Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V116
DOI: 10.1055/s-2007-987501

Funktionelle Schädigungsmechanismen nach Schädel-Hirn-Trauma

F Otto 1, E Donauer 1, HP Hartung 1, M Siebler 1
  • 1Düsseldorf, Plau am See

Fragestellung: Das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist die häufigste Ursache für Mortalität und Langzeitbehinderungen bei jungen Erwachsenen. Neben direkten strukturellen Schäden werden darüber hinausgehende funktionelle neuronale Störungen diskutiert, welche durch neuroaktive Substanzen vermittelt werden. Diese könnten zu Sekundärschäden beitragen bzw. die Rehabilitation verzögern. Wir entwickelten ein zellbasiertes elektrophysiologisches Modell (Neurochip) und untersuchten damit den Liquor von SHT-Patienten im Vergleich zu Normalprobanden und zu Serum.

Methoden: Kryokonservierte Cortex-Neurone embryonaler Ratten wurden auf Multielektroden-Arrays (MEA) ausgesät. Wir leiteten die spontanen extrazellulären Potentiale mit 60 planaren Mikroelektroden simultan ab. Der Liquor von SHT-Patienten wurde aus der Ventrikeldrainage steril entnommen und nach Zentrifugation bis zur Messung eingefroren. Als Vergleichskollektiv diente lumbaler Liquor von Normalpatienten (N-CSF) und von Patienten mit entzündlicher ZNS-Erkrankung (Multiple Sklerose <MS-CSF> und Meningitis <M-CSF>). Zur Messung des Effektes einer gestörten Blut-Hirnschranke wurden die Neurochips dem Serum von Normalpersonen exponiert.

Ergebnisse: Innerhalb von 3 Wochen entwickelte sich ein dichtes neuronales Netzwerk mit stabiler oszillatorischer synchronisierter Spontanaktivität. Applikation von N-CSF und M-CSF führte zu einer Verdoppelung der Spikeaktivität organisiert in Bursts. Unter SHT-CSF wurde die Netzwerkaktivität stark inhibiert mit Desynchronisation, was durch Zugabe des NMDA-Antagonisten APV (20 mikroM) kompensiert werden konnte (Abb.1). MS-CSF führte zu einer signifikant geringeren Aktivierung im Vergleich zu N-CSF (Abb.2). Serumapplikation führte bereits nach 2 Minuten Exposition zu einer Inhibition von mehr als 50%. Glutamat und NMDA führten beide konzentrationsabhängig zu einer biphasischen Netzwerkänderung mit Inhibierung bei höherer Konzentration (IC50 Glutamat 12 mikroM, IC50 NMDA 1,8 mikroM; Abb.3).

Schlussfolgerungen: Im Liquor von Patienten mit SHT finden sich funktionell aktive Substanzen, die zu einer starken Inhibition von neuronaler Netzwerkaktivität führen. Dies könnte durch einen glutamatvermittelten Mechanismus verursacht werden. Auch eine Störung der Blut-Hirn-Schranke mit Übertritt von Serum ist für die funktionelle Schädigung zu diskutieren. Der Neurochip ist damit prinzipiell zur innovativen funktionellen Diagnostik des Liquors geeignet.

Wir danken der Hannelore-Kohl-Stiftung ZNS.