Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V157
DOI: 10.1055/s-2007-987528

Neuropathischer-Schmerz-spezifische Disinhibition im motorischen Kortex?

P Schwenkreis 1, A Scherens 1, AK Rönnau 1, C Maier 1, M Tegenthoff 1
  • 1Bochum

Fragestellung: Aus Untersuchungen bei Patienten nach Extremitätenamputation sowie beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom existieren Hinweise für einen Zusammenhang zwischen chronifiziertem Schmerz und Reorganisation im sensomotorischen Kortex. Als Basis kortikaler Reorganisation können intrakortikale Exzitabilitätsveränderungen angenommen werden, welche z.B. durch Erfassung intrakortikaler Inhibition (ICI) und Fazilitierung (ICF) mittels transkranieller Magnetstimulation (TMS) untersucht werden können. Ziel war es, durch Anwendung dieser Technik Veränderungen von ICI und ICF und ihren Zusammenhang zur Schmerzsymptomatik bei Patienten mit neuropathischem Schmerz nach inkompletter peripherer Nervenschädigung zu untersuchen.

Methodik: Bei 26 Patienten mit inkompletter einseitiger Schädigung des N. medianus oder des N. ulnaris und resultierendem neuropathischem Schmerz unterschiedlicher Intensität wurde eine TMS in Doppelreiztechnik zur Erfassung von ICI und ICF durchgeführt. Dabei wurde sowohl von einem vom geschädigten Nerv versorgten kleinen Handmuskel als auch von einem vom nicht-geschädigten Nerv versorgten kleinen Handmuskel abgeleitet, und die Ergebnisse mit Ableitungen von den korrespondierenden Muskeln der gesunden Seite verglichen. Als Kontrollen dienten 14 gesunde Normalprobanden, sowie 20 Patienten mit einseitiger schmerzhafter Osteoarthrose des Handgelenks.

Ergebnisse: Es fand sich bei Patienten mit Nervenläsion eine signifikante Disinhibition (d.h. reduzierte ICI) sowohl bei Ableitung von einem vom betroffenen Nerv versorgten Muskel (p<0,05) als auch bei Ableitung von einem vom nicht-betroffenen Nerv versorgten Muskel (p<0,05) im kontralateral zur Nervenläsion gelegenen Motorkortex. Eine solche Disinhibition war bei Patienten mit Osteoarthrose nicht nachweisbar. Das Ausmaß der Disinhibition bei Ableitung von einem betroffenen Muskel korrelierte dabei positiv mit der Schmerzintensität, erfasst mittels NRS.

Diskussion: Bei Patienten mit Neuralgie nach peripherer Nervenläsion lässt sich eine Disinhibition im kontralateralen motorischen Kortex nachweisen, deren Ausmaß abhängig ist von der Intensität der Schmerzsymptomatik. Das Fehlen einer solchen Disinhibition bei Patienten mit schmerzhafter Osteoarthrose des Handgelenkes spricht für ein für den neuropathischen Schmerz spezifisches Phänomen. Dieser Befund hat Implikationen für die Entwicklung differentieller Therapieverfahren bei chronischen neuropathischen bzw. nozizeptiven Schmerzsyndromen.