Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V264
DOI: 10.1055/s-2007-987575

Elektrische Stimulation des Gyrus temporalis superior induziert konjugierte ipsiversive Nystagmen -Klinische Evidenz für die Lokalisation des vestibulären Kortex-

C Best 1, H Stefan 1, R Hopfengärtner 1, S Bense 1, M Dieterich 1
  • 1Mainz, Erlangen

Die exakte Lokalisation und Differenzierung vestibulärer Kortexareale ist Gegenstand zahlreicher Bildgebungs- und Patientenstudien. Im Rahmen metabolischer (PET) und funktioneller (fMRT) Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass während vestibulärer Stimulation ein Netzwerk v.a. im Bereich der hinteren Insel, des posterolateralen Thalamus, des Gyrus temporalis superior und inferioren Parietallappens (BA 10/22/29/42/44) [1,2] aktiviert wird. In retrospektiven Studien bei praechirurgischen Epilepsiepatienten konnten mittels elektrischer Stimulation über intrazerebrale Elektroden ebenfalls verschiedene kortikale Areale mit vestibulären Symptomen korreliert werden. Vor allem bei Stimulation im temporo-parietalen Übergang (BA 21/22/40) wurden hierbei vestibuläre Symptome um die Körperlängsachse beschrieben [3].

Wir berichten über einen 24-jährigen rechtshändigen Patienten mit fokaler Epilepsie mit vestibulärer Aura in Form eines subjektiven Drehgefühls in der Pitch-Ebene ohne Oszillopsien. Die klinisch-neurologische und neuro-otologischen Untersuchungen waren regelrecht. Die praechirurgische Epilepsiediagnostik erfolgte über vier intrazerebrale Streifenelektroden rechts parieto-temporal [Abb.1], wovon TA2, TB2 und TC2 als Oberflächenelektroden dem Temporallappen auflagen und eine weitere Elektrode als Tiefenelektrode platziert wurde. Entlang der einzelnen Ableitpunkte wurde bei wachem Patienten elektrisch stimuliert und synchron Augenbewegungen mit binokulärer 3D-Videookulographie abgeleitet.

Bei Stimulation der beiden Elektroden über dem Gyrus temporalis superior TC2 (AB, BA 37) und TC2 (CD, BA 21/37), konnten linear horizontal und vertikal schlagende konjugierte Nystagmen induziert werden, die subjektiv mit Verschwommensehen und ungerichtetem Schwindelgefühl einhergingen. Bei Stimulation des mittleren Anteils des Gyrus temporalis superior (BA 22/42) über TB2 (GH), wurden bei niedrigen Reizstromstärken vergleichbare Augenbewegungen mit nach links unten schlagendem Nystagmus ausgelöst, bei höheren Reizstromstärken (>12mA) hingegen ein ipsilateral nach rechts unten schlagender Nystagmus mit rotatorischer Komponente im Uhrzeigersinn [Abb.2] und Drehschwindelgefühl.

Die Ergebnisse passen zu denen der Bildgebungsstudien, die Areale mit vestibulärer Informationsverarbeitung in den Gyrus temporalis superior und den inferioren Parietallappen lokalisierten.

1. Dieterich et al., 2003.

2. Schlindwein et al., 2005.

3. Kahane et al., 2003.

Abb.1: Lokalisation der intrazerebralen Elektroden

Abb.2: 3D-Videookulographie des induzierten Nystagmus bei Stimulation des Gyrus temporalis superior an der Elektrode TB2 (GH) mit 14mA (T: torsional. V: vertikal, H: horizontal, CCW: Gegenuhrzeigersinn, CW: Uhrzeigersinn, O: oben, U: unten. R: rechts, L: links).