Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V159
DOI: 10.1055/s-2007-987530

Sensorische Profile bei schmerzhaften und schmerzlosen Polyneuropathien am Beispiel der Chemotherapie-induzierten Neuropathie

C Geber 1, C Egenolf 1, M Dieterich 1, RD Treede 1, F Birklein 1, T Vogt 1
  • 1Mainz

Fragestellung: Die Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CINP) ist eine häufige Nebenwirkung antineoplastischer Therapien. Neben sensiblen Ausfallserscheinungen bestehen häufig Schmerzen oftmals neuropathischer Genese. Klinische Symptome bei Patienten mit schmerzhafter und schmerzloser CINP wurden erfasst und das sensible Defizit elektroneurographisch verifiziert. Sensorische Profile wurden mithilfe der quantitativ sensorischen Testung (QST) nach dem DFNS-Protokoll erfasst. Anhand dieser Studie sollen Unterschiede im Schädigungsmuster des somatosensorischen Systems herausgearbeitet werden, die für die Entwicklung von Schmerz bei der Subgruppe der CINP-Patienten relevant ist.

Methoden: 40 Patienten zwischen 26–70 (Mittel: 56) Jahren mit malignen soliden und nicht-soliden Tumoren unterschiedlicher Ätiologie und klinischen Zeichen einer Polyneuropathie wurden eingeschlossen. Zusätzlich zur klinischen Untersuchung erfolgte die Elektroneurographie des N. suralis. QST (Testareal: rechter Fußrücken) erlaubt, thermische und mechanische Detektions- und Schmerzschwellen zu bestimmen und erfasst sowohl sensible Minus- als auch Pluszeichen (z.B. thermische und mechanische Hyperalgesie). Sensorische Profile bei schmerzhafter und schmerzloser CINP (je n=20) wurden einer in Alter und Geschlecht entsprechenden Kontrollgruppe gegenübergestellt. Die statistische Auswertung erfolgte mit T-Tests und ANOVAs.

Ergebnisse: Elektroneurographisch lag eine sensible Neuropathie in beiden Subgruppen bei allen Patienten vor. QST zeigte eine Reduktion (je p<0,01) der thermischen (Kalt- und Warm-) Detektion bei unveränderten thermischen Schmerzschwellen. Übereinstimmend wurden Berührungsreize und Vibration vermindert wahrgenommen (je p<0,01). Die mechanische Schmerzschwelle (Spitz-Stumpf-Diskrimination) war nur in der Gruppe der schmerzhaften CINP reduziert (p<0,05).

Schlussolgerung: Sowohl elektroneurographisch als auch mit QST konnten sensible Defizite in beiden Gruppen nachgewiesen werden. Die sensorischen Profile bei Patienten mit schmerzhafter und schmerzloser CINP wiesen übereinstimmend Dysfunktionen myelinisierter und nicht-myeliniserter Nervenfasern auf. Die mechanische Schmerzschwelle war nur in der Gruppe der schmerzhaften CINP vermindert. Diese Funktion wird über eine Subgruppe von A-Delta-Fasern vermittelt. Dies deutet auf die pathophysiologische Relevanz dieses Fasertyps für die Entwicklung neuropathischer Schmerzen hin.

Unterstützt durch das BMBF (DFNS, 01EM0506)