Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V248
DOI: 10.1055/s-2007-987567

Mechanismen der Hirnmetastasierung: ein neuer Untersuchungsansatz mittels in vivo-Zweiphotonenmikroskopie

F Winkler 1, Y Kienast 1, L von Baumgarten 1, J Herms 1
  • 1München

Hirnmetastasen verursachen nach wie vor eine hohe Morbidität und Mortalität von Krebspatienten; sie sind die häufigsten malignen Tumore des ZNS. Insbesondere in Zeiten verbesserter Therapieoptionen für das systemische Tumorleiden sind neue Ansätze zu Prophylaxe und Therapie von Hirnmetastasen von großer Bedeutung. Die kritische Rolle der einzelnen Schritte der Metastasierung von hämatogener Verschleppung der Krebszellen, Adhäsion an Gehirngefäßen, Extravasation, Proliferation bis hin zur Angiogenese ist auch deshalb noch nicht vollständig verstanden, da es bisher nicht möglich war, individuelle Karzinomzellen über längere Zeiträume zu verfolgen.

In einem neuen experimentellen Ansatz kombinierten wir daher die Technik des chronischen kraniellen Fensters mit der in vivo-Zweiphotonenmikroskopie im Zeitverlauf. Nacktmäusen wurde im Alter von 10 Wochen ein kranielles Fenster von 6×6mm implantiert, durch das ihr Großhirn über Monate einsehbar ist. Eine Woche später wurden dann 105 stabil mit red fluorescent protein (RFP) transfizierte Lungen- und Mammakarzinomzellen in die A. carotis interna injiziert, und ihre Position im Verhältnis zum Gefäßsystem alle 2–4 Tage nach i.v.-Injektion von FITC-Dextran mittels Zweiphotonenmikroskopie bis zu einer Tiefe von 0,5mm bestimmt. Auch Zellmorphologie, Zellproliferation und Invasionsprozesse wurden so dargestellt.

Mit dieser Versuchsanordnung war es erstmals möglich, das Wachstum bzw. die Regression individueller Karzinomzellen über bis zu 4 Wochen in vivo zu verfolgen. Der initale Arrest von Karzinomzellen erfolgte in Kapillaren und Venolen gleichen Durchmessers, die Zellen bewegten sich dann über Stunden mit geringer Geschwindigkeit durch kortikale Gefäße. Wandadhäsionen in größeren Gefäßen wurden kaum beobachtet. Durch die Verlaufsuntersuchung konnten wir ebenfalls ein vorbeschriebenes intravasales Wachstum beobachten, das aber niemals zu einer „erfolgreichen“ Makrometastase führte; eine solche entstand nur, wenn die Zellen 1.) früh extravasierten, 2.) in benachbarten Inseln proliferierten, und 3.) nach 2–3 Wochen ausgeprägte Angiogenese induzierten. Die nach 24 Stunden vorhandenen Zellen verminderten sich über 2 Wochen um den Faktor 100, was die Ineffizienz des metastatischen Vorganges unterstreicht.

Zusammenfassend konnten wir mit dem neuen Modell bereits obligate von fakultativen Schritten der metastatischen Kaskade unterscheiden. Diese Ergebnisse können der Therapie und Prophylaxe der Hirnmetastasierung nützen.