Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V168
DOI: 10.1055/s-2007-987532

Infektiöse Komplikationen nach ischämischem Hirninfarkt: eine Analyse von 9141 Patienten mit akutem „motor stroke“. Embolische Hirninfarkte sind mit einem höheren Risiko Schlaganfall-assoziierter Infektionen vergesellschaftet als lakunäre Infarkte

W Rölz 1, C Förch 1, H Steinmetz 1, M Sitzer 1
  • 1XXfür die Arbeitsgruppe Schlaganfall Hessen (ASH)

Fragestellung: Schlaganfall-assoziierte Infektionen (SAI) gehören zu den häufigsten und gefährlichsten Komplikationen nach einem ischämischen Hirninfarkt. SAI werden als Konsequenz der Akutkrankheit mit Immobilisation, Dysphagie und Bewusstseinsminderung betrachtet. Darüber hinaus ist es Gegenstand aktueller Forschung, ob die Mechanismen der cerebralen Ischämie und die daraus resultierende Hirnläsion selber das Risiko von SAI beeinflussen. In diesem Zusammenhang untersuchten wir den Einfluss der Schlaganfallätiologie (embolisch vs. mikroangiopathisch) auf das SAI-Risiko in einer homogenen Gruppe von Patienten mit „motor stroke“ (Mono- oder Hemiparese).

Methoden: Wir analysierten Daten der Arbeitsgruppe Schlaganfall Hessen, einer großen prospektiven Schlaganfalldatenbank mit einer Einschlussrate konsekutiver Patienten von >90%. Von n=34743 Patienten, die von 1998 bis 2005 innerhalb von 24h nach Symptombeginn unter der Diagnose eines ischämischen Hirninfarkts (Entlassdiagnose ICD-10: I63) aufgenommen wurden, zeigten n=9141 eine Mono- oder Hemiparese ohne Aphasie, Dysphagie oder Bewusstseinsstörung. Mittels logistischer Regressionsanalyse bestimmten wir den Einfluss der Schlaganfallätiologie auf das SAI-Risiko.

Ergebnisse: 9,7% der von uns selektierten Patienten mit „motor stroke“ entwickelten SAI (3,5% Pneumonie, 6,7% Harnwegsinfekte, 0,7% Sepsis). Nach multivariater Adjustierung (Alter, Geschlecht, initialer Schweregrad, Zeit von Symptombeginn bis Aufnahme, Seite der Läsion, vorrausgegangene TIA und Gefäßrisikofaktoren) hatten Patienten mit embolischen Infarkten ein um 56% erhöhtes Risiko einer SAI (OR 1,56, 1,33–1,81; p<0,001). In der Subgruppe der n=5394 Patienten mit embolischen Infarkten hatten Patienten mit kardialer Emboliequelle ein höheres SAI-Risiko als Patienten mit arterio-arteriell embolischen Infarkten (OR 1,20, 1,005–1,436, p=0,04). Unter den embolischen Infarkten mit definierter Seitenangabe (n=3622, links: 40,8% und rechts: 59,2%) zeigten rechtshemisphärische Infarkte ein erhöhtes SAI-Risiko (OR 1,36, 1,09–1,68, p=0,006).

Schlussfolgerungen: Unabhängig vom funktionellen Defizit stellen embolische Hirninfarkte, die meist zu größeren ischämischen Läsionen führen, einen unabhängingen Risikofaktor für SAI dar. Dies unterstützt die Hypothese eines spezifischen immunomodulatorischen Effekts der Hirnläsion an sich.

Tab.1: Baseline Characteristics, Clinical Variables, Risk Factors and Stroke Etiology for 9141 Patients with Acute Ischemic Stroke.

Stroke Associated Infections (SAI)

Absent
(n 8254)

Present
(n=887)

OR

95%-CI

P

Mean age, years

75 (64/79)*

78 (71/83)*

1,049

1,041–1,057

<0,001

Female gender, %

43,9

57,9

1,286

1,108–1,492

<0,001

mRS at admission >2, %

60,6

84,3

2,591

2,137–3,141

< 0,001

Hemiparesis

83,1

90,4

1,475

1,180–1,875

<0,001

Time to admission <3h

28,4

33,3

1,193

1,024–1,390

0,003

Preceding TIA, %

5,3

4,5

0,927

0,859–1,303

0,381

Lefthemispheric lesion side, %

29,3

28,1

1,205

0,998–1,454

0,484

Righthemispheric lesion side, %

37,2

42,2

1,343

1,131–1,594

0,002

Arterial hypertension, %

79,0

81,7

1,062

0,882–1,620

0,061

Diabetes mellitus, %

30,8

38,3

1,395

1,202–1,620

<0,001

Small vessel disease, %

42,0

31,2

0,642

0,551–0,749

<0,001

Embolic stroke

Cardioembolism, %

22,9,0

33,7

1,56

1,33–1,88

<0,001

Atherothrombosis, %

35,0

35,1

0,970