Aktuelle Neurologie 2007; 34 - M154
DOI: 10.1055/s-2007-987525

Historische Entwicklung der Definition des Hirntodes in Deutschland

SA Brandt 1, H Angstwurm 1
  • 1Berlin, München

Die Auseinandersetzung des Neurologen mit dem Thema Tod ist in den vergangenen 50 Jahren insbesondere von der Hirntod-Debatte geprägt. Diese Debatte ist durch die Verflechtung medizinischer, ethischer, philosophischer und religiöser Betrachtungsweisen gekennzeichnet. Der unbestrittene Beitrag der Neurologie besteht darin, dass sie eine auf der Morphologie und Pathophysiologie beruhende klinische Definition des Gesamthirntodes geleistet hat, die ein biologisch begründetes und ethisch tragfähiges Fundament zum Nachweis des Todes des Menschen ist. Dabei galt nicht nur bezüglich der konzeptionellen Grundlagendebatte, sondern auch in praxi dem Hirntod als sicherem Todeszeichen und der Sicherheit seiner Feststellung die größte Aufmerksamkeit. Hier sollen die Beiträge der Neurologie zur Definition des Hirntodes und die Abgrenzung zu Defektzuständen dargestellt werden. Bereits im April 1968 -vor dem Ad Hoc Komitee der Harvard Medical School – verabschiedete die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie Kriterien für “Todeszeichen und Todesfeststellung“. Bemerkenswert ist, dass sich die entscheidenden klinisch-neurologischen Kriterien zur Feststellung des Hirntodes nicht geändert haben. Die Methoden zum Nachweis der Irreversibilität des Hirnausfalls unter Verwendung von Zusatzdiagnostik wurden jedoch bis zur jetzt gültigen bundeseinheitlichen Richtlinie zur Feststellung des Hirntodes im Rahmen des Transplantationsgesetzes der jeweiligen Entwicklung an Hand der Erfahrungen angepasst. Beispielsweise galt der angiographische Nachweis des bleibenden zerebralen Kreislaufstillstandes lange als das überzeugendstes Zeichen des irreversiblen Hirnfunktionsverlustes. Da es sich um eine Untersuchung handelt, die nicht ohne Risiko für den Patienten ist, wurde die Indikation zur Angiographie zum Hirntodnachweis von der Bundesärztekammer mittlerweile eng gestellt. Das EEG hat in Deutschland als hochstandardisierte Technik unter kaum veränderten untersuchungstechnischen Vorraussetzungen die anhaltend größte Bedeutung. Die Diagnose des Hirntodes unterliegt den höchsten empirische wissenschaftlichen Ansprüchen und zeigt beispielhaft wie eine klinisch und ethisch begründete Beschreibung allgemeine Annerkennung findet.