Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V263
DOI: 10.1055/s-2007-987574

Vestibuläre Migräne – eine Verlaufsstudie

B Baier 1, E Winkenwerder 1, S Bense 1, M Dieterich 1
  • 1Mainz

Hintergrund: Die vestibuläre Migräne ist eine der häufigsten Ursachen rezidivierender Schwindelattacken. Ihre Symptomatik kann sehr heterogen sein und jede andere passagere vestibuläre Störung imitieren, weshalb sie sich häufig erst im Verlauf unter Therapie diagnostizieren lässt.

Methoden: In einem strukturierten Telephoninterview befragten wir frühestens 6 Monate nach Diagnosestellung und Therapiebeginn (6 bis 29 Monate) 59 Patienten (42w; 17m) mit vestibulärer Migräne aus unserer Spezialambulanz hinsichtlich der auslösenden Faktoren, Dauer/Häufigkeit der Attacken, Begleitsymptome, Eigen- und Familienanamnese, sekundäre somatoforme Symptome und Ansprechen auf die Therapie. Die Diagnosestellung orientierte sich an den vorgeschlagenen Kriterien von Neuhauser et al. (2001) [1].

Ergebnisse: Eine Besserung der Episoden durch eine migräneprophylaktische Therapie konnte bei 79% der 42 Patienten, die sich einer Migräneprophylaxe unterzogen, hinsichtlich der Attackendauer als auch der -häufigkeit erzielt werden. Hingegen gaben nur 29% der 17 Patienten ohne Migräneprophylaxe eine Besserung an. An Begleitsymptomen wurden zum Befragungszeitpunkt Gangunsicherheit (76%), Kopfdruck (73%), Übelkeit/Erbrechen und Benommenheitsgefühl (jeweils 67%), Augensymptome (65%), Kopfschmerzen und vegetative Symptome (jeweils 58%) sowie Bewegungs-Krankheit (49%) genannt. Migränetypische Symptome wie Photo- bzw. Phonophobie gaben 39% bzw. 54% an. Demgegenüber wurden Hirnstammsymptome in nur 33% zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bzw. in nur 21% zum Befragungszeitpunkt erfasst. Auch auditive Symptome spielten mit 34% bzw. 32% nur eine untergeordnete Rolle. Auslösende Faktoren insbesondere durch Stress- und Belastungssituationen konnten in über 50% der Fälle eruiert werden. 69% der Patienten hatte eine positive Familien- und 61% eine positive Eigenanamnese. Eine sekundäre ängstliche Verunsicherung oder somatoforme Störung wurde von 56% angegeben.

Schlussfolgerung: Die vestibuläre Migräne stellt ein Krankheitsbild dar, bei dem die detaillierte Anamnese eine zentrale Rolle spielt. Zur Klassifikation kommt die Diagnose einer Basilarismigräne prinzipiell in Betracht. Da die diagnostischen Kriterien einer “Basilarismigräne“ jedoch in vielen Fällen (70–80%) nicht erfüllt sind, scheint eine Erweiterung der WHO-Migräneklassifikation um eine zu definierende Kategorie “vestibuläre Migräne“ sinnvoll.

[1] Neuhauser et al., 2001;56:436–441