklärte Mechanismen zu sichern.

Abb.1: Motorische und sensible Neurographie aller drei Gruppen. Aufgetragen sind Mittelwert (±Standardfehler.

Abb.2: Bestimmung der Schmerzschwelle aller drei Gruppen. Aufgetragen sind Mittelwert±Standardfehler.

Abb.3: Elektronenmikroskopische Aufnahmen des N. Ischiadicus der Maus. Cisplatin (A, D), Cisplatin + rhEPO (B, E), Kontrolle (C,F). lange Pfeile in A und D zeigen läminäre Läsionen der Myelinscheiden, kurze Pfeile in A, D und E zeigen geschädigte Mitochondrien, Pfeilspitzen in B, E und F zeigen intakte Mitochondrien. Stenchen in B und E weise auf Artefakte hin. Vergrößerung: A-C 3000-fach, D-F 7000-fach.