Aktuelle Neurologie 2007; 34 - V65
DOI: 10.1055/s-2007-987474

„Aus Fehlern lernen“ – eine Meta-Analyse der Falschklassifikationen von Fingerbewegungen durch EEG-basierte nicht-invasive Brain-Computer-Interfaces

F Losch 1, B Blankertz 1, KR Müller 1, G Curio 1
  • 1Berlin

Einleitung: Brain-Computer-Interfaces (BCI) können motorische Intentionen eines Probanden oder Patienten in technische Steuerbefehle übersetzen. Dabei übernimmt im nicht-invasiven Berliner BCI-Ansatz ein programmierter, selbstlernender “classifier“ die Aufgabe, in Phasen willentlich initiierter Fingerbewegungen je nach experimentellem Paradigma Unterschiede z.B. der begleitenden Bereitschaftspotentiale zu erkennen. In einer Meta-Analyse von Ergebnissen eines Experimentes mit selbst-initiierten Fingerbewegungen analysierten wir gezielt diejenigen Durchgänge der Probanden, die vom “classifier“ falsch interpretiert wurden.

Methodik: Sieben gesunde männliche rechtshändige Probanden tippten in drei Blöcken mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in selbstgewählter Reihenfolge mit dem rechten oder linken Zeigefinger auf eine Computer-Tastatur. Das EEG wurde mit einer 64 Kanal- Kappe (ECI cap) im 10–20 System mit 1000Hz Abtast-Rate und einem Bandpass von 0,05 bis 200Hz (brain products München) abgeleitet. Ausserdem wurden EMGs der Fingerflexoren sowie horizontale und vertikale EOGs aufgezeichnet. Die EEG-Daten-Sätze der einzelnen Probanden wurden in der off-line-Analyse in vier Blöcke mit den Inhalten rechts-richtig-klassifiziert, rechts-falsch-klassifiziert, links-richtig-klassifiziert und links-falsch-klassifiziert aufgeteilt und gemittelt.

Resultate: Alle sieben Probanden zeigen in den Mittelungen der richtig klassifizierten Datenblöcke beider Hände die bekannten, negativen Anstiege des Bereitschaftspotentiales über den jeweils kontralateralen perizentralen Hirnregionen. In den Datenblöcken falsch klassifizierter Durchgänge fehlen diese deutlichen Anstiege ganz oder waren nur sehr schwach ausgeprägt. Dabei ließen sich in der Mehrzahl der Probanden in diesen Durchgängen ipsilateral im Vergleich zur Gegenseite stärkere negative Anstiege erkennen.

Schlussfolgerungen: Bereitschaftspotentiale sind typischerweise kontralateral dominant lateralisiert. Fehlklassifikationen einzelner Fingerbewegungen durch einen Classifier, der auf Grundlage des lateralisierten Bereitschaftspotentials operiert, beruhen offenkundig auf einer intermittierenden Umkehrung dieser Lateralisierung. Weitere Analysen müssen zeigen, auf welcher physiologischen Grundlage diese “richtiger-weise“ falsch klassifizierten Durchgänge zustande kamen. Die Ergebnisse können einer weiteren Verbesserung des “classifiers“ und einer weiteren Reduktion der Fehler-Rate nicht-invasiver BCIs dienen.